1. - S wie Startaufstellung

"Es war ein irrsinnig spannendes und enges Qualifying." Damit hat Lewis Hamilton recht. In den Schlusssekunden des Qualifyingthrillers bescherte er seinen Fans das Happy End, welches sich die zigtausend britischen Fans an der Strecke gewünscht hatten. Er schenkte ihnen die erhoffte Heim-Pole. "Ich kann meine Enttäuschung nicht verbergen", war Kimi Räikkönen verärgert. Der Finne hatte sich selbst Hoffnungen auf die Pole gemacht - er wollte Hamilton das Heimspiel versalzen. Doch: "Ich machte einen kleinen Fehler in der letzten Kurve, kam aufs Gras und verlor Traktion - das hat mich zu viel Zeit gekostet." Statt auf der Pole landete er nur auf Startplatz 2.

Noch eine Reihe weiter hinten starten Fernando Alonso und Felipe Massa. Erst gar nicht in den Top10, noch nicht einmal bis in die zweite Qualifyingsession schaffte es der frühere Liebling der Massen, Jenson Button. "Was soll ich dazu sagen?", fragte der Achtzehnte. "Ich bin natürlich massiv enttäuscht." So schnell kann es gehen - von Hero to Zero in nicht einmal einem Jahr.

2. - S wie Start

Silverstone ist nicht gerade für Überholmanöver bekannt, im Gegenteil: Wer nicht vorne startet, am Start keine Positionen gutmacht und auch bei den Boxenstopps nicht nach vorne kommt, der hat kaum eine Chance sich zu verbessern. Entsprechend wichtig wird wieder einmal der Start - und die Seite, auf der man startet.

"Ich starte auf der sauberen Seite, das ist vielleicht etwas besser", sagt Robert Kubica, der von Position 5 als bester Verfolger der Topteams ins Rennen geht. "In Magny Cours stand ich auf der schmutzigen Seite und mein Start war nicht besonders gut. Vielleicht kann ich an einem Ferrari vorbeikommen, aber das wird schwierig." Kimi Räikkönen fürchtet sich dennoch. "Es ist sicherlich kein Vorteil, auf der schmutzigeren Seite zu starten." Weniger wegen Kubica auf 5, mehr wegen Alonso auf Startplatz 3, also auf der sauberen und damit besseren Seite.

Auch am Sonntag will Lewis auf der Zielgeraden jubeln., Foto: Sutton
Auch am Sonntag will Lewis auf der Zielgeraden jubeln., Foto: Sutton

Dort steht auch Heikki Kovalainen, dessen Renault Team vor einigen Jahren für seine Raketenstarts bekannt war. "Hoffentlich macht es einen kleinen Unterschied, dass ich auf der besseren Seite stehe", sagt er. "Ich war bei den letzten Rennen auf der schmutzigen Seite, vielleicht kann ich Ralf in der ersten Kurve überholen, aber er wird das sicher andersherum sehen." Absolut richtig erkannt. "Zuerst hoffe ich einmal, dass ich beim Start nichts verliere", sagt Ralf Schumacher. "Ich bin auf der schmutzigen Seite, was nicht perfekt ist. Von da an mache ich dann weiter."

3. - S wie Schlüsselstellen

Eigentlich heißt es, dass Silverstone seinen wahren Highspeed-Charakter durch einige Umbauten verloren hat. Doch tief drinnen schlummert er noch immer - der Speed. Kurven, vor denen die Piloten früher herunterschalten mussten, werden heute mit Vollgas oder leichtem Lupfen des Gaspedals gefahren. In der gesamten ersten Hälfte einer Runde - bis zur "Vale"-Kurve - bremsen die Fahrer so gut wie gar nicht. Die Motoren laufen im Gegenzug länger unter Volllast: Der Anteil der Strecke, der mit voll geöffneten Drosselklappen gefahren wird, ist von 2005 auf 2006 um 12 Prozent gestiegen.

Da die Reifen der 2007er-Generation weniger Grip bieten als die Vorjahres-Pneus, sinkt dieser Wert wieder etwas ab, doch nach wie vor ist Silverstone ein Power-Kurs, der jeder Baugruppe des Autos Höchstleistungen abfordert. Die Bandbreite verschiedener Kurventypen reicht von 260 km/h schnellen Mutkurven bis zu dem langsamen, gewundenen Streckenteil am Ende der Runde. Zudem müssen die Autos mit der unebenen Fahrbahn und dem wechselhaften, oft böigen Wind fertig werden. Kurz gesagt: Der Traditionskurs von Silverstone ist extrem anspruchsvoll - für Auto und Fahrer.

4. - S wie Setup

In Silverstone arbeiten die Teams mit mittlerem bis hohem Abtrieb - ähnlich wie vor Wochenfrist in Magny-Cours. Der recht hohe Downforce wird für die schnellen Kurven im ersten Streckenteil benötigt. Die damit verbundenen kleinen Nachteile in Sachen Höchstgeschwindigkeit kann man in Kauf nehmen - wegen der relativ kurzen Geraden und Bremszonen besteht kaum ein Risiko, von einem schnelleren Gegner überholt zu werden. Da die Autos an keinem Punkt der Strecke wirklich hart heruntergebremst werden, verwenden die Teams hier mit die kleinsten Lufteinlässe zur Bremskühlung. Dies kommt wiederum der aerodynamischen Performance zugute.

Ein ruhiges Fahrverhalten ist auf dem unebenen Kurs von entscheidender Bedeutung, da jede Unruhe im Auto die aerodynamische Effizienz in den schnellen Kurven verschlechtert. Besonders in der buckligen Bremszone vor Turn 8 werden die Autos oft instabil. Zudem lassen die Piloten ihre Autos ausgangs der schnellen Kurven gerne bis auf die äußeren Kerbs driften, was die Strecke noch welliger erscheinen lässt, als sie in Wirklichkeit ist. Etliche Piloten klagten am Freitag, dass die Strecke in dieser Saison sogar noch schlimmer sei als im Vorjahr.

Auch im Rennen wird die Strategie entscheiden., Foto: Sutton
Auch im Rennen wird die Strategie entscheiden., Foto: Sutton

In Silverstone erhalten die Boliden eine so genannte "nach vorn verlagerte" Fahrwerksabstimmung. Was die Ingenieure damit meinen, ist, dass die Front deutlich steifer abgestimmt wird als das Heck. Die steifere Vorderachse erlaubt schnelles Umsetzen des Autos und direkte Richtungswechsel, sowohl in langsamen Ecken als auch in schnellen Kurven. Die weicher abgestimmte Hinterachse sorgt für guten Grip beim Beschleunigen - besonders ausgangs der Kurven 9, 11 und 16 ist optimale Traktion gefragt.

Wegen der diesjährigen härteren Reifengeneration hat sich der Anteil an einer Runde, den die Fahrer voll auf dem Gas stehen, wieder verringert - von 71 Prozent in 2006 auf 68 Prozent 2007. Dennoch bleibt Silverstone einer der anspruchsvolleren Kurse für die Triebwerke, sowohl in puncto Spitzenleistung als auch Haltbarkeit. Damit die Piloten die schnellen Kurven gezielt mit Voll- oder Halbgas durchfahren können, müssen die V8-Motoren bei hohen Drehzahlen ein sensibles Ansprechverhalten zeigen und gut zu dosieren sein. Die Kühlung der Achtzylinder stellt kein Problem dar, wegen der häufigen Tests in Silverstone sind die Teams auf alle Eventualitäten vorbereitet.

5. - S wie Strategie

Es ist immer das gleiche Lied - am Samstagabend versprechen alle Fahrer: "Wir haben eine sehr gute Strategie für das Rennen." So zum Beispiel auch Felipe Massa, der von Startplatz 4 alles mit einer starken Strategie aufrollen möchte. Besonders viel Spielraum gibt es in Silverstone nicht. Im Gegensatz zu Magny Cours reicht die Bandbreite der Boxenstrategien nicht von einem bis vier.

Eine wichtige Rolle spielt der Spritverbrauch, der in Silverstone sehr hoch ist; zugleich können ein paar mehr Kilo Sprit hier schnell zwei bis drei Zehntel ausmachen. Auch deshalb bleibt relativ wenig Spielraum für abweichende Strategien. Sprit für zwei Runden mehr beispielsweise würde fast zwei Zehntelsekunden pro Runde kosten. Wir dürfen deshalb davon ausgehen, dass die meisten Teams die 2007er-Standardlösung mit zwei Stopps wählen, von denen der erste noch vor Ablauf des ersten Renndrittels liegt. Der Grund für diese "nach vorn verlagerte" Strategie ist der Wunsch, die Piloten im Qualifying mit einem relativ leichten Auto in der Startaufstellung weiter nach vorn zu bringen. Da das Überholen auf dem Traditionskurs praktisch unmöglich ist, kommt dem Startplatz entscheidende Bedeutung zu.

Fernando Alonso ist vermutlich mit einem schweren Auto unterwegs, was aber nicht bedeutet, dass er nur einmal stoppt. Stattdessen dürfte er einfach ein paar Runden später an die Box kommen als sein Teamkollege Lewis Hamilton. "Wartet und seht, was morgen passiert", wollte Ron Dennis nicht zu viel verraten. Alonso sagte jedoch recht eindeutig: "Für das Rennen sieht es gut aus, recht gut sogar und hoffentlich kann ich gleich am Start einige Plätze gutmachen und dann auch bei den Boxenstopps", gab er einen Wink mit mehreren Gartenzäunen auf seine Benzinmenge; außer er und sein Boss flunkerten...

6. - S wie Sonntagswetter

Für die Fans kann es nur einen geben.., Foto: Sutton
Für die Fans kann es nur einen geben.., Foto: Sutton

Typisch britisches Wetter. Das haben wir bislang noch nicht ganz erlebt, denn die Regenreifen blieben an diesem Wochenende in der Garage. Stattdessen pfuschte vor allem der Wind den Teams ins Handwerk. Als ehemaliger Flugplatz ist das ebene Grand Prix-Gelände von Silverstone naturgemäß stark dem Wind ausgesetzt - und der hat eine Reihe von Auswirkungen auf die Autos. Plötzliche Böen verändern die aerodynamische Balance des Autos und verursachen ein unvorhersehbares Handling, vor allem in den Highspeed-Kurven. Die Fahrer müssen ständig Windrichtung und -stärke beurteilen und ihre Linienwahl und Bremspunkte daran anpassen. Am Freitag kamen deshalb etliche Piloten von der Bahn ab. Und eins darf man auf der Insel natürlich nie außer Acht lassen: "Das britische Wetter ist unberechenbar", sagt Anthony Davidson, der es als Einheimischer ja genau wissen sollte...

7. - S wie Spannung

Der Großbritannien GP verspricht einiges an Spannung. Das Feld liegt immer noch nah zusammen, Spyker scheint an Super Aguri dran zu sein, das Mittelfeld ist eng gedrängt, Toyota mischt weiter vorne mit als bisher und Renault attackiert erneut BMW Sauber. "Das Auto war auf den Long Runs gestern sehr gut. Deswegen glaube ich, dass wir einen harten Kampf mit BMW haben werden und ihnen am Ende ein paar Punkte wegnehmen können", kündigt Giancarlo Fisichella an. Mario Theissen sieht das locker, schon vor Magny Cours spuckten die Franzosen große Töne, noch ist aber BMW Sauber die Nummer 3 - Kubica startet als bester Verfolger des Spitzenquartetts.

Ganz vorne macht sich Ferrari auch nach der Qualifyingniederlage Hoffnungen auf den zweiten Sieg in Serie. Für Teamchef Jean Todt ist das Rennen besonders wichtig für den Verlauf der WM, umso besser möchte man abschneiden. "Wir haben ein sehr schnelles Auto, besonders auf Long Runs und das bedeutet, dass wir zuversichtlich ins Rennen gehen können", sagt Luca Baldisserri. "Es ist noch nichts verloren", fügt Felipe Massa hinzu. Und Kimi Räikkönen betont: "Noch ist es nicht vorbei."

Aber sie kämpfen nicht nur gegen Lewis Hamilton, Fernando Alonso und das McLaren Team. Sie kämpfen gegen ein ganzes Land, das dem jungen Briten die Daumen drückt und Fanfaren betätigt. "Ich war wirklich froh, als ich über die Ziellinie kam und die Reaktion der Fans sah", so der Pole-Setter. "Es ist großartig, daheim zu sein und ich bekomme dadurch noch mehr Schwung." Der Druck blättert bislang von ihm ab - bleibt das auch in seinem 9. F1-Rennen so?