Fernando Alonso hatte das erste Nachtrennen in der Geschichte der Formel 1 bereits am Samstagnachmittag abgeschrieben. Nach zwei Trainingsbestzeiten unter dem Sternenhimmel von Singapur streikte Alonsos Hydraulik im zweiten Qualifying. Nur Startplatz 15. Angesichts der überholfeindlichen Strecke sanken die Hoffnungen des Spaniers ins Bodenlose. Der Traum vom Podium oder dem ersten Saisonsieg schien zerplatzt - bis das Auto seines Teamkollegen in Runde 15 an der Wand zerschellte.

Massa riss den Tankschlauch aus der Anlage., Foto: Sutton
Massa riss den Tankschlauch aus der Anlage., Foto: Sutton

Der Unfall von Nelson Piquet löste eine chaotische Phase aus, in einem ansonsten (abgesehen von der hell erleuchteten Kulisse) relativ unspektakulären Grand Prix. Nachdem der Führende Felipe Massa den Tankschlauch abriss, das Feld durch Strafen und die Safety-Car-Phase durcheinander gewürfelt wurde, fand sich plötzlich Alonso in Führung wieder. Eine Position, die er bis zur Zielflagge nach 61 Runden nicht mehr abgeben sollte - obwohl eine zweite Safet-Car-Phase zehn Runden vor Schluss das Feld noch einmal zusammenführte.

Genauso unerwartet wie der Sieg für Alonso kam der zweite Platz für Nico Rosberg, der trotz einer 10 Sekunden Stop-and-Go-Strafe das beste Ergebnis seiner F1-Karriere einfuhr - vor Lewis Hamilton, der den Deutschen in den letzten sieben Runden nach der zweiten SC-Phase bis ins Ziel unter Druck setzte. Der Brite baute derweil auch als Dritter seine WM-Führung gegen den punktlosen Massa weiter aus. Gleichzeitig übernahm McLaren die Führung in der Konstrukteurswertung.

Ein fantastischer Sieg

"Das ist fantastisch", freute sich Alonso über das erste Podium der Saison. "Und gleich der erste Sieg, ich bin restlos glücklich und kann es immer noch nicht glauben." Renault sei vom Freitag an konkurrenzfähig gewesen und nur vom Pech im Qualifying etwas gebremst worden. "Wir entschieden uns für einen aggressiven ersten Stint und wollten so viele Plätze wie möglich in der ersten Runde gutmachen." Danach spielte ihm die Safety-Car-Phase in die Hände. "Das war Glück, aber die Pace war immer da."

Alonso siegt in der Nacht von Singapur., Foto: RenaultF1
Alonso siegt in der Nacht von Singapur., Foto: RenaultF1

Nico Rosberg bekam schon früh einen Funkspruch seines Renningenieurs: "Du musst an Trulli vorbei, sonst ist der Tag gelaufen." Das setzte er mit aller Kraft um. "Ich konnte nur in Kurve 1 oder 7 überholen, dort waren aber Bodenwellen." Deswegen brauchte er eine Weile, bis er einen Weg zum Angriff fand. "Es haben alle Reifen blockiert, aber ich kam vorbei." Als er von der Strafe erfuhr, dachte er erneut, dass alles gelaufen sei. "Ich war sauer, weil es mir jedes Mal passiert." Doch er knallte eine Qualifying-Runde nach der anderen auf den Asphalt und glich die Strafe aus. "Das Auto war auf dieser Strecke sehr gut und einmal lief es für uns."

Lewis Hamilton begnügte sich derweil mit Blick auf die Weltmeisterschaft mit Platz 3. "Ich wollte kein Risiko eingehen, denn Ferrari war ohne Punkte", erklärte er. "Ich habe gepusht, um die Lücke zu schließen, aber es war zu riskant, da es keine typische Überholstrecke ist." Überhaupt zählte er Singapur eher nicht zu den McLaren-Strecken. "Aber es war dann gar nicht so schwierig für uns."

Erst ruhig, dann chaotisch

Das Rennen begann wie ein typisches trockenes F1-Rennen auf einem Stadtkurs ohne Überholmöglichkeiten. Felipe Massa drehte an der Spitze seine Kreise vor Lewis Hamilton und Kimi Räikkönen. Etwas Spannung gab es in den ersten Runden, in denen Robert Kubica und Heikki Kovalainen auf Tuchfühlung gingen. Die Autos berührten sich und der Finne fiel zurück. Danach wechselte er gleich zweimal innerhalb einer Runde die Position mit Timo Glock, der sich letztlich durchsetzte.

Mit Piquets Unfall began das Chaos., Foto: Sutton
Mit Piquets Unfall began das Chaos., Foto: Sutton

Im hinteren Feld sammelten sich die Autos hinter dem berüchtigten Trulli-Train. Doch nach einigen Runden gingen sie reihenweise am Italiener vorbei: erst Nico Rosberg, dann Kazuki Nakajima und Fernando Alonso. Dann brachte Runde 15 alles durcheinander: Nelson Piquet verlor das Heck seines Renault und schlug rückwärts in der Mauer ein. Safety Car.

Nico Rosberg und Robert Kubica wurden die nächsten Opfer, allerdings nicht der Mauern, sondern der Regeln: sie hatten keinen Sprit mehr und mussten an die Box kommen, als die Einfahrt noch geschlossen war - die Folge: je eine 10 Sekunden Stop-and-Go-Strafe. Während Rubens Barrichello am Streckenrand ausrollte, wurde die Boxengasse geöffnet und begann das große Chaos.

Drama bei Ferrari

Felipe Massa führte das Feld an die Box und hätte diese wohl als Führender verlassen, wenn ihm die Ferrari-Ampel keinen Streich gespielt hätte. Diese sprang erst auf Grün, dann wieder auf Rot - Massa war jedoch schon losgefahren und fuhr nicht nur einem Force India direkt vor die Schnauze, sondern riss auch den Tankschlauch aus der Anlage und zog ihn bis zum Ende der Boxengasse mit sich, wo er anhielt, um auf seine herbeieilenden Mechaniker zu warten. Die mussten vorher aber Kimi Räikkönen abfertigen, der bereits hinter Massa auf seinen Stopp gewartet hatte.

Erneut misslang ein Ferrari-Boxenstopp., Foto: Sutton
Erneut misslang ein Ferrari-Boxenstopp., Foto: Sutton

Der zweite Boxenunfall der Roten in dieser Saison (beim letzten Stadtrennen in Valencia hatte Räikkönen seinen Tankmann umgerissen) brachte erneut einen verletzten Mechaniker und eine Strafe für Massa: Drive Through wegen unsicherem Loslassen beim Boxenstopp. Das zementierte den letzten Platz des WM-Zweiten, der durch den Unfall und das Warten am Boxenausgang, bis die Mechaniker den verkannteten Tankschlauch entfernt hatten, ohnehin schon viel Zeit verloren hatte. Platz 13 war das enttäuschende Endergebnis für den Titelanwärter.

Vier Deutsche in den Punkten

Neben Nico Rosberg auf Platz 2 schafften es noch drei weitere Deutsche in die Top-8. Timo Glock fuhr seinen Toyota hinter Lewis Hamilton auf einen starken vierten Platz. Hinter Glock kreuzte Monza-Sieger Sebastian Vettel im Toro Rosso die Linie als Fünfter. Platz 6 ging an BMW Sauber-Pilot Nick Heidfeld, der ebenso wie Vettel vier Runden vor Schluss einen Rang aufrutschte, weil Kimi Räikkönen seinen Ferrari auf Platz 5 liegend in die Mauer steuerte. Die letzten beiden Punkte schnappten sich David Coulthard und Kazuki Nakajima.