Kurz fassen können sich andere. Max Mosley schreibt gerne lange und ausführliche Briefe, kein Wunder, dass auch seine Rede beim Motor Sport Business Forum in Monaco alles andere als eine Kurzfassung war. Am Ende sagte er sogar selbst: "Das hätte jetzt auch etwas kürzer sein können." Die Themen, die Mosley darbot, waren seine bekannten Steckenpferde: der Einsatz von Kundenchassis, die Motoren-Einfrierung, die Energierückgewinnung und das leidige Überholproblem.

Eine Frage des Chassis

Die moderne Formel 1 basiert auf dem 1981 aus der Taufe gehobenen Concorde Agreement, dessen letzte Fassung 1998 unterschrieben wurde und noch bis Ende 2007 gültig ist. Zuvor verhandelten die Teams direkt mit den GP-Vermarktern, was laut Mosley schon einmal chaotisch werden konnte und nie wieder eintreten soll - schon gar nicht, so lange Bernie Ecclestone die Zügel in der Hand hält oder besser gesagt: seine Hand für einen großen Prozentsatz aufhält.

Für ein neues Concorde Agreement gibt es momentan noch keinen Entwurf. "Aber ich bin mir sicher, dass wir eine Einigung finden werden, zu glauben, dass dies schnell geschehen wird, wäre aber etwas naiv", betonte Mosley. Einer der großen Streitpunkte ist der Kauf und Verkauf von Chassis. Zuletzt wurde dieses Thema durch den Einsatz eines Honda RA106 durch das Super Aguri Team angeheizt. "In den 70ern konnte jeder mit jedem Auto fahren", erinnerte Max an die 'gute alte Zeit'. "Als ich mit einigen anderen das March Team gründete, verkauften wir in der Saison 1970 sechs oder sieben F1-Autos an andere Teams." Sogar Frank Williams hat einige Zeit einen March eingesetzt. "Dann wurde klar, dass es besser ist, wenn jeder sein eigenes Auto baut, deshalb steht im Concorde Agreement, dass man ein Konstrukteur sein muss, um an der WM teilzunehmen."

"Aber wollen wir damit weitermachen?", fragte Mosley in die Runde, um sogleich die beiden Antwortmöglichkeiten zu nennen: "Das Argument dafür ist, dass dies eine Tradition ist, die Ingenieure dazu ermutigt, neue Sachen zu erfinden. Dagegen sprechen die hohen Kosten, die es den unabhängigen Teams schwer machen, zu überleben und damit die Anzahl der Teams begrenzen."

Mosley kämpft weiter für die unabhängigen Teams., Foto: Sutton
Mosley kämpft weiter für die unabhängigen Teams., Foto: Sutton

Bislang habe man das große Teamsterben dadurch verhindern können, dass immer gerade noch rechtzeitig jemand mit viel Geld daher kam und das jeweilige Team gerettet habe. So war es bei Minardi mit Paul Stoddart und später Dietrich Mateschitz, so war es bei Jaguar und so war es mehrmals bei Jordan und Midland. "Aber man darf nicht davon ausgehen, dass das immer der Fall sein wird", warnte Mosley. Aber es gibt noch ein Argument für den Verkauf von Kundenchassis: "Wenn Teams Autos anderer Teams kaufen dürfen, wird der technische Stand aller Teams zweifelsohne besser", so Mosley. "Der Abstand zwischen den Autos wird geringer." Dafür könnte fast jeder große Hersteller mit einem so genannten "B-Team" am Start sein, was wiederum eine "große Gefahr" darstelle, die derzeit stark diskutiert wird. "Meine Ansicht ist, dass es nicht genügend Geld in der F1 gibt, damit 12 verschiedene Teams 12 verschiedene Entwicklungsprogramme betreiben können. Es wäre besser, wenn Autos gekauft und verkauft werden dürften. Das ist eine grundlegende Frage."

Eine Frage der Energiegewinnung

Genauso jene nach den zukünftigen Regeln. "Es wurde immer gesagt, dass ich die F1 der Technologie berauben wolle - das ist Nonsens", sagte Mosley, bevor er zum nächsten heißen Thema kam: den Motoren. "Wir kamen an einen Punkt, wo wir etwas unternehmen mussten", holte er weit aus, um die einschneidenden Regeländerungen bei den Triebwerken zu begründen. "2004 ist das beste Beispiel dafür. Damals hatten wir ein Meeting in Monaco, um über die Motoren zu sprechen. Alle waren sich einig, dass die Kosten zu hoch waren. Einer der Motorsportchefs sagte, dass die Hersteller mehr als eine Milliarde Euro im Jahr für die Motorenentwicklung ausgeben."

Deshalb entschloss man sich dazu, die Kosten zu reduzieren und das Motorenreglement von gerade einmal einem Paragraphen auf mehrere Seiten auszudehnen. Doch Mosley beschlich das Gefühl, dass dies nicht weit genug ging. Sein Lösungsvorschlag waren 2,4 Liter V8-Motoren, denen zunächst alle sieben Hersteller zugestimmt haben sollen. "Dann passierte aber etwas Interessantes", sagte Mosley. "Trotz dieser Restriktionen gaben die Teams und Hersteller genauso viel Geld aus." So schafften sie es, dass die Motoren immer schneller wurden. Bald wurden 20.000 Umdrehungen erreicht, was viel Geld kostete, "aber keinem Straßenauto etwas brachte", klagte Mosley. Selbst im Rennen wären solche Werte nur selten gefahren worden.

Dabei kann Mosley die Hersteller durchaus verstehen. "Sie wollen das Geld nicht ausgeben, aber sie fühlen sich dazu genötigt, es auszugeben, um konkurrenzfähig zu bleiben." Wenn ein Motorenchef dem Vorstand sagt, dass er nur dann einen Vorteil gegenüber den anderen Herstellern haben wird, wenn er 200 Millionen im Jahr ausgibt, blieben ihm nur zwei Möglichkeiten: "Er bleibt in der F1 und gibt das Geld aus oder er steigt aus. Jeder weiß, dass es falsch ist, aber trotzdem machen es alle." Deshalb habe man sich bei der FIA dazu entschlossen, die Motoren einzufrieren. "Jetzt kann niemand mehr so viel Geld ausgeben. Wir verhindern die Kosten, indem wir die Motoren einfrieren - sie bleiben wie sie sind." Selbst auf die Gefahr hin, dass die Hersteller jetzt sagen, dass die Entwicklung der Motoren zur DNA ihrer Arbeit, der Formel 1, ja des gesamten Racings gehören würde.

Keine Widerrede., Foto: Sutton
Keine Widerrede., Foto: Sutton

Mosley entgegnete dem mit einem neuen Vorschlag: Statt das viele Geld für ein paar mehr PS oder Umdrehungen auszugeben, wollte er etwas anderes, "sinnvolles" machen. Die Rede ist natürlich von der Energierückgewinnung durch die Bremsen, die Kühlung und das Auspuffsystem. Das wäre auch ein großer Gewinn für die Straßenautos. "Zudem ist Wettbewerb ein fantastischer Anreiz", sagte Mosley über seinen angestrebten Weg zum heiligen Energierückgewinnungs-Gral. Bei den Reifen sah das Michelin genauso, nur Mosley war anderer Meinung. Ab 2007 gibt es keinen Reifen-Wettbewerb mehr. Auch bei den Motoren sahen es die Hersteller genauso, nur Mosley war anderer Meinung. Ab 2007 gibt es eingefrorene Motoren und kaum noch Wettbewerb. Nun könnte zumindest ein Wettbewerbsfeld, im wahrsten Sinne des Wortes, zurück gewonnen werden: Der Wettkampf um die beste Energierückgewinnung.

Den aktuellen Stand beschreibt Mosley so: Bis 2009 soll die Energierückgewinnung durch Bremsenergie umgesetzt werden, ab 2010 sollen auch das Kühl- und Auspuffsystem zusätzliche Power liefern. BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen zeigte sich bezüglich des zweiten Punktes zuletzt weniger optimistisch. Während es für die Bremsenergie bereits eine Arbeitsgruppe gibt, ist der Rest gerade einmal in der Konzeptphase. Die große Frage ist jedoch eine andere, die Mosley auch selbst stellte: "Wie machen wir all das, ohne die F1 zu verändern?"

Eine Frage des Nutzens

Die Befürchtungen der Fans beschwichtigt er so: Egal ob den Autos 300 PS fehlen oder nicht, sie würden den Unterschied auf den Tribünen nicht bemerken. Und die Hersteller könnten ein solches PS-Defizit sogar wettmachen: "Angenommen es würden 300 PS im Vergleich zu heute fehlen, dann würden diese 300 PS in den Händen der Teams liegen", begann Mosley. Wenn diese sie aus der Bremsenergie und der Energie aus dem Kühlsystem und dem Auspuff zurückbekommen könnten, hätten sie wieder die Ursprungsleistung. "Wenn sie also einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten haben wollen, wofür sie ja derzeit das ganze Geld ausgeben, dann bekommen sie es entweder von den Bremsen oder der Kühlung oder dem Auspuffsystem."

Auf diese Weise könnte die F1 eine große Rolle bei der Entwicklung dieser Technologien spielen; auch für den Alltagsgebrauch. "Die Hersteller könnten gegeneinander konkurrieren, aber gleichzeitig wichtige Entwicklungsarbeit für die Zukunft leisten", sagte Mosley. Natürlich weiß er, dass es ein kleiner Widerspruch ist, die Hersteller derzeit für ihre Ausgaben zu verurteilen, und dann zu sagen: Gebt für diese Technologien viel aus, wie ihr wollt. "Das ist wahr. Aber sie arbeiten sowieso daran, egal ob in der F1 oder nicht."

Mosley hat einiges vor., Foto: Sutton
Mosley hat einiges vor., Foto: Sutton

Jetzt fehlt nur noch die Frage nach den unabhängigen Teams, die Mosley ja schützen möchte; und das am besten besser als die unabhängigen Motorenhersteller. Denn mit Cosworth verschwand am Ende dieser Saison der letzte von ihnen aus der Formel 1. "Wie kann ein kleines unabhängiges Team gegen die Hersteller mithalten? Jeder darf in den drei genannten Bereichen alle Technologien einsetzen, aber sobald man sie hat, muss man bereit sein, sie zu einem vernünftigen Preis an alle anderen Teams zu verkaufen. Die unabhängigen Teams können dann auswählen, welches System ihnen am besten liegt." Sogar Hersteller könnten sich dann Systeme von anderen Herstellern kaufen. "Das klingt zunächst unhaltbar. Aber die großen Hersteller machen das bereits. Sie kaufen und verkaufen Teile, viele Hersteller haben Hybridtechnologie von Honda und Toyota gekauft, um auf diesem Gebiet aufzuholen. Warum sollte das also nicht auch in der F1 passieren?"

Eine Frage des Speed

Bis Ende 2010 bleiben die Motoren auf dem aktuellen Stand, ergänzt um die Energierückgewinnung. Aber was folgt danach ab 2011? "Der Plan sieht einen komplett neuen Motor vor", so Mosley. "Wir wollen früh festlegen, wie die Motorformel aussehen soll." Dazu gehören sollen Turbos und Direkteinspritzung, allerdings soll der aktuelle Speed eines F1-Motors nicht verloren gehen. "Ein V8 mit ein paar hundert Umdrehungen wäre keine F1 mehr", weiß auch Mosley. In den nächsten 12 Monaten soll die Leistung der Motoren abgeschätzt und festgelegt werden.

Damit fehlt den Fans eigentlich nur noch ein Punkt zum perfekten Rennglück: "Wenn wir noch mehr Überholmanöver erzielen können, bekommen wir spannendes Racing", kam Mosley zu seinem letzten Punkt. "Auf vielen Strecken ist es sehr schwierig zu überholen, es ist zu riskant, also versuchen es die Fahrer nicht." Ganz anders wenn im Qualifying etwas passiert und ein schneller Fahrer hinten starten muss. "Dann kommt er ganz leicht vorbei und nach vorne."

Es gibt aber auch andere Beispiele, jene seltenen Momente, in denen die Prozessionen sogar spannend waren. "Schumacher und Alonso fuhren in Imola zwei Jahre hintereinander her - die Rennen waren wahnsinnig spannend", erinnerte Mosley. "Das wäre nicht passiert, wenn das schnellere Auto einfach vorbei und auf und davon gefahren wäre. Es ist also nicht so einfach, man muss viel überdenken, bevor man eingreift und die Regeln verändert." Eins steht für Mosley fest: "Das hintere Auto muss schneller sein, obwohl es dahinter ist." Nur dann könne es spannendes Racing geben. "In den 60ern hatten die Autos Windschatten. Dadurch konnte der Hintermann das Auto vor ihm auf der Geraden überholen", erinnerte er auch an die legendären Windschattenschlachten auf den alten Kursen in Monza und Hockenheim. "Der Schlüssel dazu war, dass das hintere Auto schneller war."