"Bitte warten. Ihre Updates werden installiert. Schalten Sie das Formel-1-Auto so lange nicht aus und trennen sie es nicht von der Power Unit…" Ganz so 'einfach' wie das Updaten des Betriebssystems ist der Upgrade-Prozess in der Königsklasse des Motorsports ganz gewiss nicht. Eigentlich plante Mercedes bereits beim abgesagten Grand Prix in Imola umfangreiche Updates an den W14 zu bringen. Nun soll es beim Großen Preis von Monaco aus Sicht von Lewis Hamilton und George Russell endlich so weit sein.

Vom kernsanierten schwarzen Silberpfeil erhofft sich der ehemalige Seriensieger, das Fundament für zukünftige Erfolge zu legen. Der Weg dahin ist jedoch lang und steinig - und Monaco ist erst der Anfang. Obwohl das Team schon seit einiger Zeit daran arbeitet. Updates sind eben ein langwieriger und manchmal auch zäher Prozess. Nicht nur unter Windows.

Formel 1 Updates: Simulationen begleiten den Entwicklungsprozess

"Als erstes müssen wir einen Bereich am Auto identifizieren, in dem wir den Luftstrom um das Auto herum verbessern wollen", erläutert Claire Simpson, Aerodynamics Group Leader bei Mercedes. Ist dieser Bereich festgelegt, wird die Design-Abteilung informiert. Dort sitzen die "klügsten" Köpfe eines Formel-1-Teams. Die Ingenieure denken sich verschiedene Geometrien und Formen aus, die das vorgegebene Ziel regelkonform erreichen könnten und bringen diese Ideen als Zeichnung aufs Papier oder als 3D-Modell auf die Festplatte.

Diese Konstruktionen werden zuerst in Simulationen getestet. In diesen virtuellen Tests wird zum Einen geprüft, ob das neue Teil den zu erwartenden aerodynamischen Belastungen widerstehen kann. Zum anderen dienen die Simulationen der Prüfung, ob das neue Bauteil das Auto auch schneller macht.

So sehen 3D-Modelle aus, die am Rechner erstellt werden, Foto: Steve Etherington
So sehen 3D-Modelle aus, die am Rechner erstellt werden, Foto: Steve Etherington

Andrew Muir (Senior Simulation Engineer bei Mercedes) ergänzt um ein weiteres einflussreiches Simulations-Tool: "Zudem haben wir einen Driver-in-Loop-Simulator: Ein Hybrid zwischen der realen und der simulierten Welt. Unsere Fahrer können in den Simulator steigen und so bereits die virtuelle Version des veränderten Autos testen - bevor die Updates in die Realität umgesetzt werden."

Formel 1 Upgrades: Planung beginnt Monate im Voraus

Erweist sich eine neue Komponente in den Simulationen als vielversprechend, folgt die Produktion des Teils für das Windkanal-Modell. Funktioniert das neue Bauteil wie erwartet, erstellt die Produktionsabteilung ein Muster-Bauteil, woraus ein Formbehälter entsteht und daraufhin beginnt die Laminierung des Bauteils.

In Autoklaven wie diesen werden die Karbonelemente für die F1-Renner laminiert, Foto: Red Bull Content Pool
In Autoklaven wie diesen werden die Karbonelemente für die F1-Renner laminiert, Foto: Red Bull Content Pool

Darren Burton (Operations Manager, Mercedes) hebt speziell den Kampf gegen die Zeit hervor: "Für ein Performance-Update beginnt die Planung mehrere Monate im Voraus. Das hängt auch von der Komplexität des Bauteils ab. In der Produktion brauchen wir manchmal mehrere Wochen, um die erforderliche Stückzahl an Ersatzteilen zu erreichen."

Nuanciert nimmt auch der Rennkalender Einfluss darauf, welche Updates die Teams zu einem Rennwochenende mitbringen. Simpson fügt an: "An eine Strecke, die ein geringes Maß an Abtrieb erfordert, bringen wir beispielsweise eher ein Update für den Heckflügel." Auf einer Strecke wie dem Autodromo Internazionale Enzo e Dino Ferrari in Imola bringt das Team hingegen eher ein Update-Paket, das die Aerodynamik generell verbessern soll.

Das Windkanal-Modell darf maximal 60 Prozent der originalen Dimensionen entsprechen, Foto: Steve Etherington
Das Windkanal-Modell darf maximal 60 Prozent der originalen Dimensionen entsprechen, Foto: Steve Etherington

Wie macht ein Update ein Formel-1-Auto schneller?

So viel zur Theorie, Simulation und Produktion. Ihre Feuerprobe müssen die neuen Teile dann auf der Rennstrecke bestehen. "Das Auto hat hunderte von Sensoren, mit denen wir die Aerodynamik-Daten erheben können. Die Daten werden in Echtzeit [in die Fabrik nach Brackley] übermittelt", erklärt Emma Corfield (Aerodynamics Performance Engineer, Mercedes). Noch während das Auto auf der Strecke ist, führen die Formel-1-Teams bereits die ersten grundlegenden Analysen durch.

Ein Bruchteil generierter Telemetriedaten, Foto: Steve Etherington
Ein Bruchteil generierter Telemetriedaten, Foto: Steve Etherington

Bei der Datenanalyse stehen zwei Punkte im Fokus: "Im ersten Schritt vergleichen wir das neue mit dem alten Teil. Wir wollen sicherstellen, dass wir die erwartete Leistungsverbesserung tatsächlich erhalten. Als zweites schauen wir nach charakteristischen Veränderungen. Sie können in bestimmten Kurventypen oder in einer bestimmten Phase einer Kurve auftreten." Bei großen Update-Paketen werden umfangreichere Daten aus vorangegangenen Rennwochenenden benötigt, um Vergleiche zu ermöglichen. Zudem werden die gesammelten Daten in den Simulator eingespeist.

Formel 1 Tests: Kaum Zeit, um das Update zu verstehen

Erfüllt das Update die Erwartungen, müssen die Teams im Laufe des Wochenendes einerseits die neuen Teile verstehen lernen, aber gleichzeitig auch die grundsätzliche Performance im Hinblick auf das Qualifying und Rennen maximieren. Mit anderen Worten: Nur herumtesten geht nicht. Riccardo Musconi (Head of Trackside Performance, Mercedes) erläutert die Herangehensweise des Teams, wenn der W14 ein Update erhält: "Am Freitag versuchen wir, so viel wie möglich über die neuen Teile zu lernen. Ab Samstag versuchen wir, das Setup für Qualifying und Rennen zu maximieren."

Sobald die neuen Daten im Simulator angekommen sind, können die Simulator-Fahrer loslegen und stundenlang um den entsprechenden Kurs fahren, damit die Mechaniker vor Ort das Auto noch vor dem dritten Freien Training entsprechend optimieren können. "Das Feedback unserer Fahrer ist zentraler Bestandteil. Sie sind sehr gut darin, bestimmtes Verhalten des Autos im Laufe einer Runde zu registrieren und dieses uns Ingenieuren genaustens zu erklären", unterstreicht Musconi und fasst zusammen: "All diese Dinge werden im Debrief gesammelt und wir können dann in die Daten schauen und herausfinden, was exakt in diesen Momenten passiert ist." Damit ist der Update-Prozess zu 100% abgeschlossen - und beginnt sofort wieder von vorne. Mit den Arbeiten am nächsten Upgrade-Paket. "Bitte warten…"