Abseits der sportlich wirklich mitreißenden Saison erleben wir im Moment eine Revolution, wie sie die Formel 1 nur alle Jahrzehnte mal zustande bringt. Langjährige Beobachter können sich nur noch wundern, was sich da hinter den verspiegelten Glasfenstern der Motorhomes abspielt. Erstmals seit Jahrzehnten sind sich alle Teams in einer Sache einig. Für mich ist das schlicht und ergreifend ein Zeichen, dass die Lage wirklich ernst ist. Denn in der Formel 1 würde jeder eher seinen Großvater verkaufen als mit dem Konkurrenten gemeinsame Sache zu machen. Man neidet einander dort sogar den Dreck unter den Fingernägeln, wenn's ans Eingemachte geht. Also ist da was im Busch.

Die Teamchefs haben mal wieder getagt., Foto: Sutton
Die Teamchefs haben mal wieder getagt., Foto: Sutton

Der Zeitpunkt der FOTA-Meetings und gemeinsamen Beschlüsse ist auch nicht zufällig. Wer je einmal im Marketing oder in der Werbung tätig war, weiß genau, wann die Budgets fürs kommende Jahr abgesegnet werden. Das Budget für 2009 sollte im Oktober längst in trockenen Tüchern sein. Einige Teams haben offensichtlich riesige Löcher in den Büchern. Sogar bis zum möglichen Totalausfall des Hauptsponsors. Ich glaube dennoch nicht, dass man sich um die Formel 1-Teams generell Sorgen machen muss. Vielleicht schrumpft manches nun wieder auf eine gesunde Größe zurück.

Das Fahrerlager ist ohnehin jener Platz auf dem Planeten, der die meisten Millionäre pro Quadratmeter hat. Und Bernie Ecclestone hat mir mal gesagt: "Schauen Sie sich um, hier ist kein einziger, der je mit der Formel 1 Geld verloren hätte!" Wie recht er hat. Doch der Dagobert-Club, dem Bernie nur 47% der Gesamteinnahmen der Formel 1 zukommen lässt, solidarisiert sich erstmals richtig.

Die entscheidende Frage ist doch: Wohin fließen diese ganzen Millionen? Und was davon kommt dem Fan wirklich zugute? Dazu zwei Beispiele: Ein mir persönlich bekannter Formel 1-Veteran hat mir glaubhaft versichert, dass er bei seinen ersten Grands Prix keine Boxenstopps machen durfte. Der Grund war verblüffend einfach: Das Team (wir reden von Anfang der 1990er-Jahre) hatte einfach nicht genügend Leute, um einen ordentlichen Boxenstopp zu absolvieren. Und im Training musste der Koch mit ran, um die Reifen umzustecken.

Normalerweise sind sie sich nur selten einig., Foto: Sutton
Normalerweise sind sie sich nur selten einig., Foto: Sutton

15 Jahre später hat sogar das kleinste Team in der Formel 1 gute 200 Leute. Die großen Rennställe beschäftigen um die 1.000 Menschen, teilweise werden zwei Windkanäle parallel betrieben - 24 Stunden am Tag, also in drei Schichten. Ich erlaube mir die Frage: Ist die Formel 1 dadurch um so viel besser, spannender, unterhaltsamer geworden? Ganz zu schweigen von der Sinnfrage des Aero-Wettrüstens: Da findet jemand ein Zehntel, das zig Millionen gekostet hat. Zwei Rennen später haben durch Kopierarbeit alle dasselbe Zehntel gefunden. Siehe die Motorabdeckung von Red Bull. Und jedes Mal, wenn im Rennen ein aerodynamisches Wunderding runter fällt, lache ich mich halbtot. Denn in neun von zehn Fällen fährt der Fahrer trotzdem zumindest gleich gute Rundenzeiten wie vorher.

Beispiel 2: In Monza sind wir vor vier Jahren noch über 370 km/h auf der Geraden gefahren. Mit dem V8-Reglement sind es nur noch etwa 335 km/h. Gekostet hat der Spaß wieder hunderte Millionen. Aber ist es einem einzigen Zuseher aufgefallen, dass der Speed auf der Geraden dramatisch gesunken ist? Ich bezweifle das. Was ich damit sagen will: Ein Großteil der Budgets in der Formel 1 geht für Dinge drauf, die kein Mensch sieht. Selbst wenn man den Anspruch stellt, die technisch beste Rennserie der Welt zu sein, reicht locker das halbe Jahresbudget, um immer noch jede Marketing-Message glaubhaft rüberzubringen. Aber so funktioniert die Formel 1 halt nicht. Wenn das letzte Zehntel 100 Millionen kostet, und die 100 Millionen sind irgendwo aufzutreiben, dann werden diese 100 Millionen auch ausgegeben.

Auch Ferrari und McLaren verfolgen gemeinsame Ziele., Foto: Sutton
Auch Ferrari und McLaren verfolgen gemeinsame Ziele., Foto: Sutton

Die Formel 1 funktioniert längst nicht mehr nach dem einfachen Kosten-Nutzen-Prinzip. Das war einmal. Der legendäre Ford Cosworth-V8-Motor wurde deswegen zur Legende, weil er die beste Investition war, die man nur machen konnte. Kraftvoll, zuverlässig, kostengünstig. Eine kalkulierbare Größe im Businessplan jeder Hinterhofwerkstätte.

Heute funktioniert die Rechnung anders: Konzerne haben den Rennsport als Posten in ihrer Budgetplanung. Ein (fiktiver) Werbewert muss erzielt werden, damit es sich weiterhin auszahlt, zwei Autos im Fernsehen herumfahren zu lassen. Verkauft man damit am Ende des Tages mehr Autos, Pickups oder Energydrinks als wenn man dasselbe Geld in eine weltweite Plakat-Kampagne und Werbespots investiert hätte, dann ist die Rechnung aufgegangen. Letztendlich ist es dabei fast egal, ob man vorne oder hinten rumfährt. Solange Bernie nie auf die neuen Märkte vergisst, die den Konzernen beim Wachsen helfen.

"Es gibt bei den Formel 1-Teamchefs jede Menge Tränen wegen der hohen Kosten", hat mir ein Ex-Teamchef schon vor ein paar Jahren geflüstert. "Aber es sind Krokodilstränen vom Oberdeck Ihrer Luxusyachten". Schlau, wer sich vor einigen Jahren aus dem Staub gemacht hat. Eddie Jordan zum Beispiel. Der hat sein Team dreimal verkauft und am Ende hat es doch immer wieder ihm gehört. Oder Alain Prost, der mit seinem Rennstall schon vor 10 Jahren Pleite ging. Was aber die wenigsten wussten: Der größte Gläubiger des Prost-Rennstalls war damals Alain Prost selbst. Er hatte seinem eigenen Team Jahr für Jahr Millionen dafür verrechnet, den Namen Prost tragen zu dürfen. Bis halt kein Geld mehr da war.

Der Einfallsreichtum ist riesig. Ich bin mir sicher, wir werden also auch in Zukunft zu keiner Spendenaktion für notleidende Teambosse aufrufen müssen. Obwohl, Patrick Head war früher schon etwas entspannter, als er noch jeden Tag mit dem Helikopter in die Williams-Fabrik geflogen wurde. Jeder muss halt irgendwann auch Opfer bringen...