Jean-Eric Vergne nimmt nicht nur die Formel-E-Meisterschaft mit vom Saisonfinale in New York. Nach dem Sonntags-Rennen wurde dem Techeetah-Piloten eine Strafe aufgebrummt. Vergne muss innerhalb der nächsten sechs Monate einen Tag Sozialstunden ableisten, den genauen Einsatz bestimmt die FIA.

Dem alten und neuen Champion der Formel E wurde vermeintlich unsportliches Verhalten vorgeworfen. Vorausgegangen war ein Funkspruch im Rennen am Samstag, als Vergne seinen Renningenieur aufforderte, Teamkollege Andre Lotterer anzuweisen, sein Auto auf der Strecke anzuhalten und dadurch eine Safety-Car-Phase auszulösen.

"Sagt Andre, er soll stoppen... um das Safety Car rauszubringen" (im Original: "Tell Andre to stop ... to bring out the Safety Car"), funkte Vergne früh im Rennen.

Tatsächlich gab Vergne diese Anweisung nach Informationen von Motorsport-Magazin.com nicht nur ein Mal, sondern drei Mal. Außerdem fragte er nach, ob sein Ingenieur die Nachricht verstanden habe. Die Rennleitung beschäftigte sich seit Sonntagmorgen mit dieser Angelegenheit und hörte den gesamten Funk ab.

In der zweiten Runde des Samstagsrennens liefen Vergne und Lotterer auf eine durch Sam Bird und Jose Maria Lopez ausgelöste Unfallstelle auf. Lotterer konnte nicht rechtzeitig anhalten und erwischte seinen Teamkollegen am Heck. Beide Techeetah-Piloten mussten ihre Autos anschließend an der Box reparieren lassen. Vergne kehrte in der selben Runde wie der Rest des Feldes auf die Strecke zurück, Lotterer hingegen mit einer Runde Rückstand.

Vergne gab vor der Rennleitung zu, dass er den Funkspruch abgesetzt habe. Seine Begründung: Er habe Sorge um seine und die Sicherheit anderer Fahrer gehabt wegen herumliegender Teile auf der Strecke, die Lotterer tatsächlich hinterlassen hatte, während er sich mit einem beschädigten Frontflügel zurück an die Box schleppte.

Vergne räumte ebenfalls ein, dass dieser Funkspruch missverständlich gewesen sein könnte. Die Anweisung sei unangemessen gewesen, auch, weil Funksprüche in der offiziellen App der Formel E öffentlich zu hören sind. Ihm sei außerdem bewusst gewesen, dass diese von der Rennleitung abgehört werden können.

Die Stewards erwähnten, dass Vergnes Renningenieur nicht auf die Anweisungen eingegangen sei. Sie akzeptierten die Erklärung des früheren Formel-1-Fahrers. Es sei jedoch die Aufgabe eines Sportlers auf einem solchen Level, sich fair, angemessen und als ein Vorbild für andere Fahrer zu verhalten.

Vergne verteidigt den Titel als erster Fahrer in der Formel E, Foto: LAT Images
Vergne verteidigt den Titel als erster Fahrer in der Formel E, Foto: LAT Images

Deshalb kassierte er die Sozialstunden. Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com akzeptierte Techeetah, das neben der Fahrer- auch die Team-Meisterschaft gewann, das Urteil umgehend und verzichtete auf einen Einspruch.

Entspricht Vergnes Begründung der Wahrheit? Oder könnte er versucht haben, Lotterer dazu zu bewegen, ein Safety Car auszulösen, um sich einen sportlichen Vorteil zu verschaffen? Vergne war wegen des erlittenen Reifenschadens weit zurückgefallen, eine Safety-Car-Phase hätte das Feld wieder zusammengeführt.

Lotterer sagte noch vor der Verkündung des Urteils zu Motorsport-Magazin.com: "Ich weiß nicht, wann er was gesagt hat. Ich war eine Runde hinterher und hatte Schwierigkeiten, mit meinem kaputten Flügel überhaupt zur Box zurückzukommen. Er hat mich am Rande der Strecke gesehen, dass ich parkiert war. Ich weiß nicht, was er genau gesagt hat."

Tatsächlich kam es auch nicht zu einer Safety-Car-Phase wegen dieser Situation. Vergne beendete das Rennen auf dem 15. Platz. Lotterer verwies darauf, dass Techeetah ein "echt sportliches Team sei". Und weiter: "Man kann auch nicht immer alles ernst nehmen, wenn man in der Hitze des Gefechts ist."

Für Lotterer war am Sonntag in New York das letzte Rennen in Diensten von Techeetah. Nach gesicherten Informationen von Motorsport-Magazin.com wechselt der 37-Jährige zur kommenden Saison zu Formel-E-Neueinsteiger Porsche.

Es war nicht das einzige Mal, dass die Rennleitung an diesem Wochenende nachträglich wegen Techeetah tätig werden musste. Nach dem Rennen am Samstag hatte Techeetah einen Protest gegen Audi eingelegt. Der Vorwurf: Lucas di Grassi habe Andre Lotterer während des Rennens kontinuierlich berührt, bis sich dieser in der zweiten Runde in Kurve 7 drehte. Die Stewards urteilten, dass es sich hier nicht um einen Vorsatz gehandelt habe und wiesen den Protest zurück.