Für Oscar Piastri und Carlos Sainz waren die Chancen auf Punkte beim Belgien-GP schon nach der ersten Kurve vorbei. In La Source kam es zur Kollision zwischen dem McLaren und dem Ferrari. Der Australier traf den Spanier mit dem linken Vorderreifen am Seitenkasten und touchierte mit dem rechten Vorderreifen die Wand. Piastri fiel sofort zurück und musste den Wagen mit einem Platten und beschädigter Lenkung noch in der ersten Runde abstellen. Sainz blieb mit aufgerissenem Seitenkasten im Rennen, wurde aber mit starkem Abtriebsverlust immer weiter durchgereicht. Nach 23 Runden ohne Aussicht auf Punkte fuhr er in die Garage.

Was war passiert? Die beiden Kontrahenten waren sich nicht gerade einig. "Ich attackierte Lewis [Hamilton] und dachte, dass ich das Manöver quasi durchgezogen hätte. Ich schaffte den Scheitelpunkt, aber leider wollte Oscar ein optimistisches Manöver gegen mich starten. Es ist schade", kommentierte ein enttäuschter Sainz. Piastri, der Sainz innen überholen wollte, gestand keine Schuld ein: "Ich glaube es fällt in die Kategorie eines Rennunfalls in der ersten Runde beziehungsweise in der ersten Kurve. Ich hatte einen guten Start und war mit der Nase neben ihm. Als wir in der Bremszone ankamen, bewegte sich Carlos nach rechts und hatte einen Verbremser. Ich musste ausweichen, aber von dort zum Scheitelpunkt hatte ich wenig Möglichkeiten. Ich konnte nirgends hin."

Belgien GP: Start mit Polesetter Charles Leclerc vor Sergio Perez
Kurz vor der Kollision: Der Rauch stammt von Sainz' leichtem Verbremser, Foto: LAT Images

"Wir hätten es wohl beide etwas anders machen können. Es ist hier sehr eng in Kurve eins. Carlos hatte wohl auch wenig Optionen, weil Lewis da war", wählte Piastri aber auch beschwichtigende Worte. Sainz sah dies anders. Für ihn sollten Formel-1-Fahrer wissen, was bei einem Start in Belgien zu erwarten ist: "Wenn du dir die letzten Rennen hier in Spa ansiehst, dann weißt du, was die typischen Unfälle in Kurve Eins sind. Es ist genau das. Jeder, der da innen vorbei will, verursacht normalerweise einen Unfall. Dieses Mal hat es mich getroffen."

Sainz mit klarem Statement: Piastri hätte zurückstecken müssen!

Am Ende standen beide ohne Punkte da. Hätte das Debakel vermieden werden können? Piastri spekulierte, ob er energischer hätte sein sollen: "Carlos' Bewegung nach rechts hat mich etwas überrascht. Ich hatte dann wenig Möglichkeiten. Vielleicht hätte ich etwas später bremsen können und mich neben ihm durchquetschen können. Aber im Nachhinein lässt sich so etwas leicht sagen. Sobald ich dort war, konnte ich weder vor oder zurück, ich saß fest."

Sainz forderte das Gegenteil. Auf die Frage von Motorsport-Magazin.com, ob er sich Piastris Präsenz auf der Innenseite bewusst war, machte der Spanier eine klare Ansage an den McLaren-Piloten: "Ja, aber an irgendeinem Punkt muss man zurückstecken. Er ist auf Höhe meines rechten Hinterreifens, da muss er zurückstecken und nicht ich muss ihn vorbeilassen, besonders wenn ich schon an Lewis vorbei war." Dass er selbst zu optimistisch vorging, schloss er aus: "Ich habe den Scheitelpunkt perfekt getroffen und ging an Lewis vorbei. Das könnt ihr auf meiner Onboard sehen. Ja, ich hatte einen stehenden Vorderreifen, aber ich bin nicht zu tief in die Kurve reingestochen."

Stewards und selbst Sainz-Chef Vasseur sehen Rennunfall

Auch wenn der Spanier angefressen war, teilten die Stewards Piastris Einschätzung eines Rennunfalls. Die Kollision wurde von ihnen nicht einmal näher untersucht. Selbst Ferrari-Teamchef Fred Vasseur sah dies so: "Das war ein Rennunfall. Wir wissen, dass die erste Kurve sehr kompliziert ist. Man kann beiden nichts vorwerfen in dieser Situation." Nach der Situation wurde es allerdings noch gefährlich. Für Piastri kam erst der heikle Part: "Das war kein Spaß. Ich hatte ziemliches Glück, dass sie alle vor Eau Rouge an mir vorbeifahren konnten. Mit der beschädigten Lenkung konnte ich dennoch vor Eau Rouge noch nach links zur Seite fahren, von da an war es ok." Als das Feld zum Glück ohne weitere Kollision an ihm vorbeigeflogen war, schaffte er es nicht mehr zurück an die Box. Sein MCL60 blieb auf halber Runde liegen.

Sainz hingegen fuhr weiter. Obwohl sein Ferrari mit einem Loch im Seitenkasten und Beschädigungen am Rand des Unterbodens keine Chance mehr gegen die Konkurrenz hatte, blieb er über die Hälfte des Rennens draußen. Das hatte einen Grund: "Es war praktisch unfahrbar. Man soll aber niemals aufgeben. Wir fuhren weiter, falls es eine Rote Flagge geben sollte." In diesem Fall hätten die Ferrari-Mechaniker eventuell genug Zeit gehabt, das Auto zu reparieren. Die große Chance auf einen Rennabbruch birgt in Spa selbstverständlich das Wetter. Der Regen kam auch, aber deutlich zu wenig: "Als der Regen drübergezogen war und es keine Rote Flagge gab, haben wir abgestellt." So musste Sainz zusehen, wie Teamkollege Charles Leclerc auf das Podest fuhr, während Lando Norris mit einem mäßigen siebten Platz den Tag für McLaren auch nicht retten konnte.