Wenn die Vorstandsetage eines großen Autobauers bei einem Rennen aufkreuzt und teilweise schon am frühen Morgen mit großem Interesse die Freien Trainings beobachtet, sagt das meist einiges über das Engagement des Herstellers wie über den Stellenwert der Rennserie aus. So geschehen und gesehen im Falle der Porsche AG, als der Vorstandsvorsitzende Oliver Blume höchstpersönlich der Formel E beim 'Heimspiel' in Berlin einen Besuch abstattete.

Mehr als 15.000 Zuschauer vor Ort und eine gute Stimmung auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof im Süden der Hauptstadt dürften Blume gefallen haben. Die sportliche Leistung 'seines' Werksteams hingegen weniger. Beim vierten Rennwochenende der Saison 2022 war Porsche hinter Mercedes, dessen Kundenteam Venturi und auch DS Techeetah diesmal nur die vierte Kraft.

Berlin: Mercedes-Power dominiert

Während von Mercedes-Power angefeuerte Rennwagen am Samstag und am Sonntag siegten - historischer Vierfach-Erfolg inklusive - sowie beide Pole Positions eroberten, verpassten die Porsche-Piloten Andre Lotterer und Pascal Wehrlein das Podest. Das beste Ergebnis für das Werksteam aus Weissach erzielte Lotterer mit dem vierten Platz im Samstagsrennen. Teamkollege Wehrlein sammelte weitere Punkte als Sechster.

Im Sonntagsrennen auf dem umgekehrten Streckenlayout und bei deutlich wärmeren Temperaturen war für Lotterer nicht mehr drin als Platz acht. Wehrlein ging nach einem desaströsen Qualifying (P19) als Zwölfter leer aus. In der Weltmeisterschaft belegt Porsche (110 Punkte) zur Saisonhalbzeit den fünften Rang. Der Rückstand auf Spitzenreiter und Titelverteidiger Mercedes (176 Punkte) beträgt 66 Zähler.

Formel E Berlin 2022 - Rennen 2: Zusammenfassung und Highlights (05:08 Min.)

Lotterer: "Leider nicht konkurrenzfähig"

"Am Samstag waren wir podestfähig", sagte der dreifache Le-Mans-Sieger Lotterer zu Motorsport-Magazin.com. "Wir waren etwas zu konservativ unterwegs und wurden attackiert (von Stoffel Vandoorne; d. Red.), sonst wäre vielleicht ein Podium drin gewesen. Am Sonntag waren wir dann leider nicht konkurrenzfähig. Die Balance war ein Thema und wie wir mit den Reifen arbeiteten, das war schon im Qualifying schwierig. Ich bin mit Ach und Krach durchgekommen (in die K.o.-Phase, Startplatz vier; d. Red.)."

Auf dem 2,355 Kilometer langen Kurs mit seinen Betonplatten und generell schwierigen Grip-Verhältnissen - das wirkt sich stark auf das Energie-Management aus - war gegen die effizienten Mercedes-Rennwagen des Werksteams und Kundenrennstalls Venturi kein Kraut gewachsen. Lotterer konnte seine Position in der ersten Rennphase verteidigen, doch mit fortschreitender Dauer wurde der Wahl-Monegasse durchgereicht.

Wehrlein: "Es ging gar nichts mehr"

Teamkollege Wehrlein verbesserte sich zwar um sieben Plätze, doch nach dem Quali-Debakel war das Rennen ohne eine möglicherweise rettende Safety-Car-Phase praktisch schon gelaufen. Änderungen am Setup nach eigentlich hoffnungsvollen Auftritten in den beiden Freien Trainings verliefen offenbar in die falsche Richtung.

Wehrlein zu Motorsport-Magazin.com: "Kleine Dinge machen einen großen Unterschied. Nach P4 und P5 in den Trainings hatten wir das Gefühl, noch ein bisschen optimieren zu können. Und auf einmal war das Auto aus dem Fenster raus, es ging gar nichts mehr. Wir hatten keinen Grip und sind nur herumgerutscht."

Der temporäre Kurs in Berlin dürfte vor allem wegen seiner Asphaltbeschaffenheit zu den unnachgiebigsten Strecken der Formel E zählen: Probleme mit der Balance des Autos oder dem Reifen- respektive Energie-Management werden hier schonungslos aufgedeckt. "Der Reifenverschleiß ist hier für die Teams am schwierigsten", bestätigte Lotterer. "Dadurch kristallisieren sich Unterschiede vielleicht ein bisschen mehr heraus."

Formel E: Erkennbarer Trend an der Spitze

Berlin, das war am vergangenen Wochenende eindeutig 'Mercedes-Land' - und die deutsche Hauptstadt setzte einen bemerkenswerten Trend fort: Beim Saisonauftakt in Saudi-Arabien traten die Mercedes dominant auf, anschließend in Mexiko-City waren die Porsche unschlagbar, beim folgenden Double-Header in Rom feierte Jaguar einen Doppelsieg. In Monaco erschien das Feld an der Spitze etwas ausgeglichener, doch auf dem Weg zum möglichen Sieg fiel Wehrlein wegen eines technischen Problems aus.

"Es gibt verschiedene Streckentypen und verschiedene Auto-Konzepte, die besser zur einen oder anderen Strecke passen", erklärte Wehrlein. "Wir waren klar siegfähig in Mexiko und Monaco. Dort war der Asphalt relativ ähnlich, sehr dunkel und mit gutem Grip. In Rom war der Asphalt rauer, es war okay, aber um den Sieg konnten wir nicht kämpfen."

Bis zum nächsten Saisonrennen, der Premiere in Jakarta am 02. Juni 2022, steht dem Porsche-Werksteam einiges an Analysearbeit bevor. Wehrlein sprach von einem "Rätsel", Teamkollege Lotterer meinte: "Es ist interessant, zu sehen, wie manche Teams auf bestimmten Strecken dominant sind. Da reflektieren sich die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte. In Berlin ging es rein um den Grip und dieser Belag verzeiht nicht. Wenn du da nicht gut bist, hast du schlechte Karten."