Wenn sich ein Jahr unweigerlich seinem Ende zuneigt, wird allerorts Bilanz gezogen: Was war gut, was war weniger gut und was sind die Lehren aus den vergangenen 52 Wochen?

Für Nick Heidfeld lässt sich das Jahr 2005 auf einige wenige wirklich wichtige Daten komprimieren: 31. Januar. Nick wird von Sir Frank Williams als Stammpilot bestätigt. 20. März. Nick fährt in Malaysia zum ersten Mal für Williams auf's Podium. 22. Mai. Nick belegt in den Straßen von Monaco mit Platz 2 die beste F1-Platzierung seiner Karriere. 28. Mai. Nick holt seine erste F1-Pole Position und wird tags darauf bei seinem Heimrennen am Nürburgring erneut Zweiter. 3. Juli. Nick und seine Freundin Patricia bekommen Nachwuchs. 16. September. BMW bestätigt Nick als Stammpiloten für die kommenden drei Jahre.

Die große Lehre des Jahres ist, dass Quick Nick auf vier Rädern besser aufgehoben ist als auf zweien. Was er zweitausendundfünf sonst noch gelernt hat, wie er dem Jahr zweitausendundsechs entgegenblickt und was sich seit der Geburt seiner kleinen Juni alles verändert hat, verrät Nick am besten selbst...

Glücklich: 2005 war ein Jahr voller Emotionen., Foto: Sutton
Glücklich: 2005 war ein Jahr voller Emotionen., Foto: Sutton

Nick, wie werdet Ihr Euer erstes Weihnachtsfest als kleine Familie verbringen?

Nick Heidfeld: In diesem Jahr werden wir zum ersten Mal zu Hause in der Schweiz feiern. In den letzten Jahren verbrachten wir Weihnachten immer noch zusammen mit unseren Eltern, aber diesmal feiern Patricia, Juni und ich zum ersten Mal Weihnachten alleine.

Wie hat sich Euer Leben seit Anfang Juli verändert?

Nick Heidfeld: Es hat sich fast um 180 Grad gedreht. Ich habe schon immer Kinder geliebt und mich vorher mit vielen Eltern unterhalten, aber bevor man nicht ein eigenes Kind hat, kann man gar nicht begreifen, wie wichtig einem das ab diesem Moment in seinem Leben wird. Es ist einfach das allerwichtigste, was es gibt. Ich erlebe momentan absolut die schönste Zeit meines Lebens: In erster Linie aufgrund der Tatsache, dass wir eine Tochter haben und zusätzlich läuft es im Beruf auch nicht gerade schlecht...

Du bist Vater geworden, hattest bei Williams einige große Erfolge und fährst für ein Top-Team: Gibt es überhaupt noch etwas, dass Du Dir zu Weihnachten wünschst?

Nick Heidfeld: Ich habe keine Wunschliste angefertigt und lasse mich einfach überraschen. Ich finde es ohnehin viel schöner, wenn sich die Leute Gedanken über ihre Geschenke machen.

Hast du Dir denn schon Gedanken darüber gemacht, was Du verschenken wirst?

Nick Heidfeld: Um ehrlich zu sein nicht. Aber ich habe ja noch ein bisschen Zeit...

Letzte Woche haben Dir die Jerez-Tests die Zeit zum Weihnachts-Shopping 'gestohlen': Wie ging es dort vorwärts?

Nick Heidfeld: Es lief ganz gut. Das Wetter war nicht ganz wie erhofft und am letzten Tag mussten wir den Test wegen eines Problems vorzeitig abbrechen, aber bis dahin lief es sehr gut. Mit dem neuen Motor ist es am wichtigsten viele Runden zu fahren und das ist uns gelungen.

Die aktuellen Testzeiten sind nicht unbedingt besonders aussagekräftig, wie dürfen wir Eure Leistungen bei den Wintertests 2005 einschätzen?

Nick Heidfeld: Wie Du schon gesagt hast: Es ist im Winter und bei Tests allgemein immer sehr schwierig die Situation richtig einzuschätzen. Wie es wirklich aussieht, werden wir erst nach dem ersten Rennen wissen. Im Moment fahren einige mit V8-Motoren, andere mit V10-Triebwerken und noch einmal andere mit V10-Aggregaten mit begrenzter Drehzahl, dazu kommen Fahrzeugwechsel und unterschiedliche Spritmengen. Dadurch ist alles nur extrem schwierig zu überblicken oder gar zu durchschauen. Wir sind jedoch ganz zufrieden. Man muss bedenken, dass wir mit dem gleichen Auto fahren, mit dem Sauber die letzte Saison bestritten hat und da kann man nicht erwarten, dass wir auf einmal vorne mitfahren.

Hinter Dir liegt Dein erstes Jahr bei BMW-Williams. Wie fällt Deine Bilanz aus?

Enttäuscht: Zwei Unfälle störten den Saisonausklang., Foto: Sutton
Enttäuscht: Zwei Unfälle störten den Saisonausklang., Foto: Sutton

Nick Heidfeld: Ziemlich positiv. Ich habe leider die letzten fünf Rennen verpasst, aber davor lief es recht gut. Zu Beginn konnte ich in Malaysia ein relativ unerwartetes Podium herausfahren und dann kam natürlich das Highlight mit den zwei zweiten Plätzen in Monaco und am Nürburgring sowie meiner ersten Pole Position.

Du hast Monaco angesprochen: Der Stadtkurs gilt nicht gerade als überholfreundlich. Wie war es dort den späteren Weltmeister Fernando Alonso zu überholen?

Nick Heidfeld: Das Überholmanöver war auch für mich etwas ganz Spezielles. Es ging um den zweiten Platz, meine bislang beste Position in der Formel 1, und das auch noch gegen den WM-Führenden. Obwohl Fernando mit Reifenproblemen zu kämpfen hatte, ist es in Monaco nicht gerade einfach zu überholen. Deshalb war ich selbst ein bisschen erstaunt, wie perfekt alles geklappt hat. In diesem Moment war ich wirklich kurz davor die Faust aus dem Auto zu strecken und zu jubeln. Allerdings habe ich mich doch lieber darauf konzentriert in der nächsten Kurve nicht in die Leitplanken zu krachen.

Nach Deinen Erfolgen im ersten Saisondrittel wurdest Du in der Öffentlichkeit und in den Medien endlich so gewürdigt, wie Du es schon früher verdient gehabt hättest. Was hat sich danach für Dich geändert?

Nick Heidfeld: Für mich zählt vor allem der Stellenwert, den man intern in der Formel 1 genießt. Denn mein Ziel ist es nach wie vor Weltmeister zu werden. Um das zu erreichen, muss man in ein gutes Auto kommen und das habe ich hoffentlich mit BMW geschafft. Dennoch ist mein Stellenwert in dieser Saison gestiegen. Ich hatte schon immer einen guten Ruf, aber viele Leute haben sich gefragt, wie es denn aussehen würde, wenn ich in einem Top-Auto sitzen würde. Das konnte ich in diesem Jahr bei BMW-Williams beweisen.

Zur Saisonmitte ist ab dem Frankreich GP aber eine gewisse Stagnation eingetreten...

Nick Heidfeld: Magny Cours war in der Tat ein Schlüsselrennen. Wir haben ein neues Aero-Paket eingeführt und sind mitten in der Saison von einem Rennen zum anderen schlechter geworden. Das hatte aber nichts damit zu tun, dass BMW und Williams sich getrennt haben. Schließlich hatten beide Seiten einen Ruf zu verlieren. In den letzten Rennen, in denen ich leider nicht mehr dabei war, konnten wir wieder zeigen, dass es bergauf ging.

Intern war die Stimmung im Team aber immer gut.

Nick Heidfeld: Ja, absolut. Das Verhältnis und die Stimmung im Team waren immer gut. Wenn es da irgendwelche Probleme gegeben hat, dann war es höchstens auf einer höheren Ebene, aber an der Strecke gab es nie Probleme mit den Mechanikern und Ingenieuren. Alle haben mit Hochdruck daran gearbeitet erfolgreich zu sein. Natürlich haben sich die Prioritäten nach der Trennung etwas verschoben und wurden nicht mehr alle Meetings gemeinsam abgehalten, aber dennoch haben alle 100% gegeben.

Kommen wir zu einem traurigen Tiefpunkt des F1-Jahres 2005: Dem US Grand Prix in Indianapolis. Wie hast du diesen Tag der Schande empfunden?

Nick Heidfeld: Das war wirklich ein katastrophales Wochenende für die Formel 1. Insbesondere da es in Amerika stattfand, wo die F1 keinen besonders guten Stand hat.

Eine der Konsequenzen aus all dem Wirrwarr, dass nach diesem Wochenende entstanden ist, ist der Rückzug von Michelin aus der Königsklasse. Könnte der Michelin-Ausstieg für BMW Sauber zum Problem werden?

Nachdenklich: Wie läuft es 2006?, Foto: Sutton
Nachdenklich: Wie läuft es 2006?, Foto: Sutton

Nick Heidfeld: Diese Vermutung liegt auf der Hand, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es so eintreffen wird. Seit Michelin in der Formel 1 ist, haben sie sich stetig verbessert und in der vergangenen Saison alles bis auf Indianapolis gewonnen. Für sie war das besonders schade, da dieses Negativereignis mehr im Gedächtnis haften geblieben ist, als ihre vielen Erfolge. Aber sie werden 2006 alles daran setzen mit einem Sieg abzutreten. Bei den Tests habe ich jedenfalls gespürt, dass es genauso gut weitergeht wie bislang auch.

Wie blickst Du nun Deinem ersten Jahr für BMW Sauber entgegen?

Nick Heidfeld: Ich sehe es ganz klar als Chance, weil sich BMW voll hinter das Programm stellt. Sie haben in den letzten Jahren gelernt, was in der Formel 1 nötig ist, um ganz nach vorne zu gelangen.

Könnten die Regeländerungen auf dem Reifen- und Motorensektor Euch auf dem Weg nach vorne in die Karten spielen?

Nick Heidfeld: Ich hoffe, dass wir weit vorne dabei sein können. Wenn es wie in diesem Jahr größere Reglementänderungen gibt, dann kann das Starterfeld schon einmal durcheinander gewirbelt werden. Auf der anderen Seite geht es nicht nur um den Motor, sondern sind auch das Chassis und die Aerodynamik entscheidend. Und da brauchen wir nach der BMW-Übernahme des Sauber Teams noch ein bisschen Zeit. Sauber war 2005 Achter in der Konstrukteurswertung und daran sehen wir, dass wir noch etwas Spielraum nach vorne besitzen.

Wo siehst Du Euch demzufolge 2006?

Nick Heidfeld: Ich hoffe ich in die Top-6 gelangen zu können. Das hört sich jetzt sicherlich nicht gerade nach einem hochgesteckten Ziel an, aber für mich wird es wichtig sein eine stetige Verbesserung zu erkennen. In den vergangenen Jahren kamen viele neue Teams hinzu, die zwar extrem viel Geld in die F1 gesteckt haben, aber sehr lange brauchten bis sie erste Erfolge einfahren konnten. Deswegen müssen wir realistisch bleiben. Hoffentlich können wir in drei Jahren, also 2008, gewinnen.

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft sind bei BMW Sauber auf alle Fälle gegeben. Gerade erst in der letzten Woche stellte man mit Intel einen neuen finanzkräftigen Partner vor und dann ist da noch der allseits gelobte Windkanal...

Nick Heidfeld: Es sieht wirklich sehr gut aus. BMW steht voll dahinter und könnte das Projekt auch ohne Sponsoren stemmen. Deshalb können sie sich quasi die Rosinen herauspicken. Der angesprochene Windkanal war mit Sicherheit einer der Hauptgründe, warum BMW Sauber übernommen hat. Es ist einer der besten Windtunnel in der gesamten F1. Leider können wir ihn noch nicht voll ausnutzen. Die anderen Teams fahren ihre Windkanäle 24 Stunden am Tag und wir haben bislang nur eine Schicht. Jetzt wird es wohl noch bis zum Ende des nächsten Jahres dauern, bis wir genügend Leute gefunden haben, um den Windkanal voll ausnutzen zu können.

Neben Personal für den Windkanal sucht BMW auch noch einen Testfahrer. Wen würdest Du Dir wünschen? Einen jungen, hungrigen oder einen erfahrenen Testpiloten?

Konzentriert: Die Zukunft könnte rosig werden., Foto: Sutton
Konzentriert: Die Zukunft könnte rosig werden., Foto: Sutton

Nick Heidfeld: Im Moment sind viele Namen im Gespräch. Ich würde mir einen erfahrenen Fahrer wünschen, da wir die Möglichkeit besitzen ihn an den Rennwochenenden als Freitagstestfahrer einzusetzen. Dafür wäre es wichtig einen erfahrenen Piloten zu haben, der die Reifen kennt und wichtige Daten liefern kann. Wenn man da jetzt einen Neuling reinsetzt, der erst die Strecken lernen muss, fehlt ihm entsprechend die Zeit um am Setup zu arbeiten.

Noch ein Wort zu Deinem Teamkollegen: Wie ist Dein Verhältnis zu Jacques Villeneuve, der in der Presse teilweise als Altlast bezeichnet wurde?

Nick Heidfeld: Bislang kenne ich ihn noch nicht näher. Aber ich erwarte, dass ich mit ihm, wie mit allen anderen Teamkollegen auch, zu Recht kommen werde. Aber man darf auf keinen Fall sagen, dass er eine Altlast ist. Immerhin war er schon einmal Weltmeister. Und das ist ja nicht so schlecht. Er hat in den vergangenen Jahren keine allzu überzeugenden Leistungen gezeigt und ich war insbesondere zu Beginn dieser Saison von seiner Performance enttäuscht. Deshalb hatte ich auch nicht damit gerechnet, dass er die Kurve noch bekommen würde. Für mich stand schon immer fest, dass man entweder den Speed hat oder eben nicht. Aus diesem Grund hat es mich zur Saisonmitte sehr verwundert, dass er zum Schluss an Felipe dran war. Und der ist nicht gerade langsam.

Das ist die Konkurrenz auch nicht. Wie schätzt Du das Kräfteverhältnis 2006 ein?

Nick Heidfeld: Wir müssen ganz klar den amtierenden Weltmeister Renault auf der Rechnung haben. Dazu kommt McLaren Mercedes, die nach den ersten paar Rennen in diesem Jahr das überlegene Auto zur Verfügung hatten. Bei Ferrari hängt alles noch ein bisschen von den Reifen ab.

Wie sieht es mit Williams aus: Wird es für Euch ein besonderes Ziel sein Dein Ex-Team und den Ex-Partner von BMW hinter Euch zu lassen?

Nick Heidfeld: Nein. Es ist natürlich schon etwas anders jetzt gegen Williams zu fahren, aber ich versuche immer alle hinter mir zu lassen.