Edoardo Mortara ist so etwas wie der heimliche Star der Formel E. Dass der Venturi-Pilot tatsächlich amtierender Vize-Weltmeister ist, dürften nur Insider auf dem Schirm haben. Geht in der laufenden Saison 2022 noch mehr? Zur Saisonhalbzeit liegt Mortara auf dem zweiten Platz in der Gesamtwertung mit 99 Punkten, direkt hinter Mercedes-Spitzenreiter Stoffel Vandoorne, der 111 Zähler sammeln konnte.

Zuletzt in Berlin wuchs der frühere DTM-Audi-Pilot über sich hinaus und sorgte für einen sportlichen Paukenschlag: zwei Pole Positions, Sieg am Samstag, Platz zwei am Sonntag! Mortara, einstiger Macau-Dominator, hat sich in der Formel E zu einem der schnellsten Fahrer gemausert und profitiert auch vom Mercedes-Kundenmotor, mit dem Venturi inzwischen ein enormer Performance-Vorsprung gelungen ist.

Mortara hofft auf Zukunft mit Venturi/Maserati

2023 endet die Venturi-Mercedes-Partnerschaft in Folge des werksseitigen Ausstiegs der Silberpfeile. Mit Neueinsteiger Maserati, das Antriebsstränge von Stellantis-Konzernschwester DS Automobiles mitbringt, steht ein neues Kapitel bevor. An Mortara führt dabei eigentlich kein Weg vorbei.

"Von meiner Seite aus kann ich nur sagen, dass ich sehr gerne in der Formel E bleiben würde", so Mortara zu Motorsport-Magazin.com. "Wir hatten tolle Saisons mit Venturi und führen Gespräche. Es wurde noch nichts bekanntgegeben. Ich hoffe, dass wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen können."

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Venturi: Lucas di Grassi vor Abschied

Mortaras sportliche Leistung in der Formel E ist nach seinen 55 Rennen - die zwölftmeisten aller Fahrer - unumstritten. Ein möglicher weiterer Vorteil: Als Italo-Schweizer ist der 35-Jährige auch aus kommerzieller Sicht spannend für Elektro-Debütant Maserati, das sicherlich die Hoheit bei der Fahrerwahl hat. Laut Venturi sollen die Piloten für 2023 erst nach dem Saisonende bekanntgegeben werden.

Da Maserati selbst gar keine Motorsport-Abteilung hat und Venturi unter der Leitung von Teamchef Jerome D'Ambrosio weiterhin die Renneinsätze ausführen wird, muss der Sportwagenbauer eigentlich um eine Konstante im Cockpit bemüht sein. Teamkollege Lucas di Grassi steht nach einer Saison wieder vor dem Abschied und könnte nach Informationen von Motorsport-Magazin.com zum indischen Automobilgiganten Mahindra anstelle von Alex Sims wechseln.

Zu Motorsport-Magazin.com sagte di Grassi in Berlin: "Ich spreche mit Venturi und mit anderen Teams. Ich kann sagen, dass die Entscheidung sehr bald fallen wird. Es hängt vom ganzen Paket ab, von dem ich denke, dass es gut für die Gen3-Zeit sein wird. Alle starten von null und es ist nicht leicht, das richtige Team auszuwählen."

Natürlich versichert Venturi, dass kommerzielle Interessen wie eine zum Hersteller passende Nationalität keinerlei Rolle bei der Fahrer-Entscheidung spiele. In der Realität sieht es ganz anders aus. Nicht umsonst gilt der bei Dragon völlig glücklose Antonio Giovinazzi als heißer Anwärter auf ein Maserati/Venturi-Cockpit. Mit Mortara und dem Formel-1-Aussteiger könnte Maserati beim Formel-E-Einstieg praktisch ein National-Duo präsentieren - mit mindestens einem FE-erfahrenen Piloten.

Mortara über Mercedes: "Haben viel größere Ressourcen"

Wäre Mortara beim Sonntagsrennen in Rom und zuletzt in Monaco nicht vorzeitig ausgefallen wegen Unfällen und einem Reifenschaden, könnte es in der aktuellen Meisterschaft ganz anders aussehen. Jeder Punkt zählt quasi doppelt, schließlich tritt er mit Venturi gegen den eigenen Motorenlieferanten Mercedes an. Zwar konnten Kundenteams in der Formel E immer wieder einmal 'aufmüpfig' werden - siehe Audi und Virgin/Envision - doch am Ende setzte sich stets der große Hersteller durch.

Mortara: "Unser Team hat für die Qualifyings und Rennen tolle Setup-Lösungen gefunden, deshalb können wir mit dem Werksteam kämpfen. Die verfügen über viel größere Ressourcen als wir. Und die können ziemlich frei entscheiden, was sie mit uns machen wollen. So etwas sieht man nicht so häufig im Motorsport und das zeigt die Qualität unseres Teams. Ich denke, dass ich bislang einen sehr guten Job gemacht habe mit dem Paket, das ich hatte. Die Ergebnisse kommen vom kompletten Package. Wenn es einmal nicht läuft, ist das nicht nur die Schuld des Fahrers. Es liegt genauso an uns, weniger Fehler zu machen. Ich muss manchmal in den Qualifyings besser sein."

Mortara: Waren auch ohne di Grassi stark

Den ultra-erfahrenen Teamkollegen di Grassi hat Mortara bislang voll im Griff. 50 Punkte mehr konnte er sammeln als der Ex-Champion, der sich nach dem Ausstieg von Audi Ende 2021 eine neue sportliche Bleibe suchen musste. Zwischen den beiden Charakteren geht es zuweilen heiß her, wie bei der teaminternen Kollision in Monaco. Mortara bezeichnete di Grassi nach seinem Ausfall sogar als den "Metzger der Formel E"!

Auf die Frage eines Journalisten in einer Medienrunde nach Berlin, ob di Grassi das Team nach vorne gebracht habe, entgegnete Mortara: "Ja und nein. Er hat viel Erfahrung aus seiner Zeit in der Formel E eingebracht. Aber wir waren auch letztes Jahr schon stark in Berlin. Und da war kein Lucas. Er hat sein Wissen eingebracht, aber das Team hat bereits gezeigt, dass sie Rennen gewinnen und gut abschneiden können."

In der Team-Wertung belegt Venturi derzeit den zweiten Platz hinter dem amtierenden Weltmeister Mercedes, der Abstand beträgt 28 Punkte. "Man kann sagen, dass wir auf allen Strecken konkurrenzfähig waren", sagte Mortara vor dem nächsten Formel-E-Rennen bei der Premiere in Jakarta am 02. Juni 2022.