Toyota TF106: Die vorschnelle Discoqueen

"Confessions on a Design Floor" titelt Toyota in der Presseaussendung zur überraschenden Enthüllung des neuen TF106 - eine Anspielung auf die neue CD der ewigen Discoqueen Madonna. Die 47jährige zweifache Mutter ist zurzeit mit ihren Gymnastikübungen dauerpräsent in den Musikkanälen dieser TV-Welt und gehört seit Jahrzehnten zur Spitze der kommerziellen Musikbranche. Die Botschaft von Toyota lautet also: Wir sind bereit für den Sprung an die vorderste Front und wollen dort auch bleiben...

Schon im letzten Jahr hat Toyota als erstes Team den neuen Boliden vorgestellt und getestet - das Ergebnis war überzeugend: Beinahe wäre Toyota mit regelmäßigen Podestplätzen Dritter der Konstrukteurs-WM geworden. Mike Gascoyne, der Technikdirektor der Abteilung Chassis, erklärt: "Der TF106, der diese Woche in Barcelona getestet wird, stellt die erste Stufe eines Entwicklungsplans dar, in dem bis zum Saisonstart ständige weitere Verbesserungen vorgesehen sind. Der Plan gleicht jenem, den wir auch schon im letzten Jahr angewandt haben. Der frühe Testeinsatz erlaubt es uns, zunächst die Mechanik weiterzuentwickeln, bevor wir kurz vor dem ersten Rennen ein neues Aerodynamik-Paket einsetzen werden. Diese Strategie half uns, am Beginn der Saison 2005 extrem konkurrenzfähig zu sein und wir sind zuversichtlich, dass uns das auch 2006 gelingen wird."

"Die Vorderpartie des TF106 ist eine Evolution unseres TF105B, der in Japan und China zu einem Renneinsatz kam", sagt Gascoyne. Der Interimswagen, der zunächst Probleme bereitete, dann aber doch eingesetzt wurde, brillierte mit einem neuen Vorderradaufhängungssystem. Die Heckpartie des TF106 ist eine komplette Neuentwicklung. "Die Einführung des V8-Motors im Zusammenhang mit den neuen Regeln haben zu diesem Design geführt", sagt Gascoyne.

Renntauglicher V8

Die Einführung des 2,4 Liter V8-Motors stellte für Motorenchef Luca Marmorini eine große Herausforderung dar. Der Toyota RVX-06 V8 wurde erstmals am 21. März 2005 am Prüfstand gezündet, Ende Juli kam es zum ersten Testeinsatz, seither wurden 2.143 Kilometer mit dem neuen Aggregat abgespult. Marmorini: "Eine Menge an Kinderkrankheiten konnten gelöst werden, weil wir in der Lage waren, sehr früh mit dem Testen zu beginnen." Toyota ist stolz darauf, im vergangenen Jahr nur einen Motorschaden an den Rennwochenenden erlitten zu haben - diese Zuverlässigkeit möchte man auch im kommenden Jahr wahren. Marmorini: "Am 3. November haben wir mit dem V8 erstmals die erforderliche Zweiwochenend-Distanz am Prüfstand absolviert, was es uns erlaubt, die Tests mit einer voll renntauglichen Einheit zu beginnen."

Der neue Reifenpartner

Für Toyota stellt sich jedoch noch eine weitere große Herausforderung - die in Köln stationierten Japaner wechseln zum japanischen Reifenhersteller Bridgestone. Toyota Motorsport-Präsident John Howett sagt: "Der Fakt, dass wir das neue Mechanikpaket und die neuen Aufhängungen gemeinsam mit dem V8-Motor und den Bridgestone-Reifen testen können, sollte uns einen vernünftigen Testbeginn ermöglichen." Bei so vielen neuen Komponenten sei "eine klare Einschätzung unserer relativen Konkurrenzfähigkeit schwierig", fügt Howett hinzu.

Toyota-DNA

Toyota-Vorstand Tsutomu Tomita sagt: "Über die Jahre hat Toyota eine eigene Arbeitsweise entwickelt." Gemeinsam mit dem "Toyota Productions System" würde sich eine eigene "Toyota-DNA" ergeben, erklärt Tomita. Diese DNA würde sowohl in Japan als auch in Köln durch die Venen der Mitarbeiter strömen, und: "Nur dieser einheitliche Zugang ermöglicht es uns, dass wir eines Tages um die Weltmeisterschaft kämpfen werden."

Zonta & Panis weiter an Bord

Bei den Tests in Barcelona werden die beiden Einsatzfahrer Ralf Schumacher und Jarno Trulli zum Einsatz kommen, aber auch Ricardo Zonta, der seinen Vertrag als dritter Fahrer auf ein Jahr verlängert hat, und Olivier Panis werden eingesetzt. Der Toyota-Testkalender ist prall gefüllt: In dieser Woche werden vier Tage in Barcelona verbracht, ab dem 7. Dezember wird weiter südlich in Jerez getestet - dort werden acht Tage lang alle vier Piloten zum Einsatz kommen.

Trendsetter

Fazit: Toyota hat in Sachen Neuwagen wie schon im letzten Jahr die Nase vorn, in diesem Jahr könnte man von der Strategie noch mehr profitieren. Denn mit dem V8-Motor, dem neuen Reifenpartner und den neuen Aufhängungen gibt es auf mechanischer Ebene genug zu tüfteln, während die Aerodynamiker in aller Ruhe ein neues Aero-Paket ausbrüten können. Man gewinnt also an Zeit, und kann trotzdem noch auf aerodynamische Entwicklungen reagieren. Mit seinem extrem aufgeräumten Heck stellt der TF106 den ersten Wagen einer neuen Generation dar. Dennoch ist auch der TF106 eine Evolution, wie die Modelle zuvor. Der frühe Einsatz des neuen Boliden macht Toyota zum Trendsetter, womit der Kreis zu Popikone Madonna geschlossen wird. Sie ist der Zeit immer einen kleinen Schritt voraus. Ob der TF106 das Zeug zur hypererfolgreichen Discoqueen hat, muss sich, angesichts der zahlreichen Umstellungen, erst noch weisen...