Clay Regazzoni war ein Kämpfer. Selbst sein schwerer Unfall in Long Beach, die Querschnittslähmung die damit einherging, hielten ihn nicht davon ab, wieder Rennen zu bestreiten - sogar an der legendären Rallye Dakar teilzunehmen. Nur die moderne Formel 1 blieb Regazzoni ein Rätsel bis zu seinem frühen Tod bei einem Autounfall im letzten Dezember.

In seinem letzten Interview vor dem tödlichen Unfall erinnerte er sich mit Walter De Gregorio an die gute alte Zeit zurück. "Das ganze Fahren war anders, archaischer", sagte er in dem Gespräch, das auszugsweise auch im Clubmagazin des Formel 1 Clubs Austria veröffentlicht wurde. "Wenn du zu lange auf den Bremsen standest, flogen dir die Bremsklötze um die Ohren. Wenn du die Kupplung zu spät los gelassen hast, konntest du mit dem Fahrrad zurück an die Boxen." Auch am Tag nach dem Rennen hätten die Fahrer damals noch nach Benzin gerochen. "Heute drücken die Jungs immer voll aufs Gaspedal und steuern alles elektronisch."

Früher saßen eben noch "Kerle mit Eiern", in den Cockpits. "Klingt sehr verklärt, aber so ist es. In Monte Carlo kann ein Fisichella spazieren gehen, ein Trulli, niemand kennt sie. Ein Pneu hinterlässt mehr Spuren." Der größte Unterschied war für Regazzoni aber ein anderer: "Früher waren die Rennen gefährlich. In zehn Jahren habe ich 17 Kollegen beerdigt. Es gab keine Saison ohne tödliche Zwischenfälle."

Clay Regazzoni nahm kein Blatt vor den Mund., Foto: Phipps/Sutton
Clay Regazzoni nahm kein Blatt vor den Mund., Foto: Phipps/Sutton

Alles war früher also nicht besser. "Damals in den siebziger Jahren, als Luca di Montezemolo Rennleiter bei Ferrari war, haben wir unsere Titel einfach so verschenkt. Montezemolo hat alles falsch gemacht, was man falsch machen kann", kritisierte Regazzoni. "Als Niki Lauda, mein Partner bei Ferrari, beim entscheidenden Rennen 1976 frühzeitig ausschied, war das ganze Team inklusive Montezemolo schon fast wieder am Flughafen, während ich wie ein Idiot noch meine Runden drehte. Ich war Zweiter hinter Mario Andretti. Hätte ich beim letzten Boxenstopp die Pneus selber gewechselt, es wäre schneller gegangen, und Niki wäre Weltmeister geworden." Denn ein zweiter Platz hätte ihm den Titel gesichert. "Nach dem Boxenstopp war ich nur noch Fünfter. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie dilettantisch die F1 früher war."

Gerade bei Ferrari hielten diese dilettantischen Einlagen noch bis in die Neuzeit an. Bis eine Gruppe von Neulingen rund um Jean Todt, Ross Brawn, Rory Byrne und nicht zuletzt Michael Schumacher für Ordnung und jede Menge Erfolge sorgte. Begeisterungsstürme lösten die Gedanken an den siebenfachen Weltmeister bei Regazzoni aber nicht aus. Er sah in ihm kein Phänomen. "Der Commendatore Enzo Ferrari pflegte all jene Sportjournalisten und vermeintlichen Experten zu fragen, die in jedem Sieger ein neues Talent entdeckt zu haben glaubten, er fragte die Deppen jeweils: Wer ist Zweiter geworden?" Das sei nicht die entscheidende Frage. "Ohne Konkurrenz ist auch ein Hanswurst ein Phänomen."

Ist Michael Schumacher also ein Hanswurst? Regazzoni beantwortete diese Frage mit einer Gegenfrage: "Welche Konkurrenz hatte er?" Mika Häkkinen erachtete auch Regazzoni als gut. "Aber wer kam denn nach Senns Unfall? Den Pablo Montoya haben sie uns als Riesentalent der F1 verkauft. Fünf Jahre haben wir gebraucht, um zu merken, dass er ein Taxifahrer aus Kolumbien ist." In seinem letzten Jahr war Schumacher die Konkurrenz für Fernando Alonso, dem Ferrari beim Saisonfinale in Brasilien nur auf eine Art den Titel hätte nehmen können, da war sich Regazzoni sicher. "Nur wenn man von der Ferrari-Box auf ihn geschossen hätte, wäre er nicht als neuer Champ auf das Podest gestiegen."

Nach all dieser Kritik drängte sich die Frage auf: Wieso mochte er Michael Schumacher nicht? "Weil er mir unsympathisch ist", war die ebenso kurze wie deutliche Antwort. "Er respektiert seine Gegner nicht, er hat keine Klasse." Regazzoni hätte seinem Ex-Team empfohlen Schumacher schon nach seinem zweiten Titelgewinn mit den Italienern auszutauschen und einen neuen Zyklus zu beginnen. "Aber so sind sie halt: Vielfraße. Sie bekommen nie genug, wollen immer mehr."