Silverstone, England. Ein großes Schild prangt über dem Haupteingang zur bekanntesten britischen Rennstrecke: Home of British Motor Racing. "Und so fühlt es sich auch an", sagt Nick Heidfeld. Der Traditionskurs auf dem ehemaligen Flugplatz habe sich seine Ursprünglichkeit bewahrt. "Er hat wirklich Charakter, und das gefällt mir", so Heidfeld.

"Silverstone ist eine der besten Strecken im Kalender, eine echte Fahrerstrecke", betont Lokalmatador Lewis Hamilton, der sich die F1 ohne Silverstone nicht vorstellen kann. Fernando Alonso sieht in Silverstone eine Herausforderung für Fahrzeug und Fahrer. Das mache sich einerseits in den schnellen Kurven bemerkbar, in denen das Chassis gut ausbalanciert sein müsse. "Zusätzlich ist es ein physisch sehr fordernder Kurs, denn die Fahrer müssen mit hohen G-Kräften zurechtkommen", verrät Alonso. "Eine gute Runde in Silverstone ist immer besonders befriedigend, weil sowohl Fahrer als auch Auto absolut am Limit sein müssen, um das zu erreichen."

Schnell, schneller, Silverstone

Damit ist das Hauptcharakteristikum des Home of British Motor Racing bereits genannt worden: Highspeed. "Es ist eine schnelle, fließende, High-Speed-Strecke, eine der wenigen, die noch im Kalender ist", sagt Rubens Barrrichello. "Es ist ein Highlight für die Fahrer, da man das Auto wirklich fliegen lassen kann." Speziell im ersten Streckenabschnitt sind hohe Geschwindigkeiten und hoher Abtrieb gefragt. "Während der ersten Hälfte des Kurses bremsen wir kein einziges Mal und gehen nur ein paar Mal vom Gas bzw. schalten runter", verrät Hamilton. Die erste Kurve erreichen die Fahrer im siebten Gang und durchfahren sie an einem guten Tag mit Vollgas. "Wir reden hier von 100 Prozent Vollgas und kein bisschen Bremsen", sagt Alex Wurz. "Die Kurve ist viel härter als Eau Rouge."

"Aus Fahrersicht ist die Strecke ein guter Mix aus verschiedenen Anforderungen", sagt Robert Kubica. Aufgrund der High-Speed-Natur spielt der Wind eine entscheidende Rolle. "Vor allem im ersten Sektor hat er großen Einfluss auf das Auto", betont Kubica.

Die Fahrer lieben Becketts., Foto: Sutton
Die Fahrer lieben Becketts., Foto: Sutton

Wie auf jeder Strecke lässt sich die meiste Zeit in den langsamen Kurven gutmachen. Da die schnelle Passage am Anfang der Runde viel Vertrauen ins Auto verlangt, stimmen die Fahrer ihre Autos aber trotzdem meist auf Copse, Becketts und Stowe ab. "Silverstone ist eine meiner Lieblingsstrecken, ganz besonders liebe ich den Abschnitt bei Becketts", sagt Button. "Die Richtungswechsel dort sind unglaublich. Es ist eine der besten Passagen in der F1."

Auch Alex Wurz beschreibt Becketts als wahnsinnige Passage. "Der Eingang ist sehr wellig und man muss das Auto für die Rechtskurve richtig platzieren." Dafür könne man diese immer mit Vollgas nehmen. "Dann folgt ein sehr schneller Richtungswechsel für eine Linkskurve, aber man berührt immer noch nicht die Bremsen." Der Fahrer schaltet einen Gang herunter und bremst das Auto mit einem Vierraddrift ab. "Das macht Spaß."

Die Balance muss stimmen

In Silverstone wird mit mittlerem bis hohem Abtrieb gefahren, die Strecke erinnert die Ingenieure ein bisschen an den Circuit de Catalunya in Barcelona. "In Silverstone brauchst du schnelle Richtungswechsel, gute Traktion und eine hohe Endgeschwindigkeit", beschreibt Bob Bell, Technischer Direktor bei Renault. "Die Balance des Autos muss bei den hier gefahrenen hohen Geschwindigkeiten sehr stabil sein", sagt Heikki Kovalainen. Nur dann könne man in den flüssigen Kurven attackieren. "Bei den schnellen Richtungswechseln darf das Auto weder über- noch untersteuern."

Bei der Abstimmung müssen zwei Streckenmerkmale berücksichtigt werden. "In den Hochgeschwindigkeits-Kurven in der ersten Hälfte des Kurses brauchen wir eine gute aerodynamische Balance", so Martin Whitmarsh. "Im hinteren Teil der Strecke mit engeren langsameren Kurven brauchen wir guten mechanischen Grip." Für Fahrer und Ingenieure sei das eine große Herausforderung. "Wer in Silverstone eine schnelle Runde fahren will", so Willy Rampf, "braucht ein Auto mit sehr guter aerodynamischer Balance." Die Strecke werde durch die vielen mittelschnellen und schnellen Kurven geprägt, aus denen die Piloten möglichst viel Tempo mitnehmen müssten.

Wenig Arbeit für die Bremsen

Der Asphalt in Silverstone ist relativ eben, es gibt nur einige Bodenwellen im Laufe einer Runde, so zum Beispiel in Vale. Da der Streckenbelag aber auch sehr rau ist, werden die Reifen stark beansprucht. Bridgestone bringt deswegen die beiden härtesten Mischungen an die Strecke. "Silverstone hat mit die höchsten Geschwindigkeiten aller Strecken und ist somit wohl am härtesten zu den Reifen", verrät Ex-Michelin-Mann Pascal Vasselon. "Im Qualifying bauen die Reifen in dem langsameren Streckenteil gegen Ende der Runde ab", sagt Kovalainen. "Darauf muss man achten, denn auch dieser Part ist wichtig für die Rundenzeit. Das ist eine einmalige Herausforderung."

Silverstone zeichnen viele schnelle Kurven aus., Foto: Batchelor/Sutton
Silverstone zeichnen viele schnelle Kurven aus., Foto: Batchelor/Sutton

Ohne die Hilfe der Traktionskontrolle müssen die Fahrer in einigen Kurven darauf achten, einen guten Kurvenausgang zu erwischen. Das gilt besonders für Club, wo die Fahrer aus dem zweiten in den fünften Gang beschleunigen müssen. Die Bremsen werden dafür nur sehr wenig belastet. "Das liegt an der hohen Durchschnittsgeschwindigkeit, der guten Kühlung und den wenigen langsamen Kurven, wodurch die Bremsenergie gering ist", erklärt Vasselon. "Man muss sogar darauf achten, dass die Temperatur der Bremsen nicht zu weit absinkt", ergänzt Hamilton, "weil man sie im Verlauf einer Runde so selten braucht. Das gibt es auf keiner anderen Strecke."