Die Formel E erlebt derzeit den größten Boom ihrer noch jungen Geschichte. Vor allem in Deutschland herrscht dank der Einstiege von Audi, BMW, Mercedes und Porsche eine wahre Aufbruchsstimmung - auch, wenn die Akzeptanz der traditionellen Motorsport-Fans noch fehlt.

Mit dem Verkauf der Namensrechte an das Schweizer Unternehmen ABB ist der Formel E ein weiterer Meilenstein gelungen. Der Deal soll zunächst bis 2025 laufen und der Serie jährlich gut 12 Millionen Euro einbringen.

Big Player wie Hugo Boss und Allianz haben zuletzt sogar der Formel 1 den Rücken gekehrt und engagieren sich stattdessen in der Formel E, die junges Publikum - sprich: Zielgruppe - ansprechen soll und nicht selten besser ins Markenportfolio passt als die traditionelle F1.

Der große Hype rund um die Formel E hat offenbar Spuren hinterlassen und für ein neues Anspruchsdenken gesorgt. Hatte sich die elektrische Rennserie in der Vergangenheit gern hinter der Formel 1 eingereiht und sich stets vor Vergleichen gescheut, drangen zuletzt etwas andere Worte bei den Verantwortlichen durch.

Branson: Formel E überholt Formel 1 in 10 Jahren

So glaubte kurz vor Jahreswechsel Sir Richard Branson, dass die Formel E die Formel 1 überholen könne. "Sie wächst sehr schnell und in jeder Saison gibt es neue Initiativen", sagte der Multimilliardär und Besitzer des Virgin Racing-Rennstalls der South China Morning Post. "Ich bin bereit vorauszusagen, dass in zehn Jahren die Formel E die Formel 1 überholen wird, wenn diese ihren derzeitigen Weg fortsetzt."

Branson gilt nicht nur wegen seines direkten Engagements als großer Verfechter der Formel E. Schon 2015 hatte der Brite, der früher selbst mit Virgin in der Formel 1 antrat, prophezeit, dass die Formel E ihren großen Bruder in vier bis fünf Jahren überholen werde.

Agag: Branson liegt meist richtig

Im Gegensatz zu Branson hielten sich die Chefs der Formel E mit vorschnellen Vergleichen früher lieber zurück. Jetzt ließ Gründer und CEO Alejandro Agag aber zumindest durchblicken, dass auf die Formel E in Zukunft Großes warten könnte.

"Wir möchten uns nie in einen Vergleich mit der F1 setzen", wurde Agag von ESPN zitiert auf die Frage, ob er mit Bransons Vision übereinstimme. "Wir lieben die F1 und denken, dass sie großartig ist. Aber ich widerspreche nie Richard Branson. Er ist ein sehr schlauer Mann und meist liegt er richtig."

Formel E der einzige Motorsport in Zukunft?

Agag weiter während der Bekanntgabe des Deals mit dem neuen Namensgeber ABB, nach dem die Serie ab sofort offiziell ABB FIA Formula E Championship heißen wird: "Ich denke, dass die Formel E sehr, sehr groß werden wird. Ich glaube, dass wir in 20, 30, 40 Jahren der einzige Motorsport da draußen sein werden. Es kann auch anderen geben, aber wir werden wahrscheinlich der Haupt-Motorsport sein, weil die Welt elektrisch wird."

Sowohl Branson als auch Agag argumentierten mit einem Wandel in der Automobilindustrie. Die Vision besagt, dass elektrische Antriebe die herkömmlichen Verbrennungsmotoren einmal vollständig ersetzen werden. Ob und wann es dazu kommen wird, darüber streiten sich die Geister in Wirtschaft und Politik.

Wo genau soll die Formel E die F1 überholen?

"Wenn die Welt in 20 oder 30 Jahren nicht elektrisch ist, haben wir ein Problem", behauptete Agag. "Wenn es aber anders kommt, dann wird die Formel E die Meisterschaft der Autos sein."

In welchen Bereichen die Formel E die Formel 1 überholen könnte, definierten allerdings weder Branson noch Agag. Handelt es sich um die Wirtschaftlichkeit, Fan-Interesse oder gar sportliche Belange wie Geschwindigkeit? Aktuell ist die junge Elektro-Serie trotz allen Hypes im Vergleich zur F1 ein vergleichsweise kleines Licht. Da sich die Konzepte von Formel E und Formel 1 gänzlich unterscheiden, hätte ein direkter Vergleich ohnehin nur sehr bedingte Aussagekraft.