Heinz-Harald, für die ARD hast du das Berlin-Rennen als TV-Experte begleitet. Ansonsten ist es im Motorsport ziemlich ruhig um dich geworden...
Heinz-Harald Frentzen: Ja. Ich genieße einfach die Zeit mit der Familie und was ich jetzt so mache. Ich bin nicht der Typ, der die Öffentlichkeit sucht. Wenn ich mit der Öffentlichkeit nichts zu tun habe, bin ich ganz glücklich.

Aber mal Hand aufs Herz: Fehlt dir der Motorsport nicht manchmal?
Heinz-Harald Frentzen: Nein. Das ist kein Problem. Ich habe mir das ja ausgesucht. Es ist mir nicht aufgedrängt worden, nicht mehr aktiv zu werden. Ich hatte überlegt, vielleicht noch einmal als Fahrer irgendwo aktiv zu werden. Aber ich gehöre jetzt schon zur älteren Generation und in der Formel E fahren auch eher Fahrer aus der jüngeren Generation, die sich einen Namen machen wollen.

2014 haben wir uns bei den allerersten Testfahrten der Formel E in Donington getroffen. Wie sah es damals mit deinem Interesse an einem Job in der Serie aus?
Heinz-Harald Frentzen: Ich war damals nicht in der Position, dass ich in der Formel E einen bestimmten Bereich gesucht hätte. Und heute bin ich als Fahrer ja schon etwas älter, vom Teamchef-Alter noch ein wenig weg und was sollte ich sonst machen bei der Formel E?

Formel-1-Vizeweltmeister 1997: Heinz-Harald Frentzen, Foto: Sutton
Formel-1-Vizeweltmeister 1997: Heinz-Harald Frentzen, Foto: Sutton

Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg engagiert sich beispielsweise als Investor in der Formel E...
Heinz-Harald Frentzen: Das kann man sich überlegen. Ich denke schon, dass die Formel E eine große Motorsport-Zukunft hat. Es ist ja genau das eingetreten, was ich mit meinem Hybrid-Projekt vor Jahren gestartet habe. Ich habe versucht, den Motorsport für viele Sponsoren ethisch sauberer zu machen.

Wieso?
Wir haben im Motorsport von Jahr zu Jahr viele Sponsoren verloren. Deshalb habe ich vor zehn Jahren ein Hybrid-Auto gebaut, mit dem wir bei den 24 Stunden am Nürburgring gefahren sind, um die Technik zu verfeinern und die Elektrotechnik in den Motorsport einzuführen. Mit dieser haben wir dann die Bandbreite erweitert und versucht, das Ganze für Sponsoren wieder attraktiver zu machen. Die Richtung der Formel E zeigt, dass es viele Firmen gibt, die sagen, dass sie sich endlich mal mit dem Motorsport identifizieren können.

Frentzen und sein Hybrid Gumpert Apollo 2008 am Nürburgring, Foto: Sutton
Frentzen und sein Hybrid Gumpert Apollo 2008 am Nürburgring, Foto: Sutton

Dein Hybrid Gumpert Apollo war damals tatsächlich eine Revolution. Ist es für dich heute ein Stück weit Genugtuung, zu sehen, dass diese Technik den Weg in den Motorsport gefunden hat?
Heinz-Harald Frentzen: Ja, schon etwas. Es kommt der Zeitpunkt, wo der Verbrennungsmotor einfach nicht mehr weiter kann. Natürlich bekomme ich vom Sound noch Gänsehaut, aber es wird schwieriger, dort weiterzuentwickeln. Obwohl: Wenn man sich die Formel 1 anschaut mit der Hybrid-Technik, da sind wir schon erstaunlich weit gekommen. Da sieht man, dass der Verbrennungsmotor immer noch eine Entwicklung durchmacht.

Fehlt dir der Sound in der Formel E?
Heinz-Harald Frentzen: Das ist ein Unterschied. Einfach eine andere Art, Motorsport für Städte. Die Formel E macht keinen Lärm und ist trotzdem auf einem Niveau, das für die heutige Zeit akzeptabel ist. Natürlich lieben wir den Sound der V8- oder V10-Motoren. Aber viele Fans bekamen damals gar nicht mit, wie schwer wir es hatten, weil viele Kartbahnen wegen Lärmbelästigung oder Umweltbelastung geschlossen wurden. Im Motorsport hatten wir es nie leicht und mussten uns immer durchschlagen. Nur für den Hardcore-Motorsportfan muss es den Motoren-Sound noch geben.

Ist die Formel E in deinen Augen echter Motorsport?
Heinz-Harald Frentzen: Für mich sind vier Räder und ein Lenkrad das Minimum für den Motorsport. Ob die Kiste jetzt stinkt oder nicht, ist ein anderer Aspekt. Die Formel E beweist, dass man Motorsport auch rein elektrisch betreiben kann. Vor zehn Jahren hätte noch kein Mensch daran gedacht, dass das möglich ist. Es gibt auch viele Leute, die sich nicht mit der Formel E identifizieren können oder sich nicht dafür interessieren. Aber diese Leute sterben aus. Die neue Generation entscheidet, welcher Motorsport gefragt ist.

Kann man die Formel E eigentlich mit der Formel 1 vergleichen?
Heinz-Harald Frentzen: Eigentlich sollte man beide Serien nicht vergleichen. Man kann auf jeden Fall Motorsport machen mit Elektroautos. Die Formel E muss aber noch an der Batterie-Technik arbeiten. Schon jetzt muss man mit einem Energiewert für die Stunde auskommen, die fünf oder sechs Litern Benzin entspricht. Man kann nicht erwarten, dass man mit der Energiedichte der heutigen Batterien irgendwann mal ähnliche Leistungen wie die Formel 1 erreichen kann. Es wird aber neue Hersteller geben, die bessere und noch leistungsfähigere Batterien entwickeln.

Frentzen: Erfolgreiche Jahre in der Formel 1, Foto: Sutton
Frentzen: Erfolgreiche Jahre in der Formel 1, Foto: Sutton

Kann die Formel E die Formel 1 irgendwann einmal überholen?
Heinz-Harald Frentzen: Da müssen wir abwarten. Aber es wird dann kein Überholmanöver geben wegen des Speeds. Sondern vielmehr von der Technik her wird es einen riesigen Sprung geben durch die Formel E.

Hättest du zu Beginn der Formel E geglaubt, dass sie innerhalb kurzer Zeit so groß werden kann?
Heinz-Harald Frentzen: So genau konnte ich die Zukunft natürlich nicht voraussehen, aber die Plattform war auf jeden Fall interessant. Auch für Automobilhersteller, um die Entwicklung zu betreiben, die nachher auf der Straße eingesetzt wird. Das war schon früher ein Aspekt, warum Hersteller sich für den Motorsport interessiert haben.

Der aktuelle Hersteller-Boom wird auch kritisch beäugt. Droht der Formel E ein Problem, wenn die Interessen der großen Autobauer aufeinandertreffen?
Heinz-Harald Frentzen: Das kann natürlich passieren. Momentan gibt es in der Formel E eine Herstellerflut. Das kann sich aber schnell ändern, wenn die Erfolge nicht da sind. Es gibt einen hohen Leistungsdruck. Die Fahrzeuge der Formel E sind aber eher zu vergleichen mit Cup-Fahrzeugen. Die Autos sind überwiegend identisch. In wenigen Teilen gibt es überhaupt Entwicklungspotenzial. Dennoch wird die Formel E mit mehreren Herstellern einen Entwicklungsschub machen, was kommenden Generationen helfen wird, einen neuen Standard zu erreichen.

Du selbst bist ein großer Anhänger der Elektromobilität und hast ein Haus gebaut, das sich praktisch selbst mit Strom versorgen kann. Wie kam es dazu?
Heinz-Harald Frentzen: Es war von vorneherein klar: Wenn ich meine eigenen vier Wände baue, dann soll das zukunftsgerecht werden. Das Thema hat mich schon vorher sehr interessiert, aber ich hatte nie die Gelegenheit, es umzusetzen. Die Technik jetzt in meinem Haus ist an sich nichts Neues oder Besonderes. Einfach der aktuelle Stand der Technik, die es heute gibt - aber in einer Größenordnung, die Sinn macht.

Frentzen war in Berlin zu Gast bei Viessmann, Foto: Viessmann
Frentzen war in Berlin zu Gast bei Viessmann, Foto: Viessmann