Das turbulente zweite Training in Japan beeinträchtigt eine Analyse der Ausgangslage vor dem restlichen Formel-1-Wochenende. Gleich vier rote Flaggen verhindern in der normalerweise aussagekräftigsten Trainings-Session des Tages Longruns und erschweren bedeutsame Rundenzeiten. Vor allem die 23-minütige Unterbrechung nach einem schweren Unfall von Jack Doohan bringt das Geschehen lange zum Erliegen.
Die Schlussfolgerungen aus der Freitags-Analyse sind deshalb noch viel mehr mit Vorsicht zu genießen als ohnehin schon an einem normalen Wochenende. Wir haben uns dennoch auf die Suche nach Daten gemacht, die einen flüchtigen Blick auf die Ausgangslage am restlichen Wochenende zulassen. Wo stehen die F1-Topteams nach dem Freitag? Die Übersicht über McLaren, Ferrari, Red Bull und Mercedes bringt vor allem einen Topfavoriten zum Vorschein.
Zweimal Bestzeit: McLaren wieder eine Klasse für sich?
McLaren:
Bedeutende Longruns, die diesen Namen verdienen, gab es praktisch nur am Ende von FP1. In diesen setzten die meisten Fahrer auf die Medium-Reifen, darunter auch die beiden McLaren-Fahrer. Vor allem Oscar Piastri konnte auf alten Pneus lange konstant niedrige Zeiten fahren, auch wenn im Schnitt Mercedes-Pilot George Russell schneller war. Mehr zu den Silberpfeilen aber später.
Es lässt sich aus den Formel-1-Trainingsdaten schlussfolgern, dass McLaren wohl auch in Japan die Pace vorgibt. Nicht nur anhand der Longruns. Auf der schnellsten Runde schlug das Pendel erst recht in Richtung des britischen Traditionsteams aus. Vor allem ins Auge sticht dabei sowohl beim Vergleich mit den Ferraris als auch mit Mercedes die Spoon-Kurve. In der berühmten Linkskurve nahm Piastri Russell eine Viertelsekunde ab, auch die Ferraris verloren zwei bis drei Zehntel. An dieser Stelle machte der Australier aber auch den Unterschied zu Norris aus.
McLarens Favoritenrolle ist allerdings mit derselben Einschränkung behaftet wie im bisherigen Saisonverlauf, nämlich, dass der MCL39 schwierig zu fahren ist. Vor allem in der letzten Schikane vor Start-Ziel hatte Lando Norris in FP1 mehrmals Probleme mit dem Handling seines Boliden, was er vorwiegend auf den Wind zurückführte. Doch auch Oscar Piastri suchte lange nach dem Vertrauen in sein Auto.
"Im ersten Training war es schwierig, die Pace aus dem Auto herauszuholen, in FP2 fühlte ich mich viel komfortabler", resümierte der Schnellste des zweiten Trainings. Er kündigte an, dass noch Anpassungen nötig seien. Piastri mahnte vor allem vor einem Konkurrenten: "Unsere Pace ist da. Aber die Mercedes haben auch sehr schnell ausgesehen."
Auf McLaren-Niveau? Mercedes warnt vor dem Wind
Mercedes:
Die Silberpfeile reichen die Favoritenrolle aber gerne auch an Team Woking zurück. "Wenn McLaren eine Runde zusammenbekommt, sind sie einen Schritt vorne", analysierte George Russell. Gleichzeitig zeigt sich Mercedes aber mit seiner bisherigen Performance zufrieden. "Von unserer Seite aus hatten wir einen positiven Tag. Ich bin zuversichtlich, dass wir um die ersten beiden Reihen kämpfen können", so Russell weiter. Andrea Kimi Antonelli zog nach seinen allerersten Runden in Suzuka ebenfalls ein positives Fazit.
Im Rundenschnitt der FP1-Longruns war Russell sogar der schnellste Fahrer auf den Medium-Reifen, fiel aber deutlich schneller ab als die Konkurrenz von McLaren. Der WM-Dritte gaste auf seinem Run wohl etwas zu schnell an, weshalb seine Zeiten gegen Ende des Runs kontinuierlich einbrachen. Sein Teamkollege Andrea Kimi Antonelli zeigte mit einer konservativeren Pace auf einer vergleichbaren Stintlänge konstantere Zeiten. Sowohl auf den Longruns als auch auf eine Runde trennt ihn die reine Pace aber noch deutlich von Russell.
Mercedes-Chefingenieur Andrew Shovlin warnt, dass man dem positiven Start in das Formel-1-Wochenende nicht zu viel Bedeutung beimessen solle und macht vor allem auf einen Umschwung aufmerksam: "Der Wind wird morgen um 180 Grad drehen, was sich stark auf die Balance auswirkt, aber wir können das über Nacht im Simulator beurteilen und prüfen, ob Änderungen erforderlich sind, um die Balance wiederherzustellen."
Ferrari experimentiert mit Setup: McLaren auf einem anderen Planeten
Ferrari
Für die Scuderia war der Freitag ein Tag der Setup-Experimente. Charles Leclerc glaubt deshalb, dass der Rückstand von jeweils über vier Zehntelsekunden in FP1 und FP2 nicht repräsentativ für Ferrari sei. "Unsere Performance ist besser, als sie im Moment auf dem Papier aussieht", ist er überzeugt. Lewis Hamilton fand erst im Laufe des Tages besser in die Spur. "Die Balance in FP1 war nicht so gut, wie sie hätte sein können, aber wir haben zwischen den Sessions starke Fortschritte gemacht", so sein Fazit.
Für Ferrari geht es vor dem dritten Formel-1-Lauf der Saison wohl vorwiegend darum, eine Abstimmung zu finden, die den Spagat zwischen einer Runde und dem Longrun hinbekommt. Bisher machten die Fahrer vor allem das Problem aus, dass der SF-25 im Qualifying klar hinterherhinkte und erst im Rennen in Form kommt.
Gegen McLaren, dessen Auto in allen Disziplinen gut abschneidet, konnte man damit keinen Stich setzen. Leclerc macht sich wenig Hoffnung, dass man in Suzuka gegen die WM-Führenden eine Chance haben wird. "McLaren scheint auf einem anderen Planeten zu sein", staunte er am Freitag.
Altes Red-Bull-Leid bei Tsunoda-Debüt? Verstappen: Untersteuern!
Red Bull
Bei Red Bull gab es auch in den wenigen Minuten echter Trainingszeit in FP2 ein gewohntes Bild: Max Verstappen klagte über das Handling seines Fahrzeugs, er vermeldete am Funk "überall Untersteuern." Entsprechend bescheiden fiel sein Fazit auch nach dem Training aus. "Wir haben verschiedene Dinge im Auto ausprobiert, und vieles hat nicht so geklappt, wie wir es uns gewünscht hätten", erklärte er im Nachgang. Aus den FP1-Longruns lässt sich wenig ablesen, denn abgesehen vom Schwesterteam waren die beiden Red-Bull-Fahrer die einzigen, die vergleichbare Longruns auf den Soft absolviert hatten.
Besser als von vielen im Vorfeld befürchtet zog sich Yuki Tsunoda bei seinem ersten F1-Training für Red Bull aus der Affäre. Der Japaner verlor nur etwas mehr als eine Zehntelsekunde auf die schnellste Zeit von Max Verstappen und war dementsprechend zufrieden mit seinem Einstand: "FP1 lief besser als erwartet, ein guter Start für mich." Mit dem Blick auf das zweite Training vermeldete aber auch er leichte Probleme. Seine allgemeine Bilanz zum Trainings-Freitag: "Insgesamt war es okay, ich muss nur noch etwas Vertrauen aufbauen."
Nicht unbedingt für Red Bull spricht, dass erneut das kleine Schwesterteam mindestens auf Augenhöhe war und sich in FP2 sogar klar vor den Bullen einsortierte. Dabei sind die Zeiten von Lawson und Hadjar nicht nur durch eine höheres Motor-Mapping zu erklären, auch in schnellen Kurven war der VCARB 02 abschnittweise das schnellere Auto – vor allem in den Degner-Kurven.
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