"I love you", ruft Michael, vom Champagner durchtränkt, vom Podium herunter. Gemeint ist diesmal nicht nur seine Ehefrau Corinna, an diesem 21. Juli meint er sein gesamtes Team - vom Mechaniker bis zum Teamchef, vom Truckie bis zum Renningenieur. An diesem Tag ist Michael nicht nur der Schnellste auf der Strecke, sondern auch der schnellste Weltmeister aller Zeiten. Bereits im elften von siebzehn Rennen, sechs Grand Prix vor Saisonende, holt er sich in Magny Cours seinen fünften WM-Titel, und zieht so mit dem legendären Juan Manuel Fangio gleich.

Als lebende Legende sieht er sich deshalb nicht. "Das Team ist die Legende, nicht ich", betont er. Ohne seine Mannschaft, ohne die harte Arbeit an der Strecke und in der Fabrik in Maranello würde es diesen Glücksmoment, den Titelhattrick mit Ferrari nicht geben. Ein kleines Bisschen Glück spielt bei der Entscheidung allerdings doch eine Rolle, nicht als es darum geht, ob Michael die WM gewinnen wird, aber sehr wohl bei der Frage danach, wann es so weit sein wird.

Michael Schumacher krönt sich in Magny Cours zum frühesten Champion aller Zeiten., Foto: Moy/Sutton
Michael Schumacher krönt sich in Magny Cours zum frühesten Champion aller Zeiten., Foto: Moy/Sutton

"Ich habe ehrlich gesagt gar nicht an den Titel gedacht, weil ich irgendwie nicht das Gefühl hatte, dass es hier schon passieren würde", sagt er hinterher. Mit 54 Punkten Vorsprung auf seinen Teamkollegen Rubens Barrichello reist Michael nach Frankreich. Aber ein Fehler, das Überfahren der weißen Linie bei der Boxenausfahrt, wirft ihn zurück. Er kämpft sich wieder nach vorne, aber erst in der fünfletzten Runde springt ihn der Titel förmlich an. Kimi Räikkönen rutscht in Führung liegend auf einer Öllache aus, die Allan McNishs Toyota hinterlassen hat. "Es war einfach Glück", sagt Michael ehrlich, "ich habe so etwas wirklich nicht erwartet."

Als er die Führung übernimmt, kommen Michael zum ersten Mal an diesem Wochenende die Gedanken an den Titelgewinn. "Ich glaube, das waren die schlimmsten fünf Runden in meiner Karriere." Sie schienen gar nicht zu enden, dauerten schier ewig. "Plötzlich war da dieses Gewicht auf meinen Schultern und der Druck, jetzt keine Fehler zu begehen, nichts falsch zu machen."

Nach 72 Runden überquert er die Ziellinie - als fünffacher Formel 1-Weltmeister. "Dann fällt alles von dir ab, du wirst dir bewusst, dass du es geschafft hast - das ist ein fantastischer Moment, deine ganzen Gefühle kommen heraus... ich kann gar nicht die richtigen Worte dafür finden."

Ohne viele Worte, dafür mit umso mehr Jubelschreien, Fanfaren und Feuerwerkskörpern feiern ihn seine Fans beim nächsten Rennen - dem Heim Grand Prix des alten und neuen Champions in Hockenheim. Mit seinem ersten Heimsieg seit 1995 macht Michael die rote WM-Party perfekt. Bei zwei Rennen gibt es aber selbst in diesem roten Jubeljahr nicht nur Grund zur Freude.

Das Fotofinish von Indianapolis misslingt Schumacher., Foto: Sutton
Das Fotofinish von Indianapolis misslingt Schumacher., Foto: Sutton

Die F1-Welt schreibt den 12. Mai. Rubens Barrichello führt den Großen Preis von Österreich an. Doch obwohl er bei der Siegerehrung auf dem obersten Podest stehen darf, gewinnt er nicht - wie im Vorjahr wird er auf der Zielgeraden auf Anweisung des Teams von Michael überholt. Die Empörung über die erneute Stallregie ist groß; als Michael beim US Grand Prix in Indianapolis zusammen mit Rubens Barrichello über die Ziellinie fahren möchte, kommt die Kritik erneut auf. Statt Michael gewinnt Barrichello mit 0,011 Sekunden oder 48 Zentimetern Vorsprung.

Michaels Siegeszug beeinträchtigt das nicht. Eine einzigartige Zuverlässigkeitsserie bedeutet, dass er alle 17 Rennen beendet, bei allen 17 Rennen in den Punkten landet und sogar bei allen 17 Rennen auf dem Podium steht. Insgesamt fährt er elf Siege, fünf 2. Plätze und einen 3. Platz ein. "Hunger habe ich schon noch, aber nicht, weil ich Rekorde aufstellen möchte, sondern aus der Freude am Rennfahren. Hoffentlich endet das dann in einer weiteren Meisterschaft."

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