Als ich am Samstagabend aus Monaco abreiste, um am Sonntag das Indy500 zu kommentieren, befand sich das Fahrerlager noch in hellerem Aufruhr, als dies sonst im Fürstentum der Fall ist. Der Fall Schumacher beschäftigte einfach alle und jeder hatte etwas dazuzusagen - egal ob es berechtigt war oder nicht. Erst tief in der Nacht kam es zum abermals heiß diskutierten FIA-Urteil.

Michael möchte Rennen gewinnen und Weltmeister werden - das macht sein Vorgehen nicht besser, aber man sollte trotzdem bedenken, dass in der Formel 1 alle keine Kinder von Traurigkeit sind. Somit hätten sich manche der Schumacher-Kritiker besser nicht so weit mit ihren deftigen Kommentaren aus dem Fenster lehnen sollen - denn in Monaco kann der Sturz aus einem der Hochhäuser sehr tief ausfallen...

Eines ist aber klar: Die Bestrafung war richtig, und zwar in doppeltem Sinne; schließlich schreibt das Reglement genau diese Strafe vor. Im Gegensatz zu den vielen Grauzonen des F1-Regelwerks, steht diese Strafe wortwörtlich in den Sporting Regulations. Demnach sollten alle, die jetzt eine noch härtere Strafe für Michael fordern, einmal ihr Regelwissen auffrischen.

Der Vorfall an sich sah einfach absolut absichtlich aus und ich stimme deshalb der Meinung der Mehrheit zu: Es war Absicht. Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte Michael sich hinterher auch garantiert sehr viel mehr und empörter beschwert. Allerdings glaube ich nicht, dass die Aktion geplant gewesen ist. Aus meiner Sicht hatte er beim Anbremsen ein komisches Gefühl und hat dann panisch reagiert. Ansonsten wäre Ferrari clever genug gewesen, es so aussehen zu lassen, dass man ihnen keinen Verstoß nachweisen hätte können.

Keine Chance gegen den Daten-Nachweis

Denn heutzutage kann man durch die Telemetrie-Daten relativ einfach sehen, was genau passiert ist. Generell kann man absolut alles nachweisen: Man sieht wann gebremst wird, wann Gas gegeben wird, wann das Auto unter- oder übersteuert, ob es gut oder schlecht liegt, ob das Auto herumrutscht, ob der Fahrer gegenlenkt, wie hoch die Drehzahl ist, welche Geschwindigkeit das Auto drauf hat - es gibt fast nichts, was man nicht aus den Daten ablesen kann.

Eines kann man jedoch nicht: Man kann nicht zu 100% bestimmen, warum ein Fahrer später gebremst oder ein Rad blockiert hat. Es könnte daran gelegen haben, dass er zu fest gebremst hat oder daran, dass die Reifen nicht mehr gut genug waren oder daran, dass die Strecke abgebaut hat. Ein bisschen Interpretations-Spielraum ist also immer vorhanden.

Wie geht man also vor, wenn man herausfinden möchte, warum ein Fahrer nicht einlenkt, obwohl er kein Untersteuern hat, oder warum ein Fahrer in einer Kurve überbremst? Ein Grund dafür könnte sein, dass er einfach zwei Meter später gebremst hat als eine Runde zuvor. Um diese Theorie zu überprüfen, legt man die Daten von zwei oder mehr Runden in Form von Graphen in der Analyse-Software übereinander. Auf diese Weise kann man die Runden perfekt miteinander vergleichen und Unterschiede feststellen.

So erkennt man auch, wenn ein Fahrer in der Rascasse bei 16 km/h die Kontrolle über das Auto verliert. Diese Geschwindigkeit soll Schumacher laut Aussage des spanischen FIA-Stewards in jenem neuralgischen Moment draufgehabt haben.

In diesem Fall konnte man jedoch schon mit dem bloßen Auge aus der Cockpit-Perspektive erkennen, dass er erst nach rechts lenkt, dann das Lenkrad wieder gerade stellt und danach wieder nach rechts einlenkt - und zwar wie beim Einparken im Zeitlupentempo. Als siebenfacher Weltmeister sollte man sein Auto bei 16 km/h aber schon noch im Griff haben...

Ich wünsche Michael, dass jetzt relativ schnell Ruhe einkehrt. Er hat einen Fehler gemacht, wurde dafür bestraft und war nicht der erste Fahrer, der einen solchen oder ähnlichen Fehler begangen hat. Als siebenfacher Champion hat er der F1 so viel gegeben, dass nach ein, zwei Rennen wieder alles zur Normalität zurückkehren und sich auf das Sportliche konzentrieren sollte. Denn die Konkurrenten, die sich über den Zwischenfall teilweise unter der Gürtellinie beschwerten, macht ihr Geschreie auch nicht schneller.