Zum Abschluss einer denkwürdigen Saison sei es mir erlaubt, meine ganz persönliche Auf- und Absteiger-Liste zusammenzustellen. Nicht jeder Leser des adrivo Motorsport-Magazins wird mit mir einer Meinung sein (das bin ich schon gewöhnt). Aber die tollsten Stories im Fahrerlager finden oft nicht auf Seite 1 der BILD statt. Hier meine 7 Highlights und 7 Tiefpunkte der Saison:

1. Sebastian Vettel

So sehen Sieger aus., Foto: GEPA
So sehen Sieger aus., Foto: GEPA

Es hat schon viele Sternstunden in der Formel 1 gegeben. Aber Monza 2008 darf mit Recht als die größte gelten. Kein weiterer Kommentar nötig. Übrigens: In unserem Forum wurde Sebastian bei seinem Debüt in Indy 2007 von einer Vielzahl von "Experten" als völlig überschätzter Durchschnittspilot hingestellt. Tja, da waren manche wohl etwas zu voreilig mit dem Urteil, oder?

2. Fernando Alonso

Auf die Gefahr hin, dass die Schumi-Nostalgiker wieder Schaum vorm Mund haben: Alonso war für mich der beste Spitzenfahrer des Jahres. Mit der Renault-Gurke am Ende der Saison zwei Mal zu gewinnen und einmal Zweiter zu werden - das schaffen nur ganz Große. Und wer Zweifel hat, der soll sich Nelsinho Piquets Resultate ansehen. Und auch der ist kein Nasenbohrer!

3. Robert Kubica

Seine Saison hat mich wahnsinnig an Heinz Harald Frentzen 1999 im Jordan erinnert. Immer da, immer an der Spitze dran, wo er mit dem Auto eigentlich nicht hingehört. Sieg in Kanada, Heidfeld völlig in den Schatten gestellt, aber auch ein paar Allüren. So sehen Sieger aus. Endlich ein neuer Farbtupfer in der Formel 1. Und eine Saison lange ohne Eigenfehler. Felipe, Lewis, zieht Euch warm an!

4. Stefano Domenicali

Selbst die Konkurrenz versteht sich mit dem Neuen an der rotten Box., Foto: Sutton
Selbst die Konkurrenz versteht sich mit dem Neuen an der rotten Box., Foto: Sutton

Ferrari hat wieder ein Herz! Nach dem Schreckensregime von Jean Todt endlich ein Teamleader, der nicht dem ganzen Fahrerlager mit dem Hintern ins Gesicht fährt. Sympathiegewinn bei den Fans und der Presse: +100%. Im Doppelpack mit Rob Smedley sammelt die Scuderia erstmals wieder Sympathiepunkte nördlich von Südtirol. Da verzeiht man auch gerne allzu menschliche Fehler wie abgerissene Tankrüssel.

5. Adrian Sutil

Mensch, was hat der für ein Pech. Knallt ihm der Finne hinten rein, als er auf Rang 4 liegt. Am Ende des Feldes aufzuzeigen ist immer schwer. Und bei Regen war Adrian jedes Mal da. Hat seine Crash-Anfälligkeit nach dem ersten Saisondrittel völlig abgelegt und Fisichella am Ende öfter paniert als man für möglich gehalten hat. Prädikat: wertvoll, für Höheres bestimmt.

6. Aguri Suzuki

Ach ja, da war ja noch was. Da fuhren am Beginn ja noch Sato und Davidson mit. Dass es dazu überhaupt noch kam, ist einzig Aguri Suzukis Führung zu verdanken. Und dass er rechtzeitig die Reißleine gezogen hat, zeigt, dass es in wirtschaftlich turbulenten Zeiten doch noch Menschen mit Ehrgefühl gibt. Super Aguri ist gescheitert und wird eine Fußnote bleiben. Aber Aguri Suzuki kann sich im Fahrerlager noch erhobenen Hauptes blicken lassen. Anders, als andere Teamchefs, die dann die Polizei gesucht hat.

7. Singapur

Formel 1 bei Nacht und in der Stadt, Foto: RenaultF1
Formel 1 bei Nacht und in der Stadt, Foto: RenaultF1

Warum mussten wir 58 Jahre lang auf so etwas warten? Und: haben's die Wichtigen und Mächtigen endlich kapiert, dass Stadtkurse zur Formel 1 gehören wie das Salz zur Suppe?

Dem gegenüber stehen natürlich auch ein paar Absteiger:

1. Die FIA

Der GAU mit Sado-Mosley hat einmal mehr gezeigt: Mit normalem Verstand hat das alles nichts mehr zu tun. Geschweige denn mit einem Funken Anstand. Und wenn man versucht, einen Sport tot zu regulieren, landet man halt oft auf dem Bauch. Irgendwann wird ein generelles Überholverbot in der Formel 1 herrschen. Und 10.000 Menschen dafür arbeiten, dass ein Werksauto 15. wird. Solange nur eingefroren wird, was nicht einzufrieren ist. Und alle werden es als Riesenerfolg feiern...

2. Kimi Räikkönen

Zwei Siege, der letzte davon im April (!). Und dass in einem Weltmeister-Auto. Immerhin zeigten seine Schnellsten Rennrunden, dass er zumindest nicht eingeschlafen war. Schade, denn ein solcher Leistungsabfall nach einem WM-Titel ist in den letzten Jahrzehnten selten vorgekommen.

3. Heikki Kovalainen

Kovalainen muss Hamilton öfter schlagen., Foto: Sutton
Kovalainen muss Hamilton öfter schlagen., Foto: Sutton

Auch der zweite Finne bot mehr Schatten als Licht. Wäre Felipe Massa in Ungarn kurz vor dem Ende nicht die Kiste auseinandergeflogen, stünde er nun mit ganz leeren Händen da. Nummer zwei hinter Hamilton zu spielen ist keine Schande. Aber ein paar Mal im Jahr muss man Glanzlichter setzen. Und die blieben fast gänzlich aus.

4. Testfahrer

Ein Novum in der Formel 1: kein einziger Cockpitwechsel während der Saison. Die De la Rosas, Genes, Kliens, Wurz oder Kobayashis der Erde blieben nur Statisten. Und mit dem Kilometerlimit beim Testen kamen einige erst im Sommer dazu, das 2008er-Auto zu fahren. Statt wie früher zehntausende Kilometer haben einige jetzt ein paar hundert Kilometer auf der Uhr. Ob das Abschaffen des dritten Autos am Freitag wirklich so klug war?

5. Ewige Talente

Ja, es ist verdammt schwierig, wenn man in einem Auto sitzt, das nur für zwölfte Plätze gebaut ist. Aber was wurde eigentlich aus Jenson Button? Und was aus Jarno Trulli? Beide verdammt gute Rennfahrer am richtigen Tag. Aber warum dauert's bloß so lange, bis wieder so ein Tag kommt? Ich mag sie beide sehr gerne. Vielleicht blühen sie ja 2009 auf - mit Slicks, mit KERS usw. Wenn nicht, bleiben sie wohl auf ewig in der Jean Alesi-Liga.

6. Spione

Nicht nur beim Videodreh lag Toro Rosso vorne., Foto: GEPA
Nicht nur beim Videodreh lag Toro Rosso vorne., Foto: GEPA

Kein neuer Skandal, keine Klagen, keine Strafen. Das medienwirksame Durchgreifen der FIA hat sich scheinbar gelohnt. In jedem Fall war die Strafe schon schlimm genug, die Inspektoren monatelang am Hals zu haben. Oder ist irgendjemandem aufgefallen, dass die beiden Hauptverdächtigten zu Saisonbeginn ganz schlechte Figur gemacht haben? Im Falle von Renault sogar extrem. Wenn das mal keine Nachwirkung der Spionageaffäre 2.0. war...

7. Red Bull Racing

Vom kleinen Schwester-Team vorgeführt, intern sehr mit sich selbst beschäftigt. Ein Stardesigner, dem am Anfang die Radaufhängungen wie Streichhölzer abknicken. Und eine Motorenentscheidung, die schwer nach hinten los ging. Man muss fair sein mit dem letzten ernst zu nehmenden Privatteam (sorry Frank), aber 2009 muss da was passieren, sonst ist auch mit Mark Webber bald vorbei. Und Sebastian Vettel muss schauen, wie er da wieder raus kommt.