Wie geht es weiter mit Noch-Formel-E-Weltmeister Nyck de Vries? Nach dem Werksausstieg von Mercedes zum Saisonende wird der Niederländer ebenso wie Noch-Teamkollege und wohl baldiger Champion, Stoffel Vandoorne, kein Teil von McLaren, das die Startlizenz der Silberpfeile übernommen hat. Das hatte de Vries schon am Rande des Berlin-Rennwochenendes Mitte Mai überraschend deutlich kommuniziert.

Dennoch könnte de Vries der Formel E in Zukunft erhalten bleiben. Ein heißes Gerücht, das Motorsport-Magazin.com am Rande des London ePrix im Fahrerlager aufgeschnappt hat: Der 27-Jährige könnte 2023 zum zweiten Formel-E-Neueinsteiger Maserati wechseln. Der italienische Autobauer spannt beim Debüt in der Elektro-Rennserie mit Venturi zusammen und bringt direkt Antriebsstränge von Konzernschwester DS aus dem Stellantis-Imperium mit.

Das passt perfekt, weil die bisherige Partnerschaft zwischen Venturi und Aussteiger Mercedes vor dem Ende steht. Mit Wahl-Monegasse de Vries würde dem Fürstentum-Rennstall unter der Leitung der früheren Teamchefin und heutigen Geschäftsführerin Susie Wolff ein 'Silberpfeil-Andenken' im Team erhalten bleiben. Und Maserati würde mit de Vries und Edoardo Mortara immerhin den Welt- sowie den Vize-Weltmeister von 2021 unter einem Dach vereinigen.

Nyck de Vries: 2023 Formel E und WEC?

Ein möglicher Maserati-Deal könnte nur ein Teil von de Vries' Rennprogramm für 2023 sein: Wie Motorsport-Magazin.com mehrfach berichtet hatte, kann er sich Hoffnungen auf ein Stammcockpit bei Toyota in der WEC machen. De Vries zählt trotz seiner Noch-Mercedes-Zugehörigkeit seit 2020 als Ersatzfahrer zum Aufgebot der Japaner und könnte nun den Aufstieg schaffen.

Kein Geheimnis: De Vries gilt als echter Racer, der so viele Rennen wie möglich auf hohem Niveau bestreiten möchte. Über Mercedes erhielt er dieses Jahr zwar endlich die Gelegenheit, sowohl für das Werksteam als auch Motoren-Kunde Williams Freie Trainings an Formel-1-Rennwochenenden zu bestreiten, doch mehr scheint nicht drin zu sein für den Formel-2-Meister von 2019.

Nyck de Vries beim Frankreich GP im Mercedes-Silberpfeil, Foto: LAT Images
Nyck de Vries beim Frankreich GP im Mercedes-Silberpfeil, Foto: LAT Images

Toto Wolff: "Dann müssen wir ihn auf eine Art und Weise ziehen lassen"

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff sagte vor einigen Wochen bei Sky: "Ich schätze, wenn es uns nicht gelingt, ihm ein interessantes Formel-1-Projekt anzubieten, dann müssen wir ihn auf eine Art und Weise ziehen lassen. Er schaut sich verschiedene Optionen an, Sportwagen und Formel E. Man darf aber nie die Hoffnung aufgeben, dass sich eines Tages noch die Tür öffnet in der Formel 1."

Bei Toyota und auch beim ambitionierten Rennstall von Wolffs Ehefrau Susie scheinen sich die Türen schneller zu öffnen... De Vries selbst hielt sich wenig überraschend bedeckt bezüglich seiner Zukunft. Am vergangenen Wochenende in London sagte er zu Motorsport-Magazin.com: "Die Wahrheit ist, dass ich selbst noch nicht weiß, was ich mache. Deshalb gibt es keinen Grund, darüber zu spekulieren. Ich fühle mich wohl hier (in der Formel E; d. Red.) und die Zeit wird zeigen, was passiert."

Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff mit Nyck de Vries, Foto: LAT Images
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff mit Nyck de Vries, Foto: LAT Images

Formel E und WEC: Sorge vor weiteren Kalender-Kollisionen

Das gilt übrigens auch mit Blick auf den Rennkalender der WEC, der immer noch nicht veröffentlicht worden ist. Eine Sorge, die neben de Vries zahlreiche weitere Formel-E-Fahrer beschäftigen muss: Kommt es wie schon in der Vergangenheit zu ärgerlichen Termin-Überschneidungen der beiden FIA-Weltmeisterschaften?

Bei Kalender-Kollisionen und mehreren involvierten Herstellern stellt sich stets die Frage, welches Engagement für den Fahrer Priorität genießt. In der Vergangenheit musste etwa Sebastien Buemi ein Formel-E-Rennwochenende sausen lassen, weil er stattdessen für Toyota in der WEC gesetzt war. Das könnte den inzwischen vierfachen Le-Mans-Sieger aus der Schweiz in der Saison 2016/17 den zweiten Formel-E-Titel gekostet haben.

Vandoorne und de Vries am Samstag auf dem London-Podium, Foto: LAT Images
Vandoorne und de Vries am Samstag auf dem London-Podium, Foto: LAT Images

De Vries überrascht bei kurzfristigem Le-Mans-Einsatz

Laut Radio Fahrerlager könne Maserati/Venturi theoretisch verschmerzen, wenn de Vries einen Formel-E-Lauf verpasst. Das spräche für seine Qualitäten und die nicht zu unterschätzende Erfahrung in der Elektro-Rennserie. Der amtierende Weltmeister ist in dieser Saison seinem Mercedes-Teamkollegen Stoffel Vandoorne (laut The Race vor einem Wechsel zur neuen Kollabo DS-Dragon) zwar unterlegen. Zwei Siege, insgesamt drei Podestplätze und eine Pole Position in de Vries' Achterbahn-Saison samt Pech und Kollisionen können sich aber durchaus sehen lassen.

Auch im Prototypen auf der Langstrecke ist de Vries ein gefragter Mann. Bei der diesjährigen Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans sprang er höchst kurzfristig beim LMP2-Team TDS Racing x Vaillante ein und errang mit seinen Teamkollegen Mathias Bech sowie Tijmen van der Helm überraschend den vierten Platz in der enorm stark besetzten Klasse. Seit 2019 startete de Vries zudem für das Racing Team Nederland und G-Drive Racing in Le Mans, bei WEC-Rennen und in der European Le Mans Series.

De Vries: Podest verloren, Podest erobert, Teamorder verweigert

Beim vergangenen Formel-E-Rennwochenende in London sorgte de Vries mehrfach für Schlagzeilen. Am Samstag verlor er den dritten Platz viele Stunden nach dem Rennende wegen einer nachträglich verhängten 5-Sekunden-Zeitstrafe. Im Sonntagsrennen nahm de Vries Revanche und eroberte den dritten Platz auf dem Podium. Dabei verweigerte er jedoch eine Teamorder von Mercedes, die dem Viertplatzierten Teamkollegen und Titelfavoriten Vandoorne mehr Punkte hätte einbringen sollen.

Ob sich de Vries gegen die Anweisung stellte, weil er ohnehin keine Zukunft hat beim Team, das unter dem Banner von McLaren kommendes Jahr in der Formel E an den Start geht? Noch-Mercedes- und Bald-McLaren-Teamchef Ian James zu Motorsport-Magazin.com: "Das glaube ich nicht. Ich habe bislang kurz mit Nyck und auch Stoffel gesprochen. Stoffel hat als Rennfahrer auch eine gewisse Empathie. Das ist nicht immer so einfach. Wir werden das intern diskutieren und falls wir in Seoul in eine ähnliche Situation kommen, dann würden wir auch ein anderes Endergebnis erwarten."