"Mario Andretti wurde zu Mario Andretti, weil er die Indy 500 gewonnen hat - und sicher nicht, weil er Formel 1-Weltmeister war." Jener Satz, den mir Eddie Cheever im letzten Winter ins Mikrofon diktierte, beinhaltet die andere Seite der Wahrheit. Er muss es wissen. Der Italo-Amerikaner fuhr jahrelang Formel 1 und wurde selbst Indy 500-Sieger. Da war er bereits im Herbst seiner Karriere. Und der Bruch zwischen ChampCar und IRL brandaktuell. Trotzdem ist Eddie Cheever erst an diesem Tag zum "household name" geworden.

Amerika braucht die Formel 1 nicht. Das ist die Wahrheit.

Für europäische Race-Fans mag das verwunderlich klingen. Aber die viel zitierte "Königsklasse" hat in den USA den Stellenwert von Landhockey bei uns. Dort nennt man das Indy-Oval typisch amerikanisch bescheiden "world capital of motorsports". Was soll also das ganze Getue mit diesen entrückten europäischen Typen, die so komische Sprachen sprechen und dann doch tatsächlich in Indy noch verkehrt herum fahren? Wenn sie denn fahren...

Wer ist Weltmeister?

Ich habe mich vor einigen Jahren im Zentrum von Indianapolis vor das größte Einkaufszentrum gestellt - es ist übrigens zugleich das Wahrzeichen, denn außer Shopping kann man in Indy kaum etwas unternehmen - und habe eine Umfrage unter den Bewohnern gemacht: Alte, Junge, Männer, Frauen, Taxifahrer, Schuhverkäufer, Polizist oder Computertechniker; kein einziger war in der Lage, mehr als drei Formel 1-Fahrer aufzuzählen. Den Weltmeister konnte nicht ein einziger nennen.

Kaum jemand kannte den Namen Schumacher (geschweige denn, dass es da zwei von der Sorte gibt). Lediglich bei zwei Namen erhellte sich die Miene meiner Interviewten: Montoya und Villeneuve - warum wohl? Das ganze an einem Rennwochenende - noch Fragen über den Stellenwert der Formel 1 in den USA?

Im Gegensatz zu vielen Beobachtern hat es mich an diesem Wochenende überhaupt nicht überrascht, dass tatsächlich Zuseher gekommen sind. Trotz des Fiaskos von 2005.

Steak & Bier

Der amerikanische Race-Fan will in erster Linie ein stimmungsvolles Rennwochenende mit seinen Freunden verbringen. Was da fährt, ist zweitrangig. Der Europäer fährt nach Silverstone oder Hockenheim, um Schumi oder Alonso zu sehen. Er ist gut informiert und erzählt auch seinen Enkelkindern noch davon, dass Lauda damals mit dem Saugmotor eigentlich gegen die Turbos nicht hätte gewinnen dürfen.

Der Amerikaner fährt nach Indy oder Daytona, um eine gute Zeit zu haben. Das Rahmenprogramm muss passen: Genügend Steaks am Grill und Bier im Camper. Wenn´s dann noch laut ist und kracht - "man, what a great time we had!"

Die Formel 1 hingegen braucht die USA bitter. Auch wenn Bernie in seiner Hauspostille, der Londoner Times verlauten ließ, in Malta hätte jeder Grand Prix mehr TV-Zuseher. Die USA sind der wichtigste Absatzmarkt für Ferrari, für Daimler Chrysler und einige andere. Und jetzt, da die Gallone Sprit an der Tankstelle schon fast die Hälfte des europäischen Niveaus erreicht hat - ein "alltime high" - denken auch immer mehr US-Amerikaner kostenorientiert: "Besser so eine sparsame europäische Kiste als ich muss zu Fuß gehen..."

Die Märkte in Europa sind mehr oder weniger gesättigt. Also muss der Blick dorthin schweifen, wo noch Potenzial zum Wachstum da ist. Und das ist zweifelsohne nicht nur am Persischen Golf oder Südostasien der Fall. Und deswegen verwette ich hiermit offiziell eine Flasche feinsten Rotweins aus dem Weinkeller von Mario Andretti im Napa Valley. Die Formel 1 wird auch in den kommenden Jahren in den USA fahren, egal ob in Indy, Las Vegas in Alaska oder sonst wo. Denn die Formel 1 braucht Amerika!