Stoffel Vandoorne ist der große Gewinner des Samstag-Qualifyings der Formel E in London mit Blick auf den Kampf um die Weltmeisterschaft. Zwar verpasste der WM-Spitzenreiter seine dritte Saison-Pole knapp im Finale gegen Jake Dennis (Andretti, London-Sieger 2021), doch mit Startplatz zwei kann er sich die besten Chancen beim drittletzten Rennen der Saison 2022 (heute um 16:00 Uhr live im TV bei ProSieben) ausrechnen.

Vandoornes drei Titelrivalen strauchelten allesamt und verpassten den Sprung in die Top-8 der Startaufstellung. Der Gesamtzweite Edoardo Mortara kann sich mit Startplatz neun noch die besten Chancen ausrechnen. Jean-Eric Vergne (DS Techeetah, Gesamt-P4) und Mitch Evans (Jaguar, Gesamt-P3) müssen von den Startpositionen 13 und 14 versuchen, auf dem Kurs mit kaum Überholmöglichkeiten nach vorne zu fahren.

An der Spitze kann Vandoorne sogar auf Unterstützung von Teamkollege Nyck de Vries hoffen. Der amtierende Formel-E-Weltmeister belegte den dritten Startplatz vor dem Überraschungs-Vierten Sergio Sette Camara (Dragon/Penske). Oliver Askew (Andretti), Maximilian Günther (Nissan), Nick Cassidy (Envision) und Andre Lotterer (Porsche) folgen auf den Plätzen fünf bis acht.

Dennis hoffte nicht grundlos auf seinen zweiten Sieg in London nach der Premiere 2021 auf dem verrückten Kurs, der mitten durch die ExCeL-Messehalle im Osten der britischen Hauptstadt führt. "Stoffel ist ein smarter Kerl und weiß, dass seine Titelgegner deutlich weiter hinten starten", sagte der Brite vor seinem Heimspiel. "Der wäre mit 18 Punkten für Platz zwei sicher auch gut bedient. Deshalb bin ich froh, dass er hinter mir startet."

Evans-Drama nach Di-Grassi-Blockade

Ein Drama erlebte der Meisterschaftsdritte Mitch Evans: Der Jaguar-Pilot kam in der Gruppe A nicht über den siebten Platz hinaus und muss das Rennen von weit hinten aus der siebten Startreihe aufnehmen! Ein bitterer Rückschlag für den Titelanwärter auf einer Strecke, die nur wenige Überholmöglichkeiten bietet.

Jaguar-Teamchef James Barclay: "Sehr unglücklich. Lucas di Grassi hat Mitch in der Schikane blockiert, deshalb war sein erster Run nicht repräsentativ. Der Druck lag dann voll auf der zweiten schnellen Runde, weil wir wegen des Blockierens keine Zeit mehr hatten. Dann ist Mitch leider ein kleiner Fehler passiert. Das war frustrierend."

Di Grassi bekam für das Blockieren von Evans und auch Robin Frijns sämtliche Rundenzeiten in der Quali-Gruppe gestrichen und muss damit aus der letzten Reihe statt aus den Top-8 starten. Der Brasilianer war fuchsteufelswild und trat gegen die Tür der Venturi-Teamgarage.

"Im Qualifying habe ich die absurdeste Strafe kassiert, die ich jemals in der Formel E gesehen habe", wurde di Grassi später auf Twitter deutlich. "Alle Runden gestrichen, weil ich Evans 'blockiert' habe, der Purple in dem Abschnitt fährt, in dem ich ihn 'blockiert' habe, nur ein paar Tausendstel entfernt von der Bestzeit. Die Daten sind sehr, sehr eindeutig."

Maximilian Günther erstmals in K.o.-Phase

Davon profitierte Maximilian Günther, der zum ersten Mal in dieser Saison in die K.o.-Phase einzog. Der Nissan-Werkspilot unterlag im Viertelfinale seinem früheren BMW-Teamkollegen Jake Dennis deutlich, startet aber erstmals dieses Jahr aus den Top-8 der Startaufstellung. Günthers bis dato bestes Resultat war Startplatz neun beim Saisonauftakt in Saudi-Arabien.

Nicht nur Evans erlitt einen Rückschlag im Titelkampf, auch Edoardo Mortara (Venturi) und Jean-Eric Vergne (DS Techeetah) mussten Federn lassen. Beide Titelanwärter kamen in der Qualifying-Gruppe B nicht über die Plätze fünf und sechs hinaus und verpassten den Sprung in die K.o.-Phase haarscharf.

London: Licht und Schatten mal wieder bei Porsche

Andre Lotterer konnte einmal mehr im Qualifying überzeugen: Dem Porsche-Piloten gelang zum 11. Mal im 13. Qualifying der Saison der Sprung ins Viertelfinale. Dort unterlag der dreifache Le-Mans-Sieger seinem Mercedes-Rivalen Vandoorne deutlich - damit Startplatz acht für Lotterer.

Porsche-Teamkollege Pascal Wehrlein (Startplatz 18) erlebte unterdessen ein Debakel und muss aus den letzten Reihen starten. Der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer schaffte es nicht rechtzeitig, eine zweite schnelle Rundenzeit zu absolvieren und wurde nur Zehnter in der Quali-Gruppe A.

Formel E London: So lief das Qualifying am Samstag

Qualifying-Gruppe A: Stoffel Vandoorne, Mitch Evans, Robin Frijns, Lucas di Grassi, Pascal Wehrlein, Nick Cassidy, Sam Bird, Alexander Sims, Oliver Turvey, Maximilian Günther, Sergio Sette Camara

Dramatische Schlussminuten in der Quali-Gruppe A, die Stoffel Vandoorne mit Bestzeiten in allen drei Sektoren als Bester mit einer 1:13.796 abschloss. Dem Mercedes-Piloten folgten mit deutlichem Rückstand von mehr als zwei Zehntelsekunden überraschend Sergio Sette Camara und dazu Nick Cassidy sowie Lucas di Grassi in die K.o.-Phase. Weil di Grassi nachträglich alle Rundenzeiten wegen Blockierens gestrichen wurden, rückte Maximilian Günther nach.

Günther hatte zuvor den Sprung in die Top-4 als Fünfter um nur 0,018 Sekunden verpasst. Ganz bitter kam es für Titelanwärter Mitch Evans, der in der Gruppe A nicht über den achten Platz hinauskam. Ebenso für Porsche-Werksfahrer Pascal Wehrlein, der keine zweite schnelle Runde zusammenbekam und die Session nur als Zehnter beendete.

Qualifying-Gruppe B: Mortara, Vergne, Felix da Costa, de Vries, Lotterer, Dennis, Buemi, Rowland, Askew, Ticktum, Giovinazzi

Mehr Titelanwärter-Drama im Qualifying! Edoardo Mortara und Jean-Eric Vergne verpassten beide den Sprung in die K.o.-Phase auf den Plätzen fünf und sechs. Stattdessen belegten Jake Dennis, Nyck de Vries, Oliver Askew und Andre Lotterer die ersten vier Plätze in der Zeitenliste.

Dennis war mit der Bestzeit von 1:13.846 Minuten 0,158 Sekunden schneller als der Zweitplatzierte de Vries. Askew und Lotterer fehlten bereits mehr als vier Zehntelsekunden zur Spitze. Auf den zweiten Runs nach den Reifenwechseln gelang es nur wenigen Fahrern, neue Sektorenbestzeiten aufzustellen.

Dan Ticktum (NIO) konnte das Qualifying nach seinem Crash im Training zwar aufnehmen, nachdem die NIO-Mannschaft bis zur letzten Minute eifrig am Rennwagen des Briten geschraubt hatte, belegte mit 1,3 Sekunden Rückstand hinter Antonio Giovinazzi aber den letzten Platz.

Formel-E-Qualifying in London: So lief die K.o.-Phase

Das Viertelfinale

Im ersten Viertelfinale machte Stoffel Vandoorne ganz kurzen Prozess mit Porsche-Gegner Andre Lotterer: Der Mercedes-Pilot knöpfte seinem Streckengegner fast vier Zehntelsekunden ab.

Im zweiten Duell des Viertelfinals war Sergio Sette Camara der klare Sieger gegen Oliver Askew. Mit seinem oftmals unterlegenen Dragon-Penske war der Brasilianer mit einer 1:13.300 sogar schneller unterwegs als Vandoorne im ersten Viertelfinale.

Nach Vandoorne hatte auch Mercedes-Teamkollege Nyck de Vries keine Mühe in seinem Duell gegen Nick Cassidy. Der amtierende Weltmeister brauchte 1:13.457 Minuten für seine Run und war damit fast vier Zehntel schneller als sein Gegner im Audi-angetriebenen Envision-Boliden.

Für Maximilian Günther war im Viertelfinale Feierabend: Im vierten Duell unterlag der Nissan-Pilot seinem früheren BMW-Teamkollegen Jake Dennis (Andretti, 1:13.225) deutlich: 0,555 Sekunden trennten die beiden nach dem Run.

Das Halbfinale

Im ersten Halbfinale gelang Stoffel Vandoorne eine großartige Runde, die ihm den Einzug ins Finale bescherte. Der Mercedes-Pilot war in allen drei Sektoren schneller als Sergio Sette Camara und setzte sich mit einer 1:13.131 durch - 0,343 Sekunden Vorsprung auf seinen Dragon/Penske-Gegner.

Im zweiten Halbfinale gelang es Jake Dennis, ein reines Mercedes-Finale zu verhindern! Der Andretti-Pilot fuhr eine Bombenzeit in 1:13.005 Minuten und war damit ziemlich genau drei Zehntelsekunden schneller als Nyck de Vries (1:13.314 Minuten).

Das Finale

Das Finale zwischen Jake Dennis und Stoffel Vandoorne war bis zur letzten der 22 Kurven eine enge Angelegenheit - mit dem besseren Ausgang für den Andretti-Piloten. Dennis benötigte 1:13.161 Minuten für seine beste Runde, während Vandoorne nur im dritten Sektor schneller war und den Zielstrich mit einer 1:13.298 überquerte - 0,137 Sekunden fehlten dem Silberpfeil-Piloten.