Einmal mehr müssen sich die Formel 1-Protagonisten auf ein neues Regelwerk einstellen. Und 2006 gibt es doch erhebliche Neuerungen: Das neue Knock Out-Qualifying. Die Wiedereinführung der Reifenwechsel. Und schließlich die Einführung der 2,4 Liter V8-Motoren. Nur letztere waren schon länger bekannt, die anderen Änderungen wurden wieder einmal kurzfristig hinzugefügt. "Nachdem diese Änderungen im Reglement feststehen, besteht unsere erste Aufgabe darin, die neue Situation zu analysieren", erklärt Renault-Chefingenieur Pat Symonds.

Es gibt aber bereits eine Art Masterplan in den Denkfabriken der Franzosen. So wird Renault im Gegensatz zu einigen anderen Formel 1-Teams in diesem Jahr keine Tests mit dem Achtzylindermotor unternehmen. Erst im Januar soll intensiv mit zwei neuen R26-Boliden getestet werden. Dass dies ein Schuss ins Knie sein könnte, weil man möglicherweise zu wenig Zeit zur Verfügung haben könnte, um den neuen Triebwerken die nötige Standfestigkeit einzuhauchen, glaubt Rob Bell, der Technikdirektor der Chassisabteilung nicht: "Wir unterschätzen den Arbeitsaufwand vor dem Hintergrund des neuen Reglements auf keinen Fall. Wir haben unseren Zeitablauf darauf abgestimmt. Der Renault R26 wird Anfang des neuen Jahres erste Testfahrten absolvieren. Wir werden wieder versuchen, so schnell wie möglich zwei Chassis einzusetzen, um das Maximum aus den Tests herauszuholen. Wir sind davon überzeugt, dass dieses Vorgehen die effizienteste Art darstellt, unsere Ressourcen optimal zu nutzen."

Bell erinnert: "Wir dürfen immerhin auch nicht vergessen, dass wir bis zum Ende der zurückliegenden Saison mit der Weiterentwicklung des R25 beschäftigt waren, um beide WM-Kronen einzufahren. Unser Ziel lautet, unsere Titel im kommenden Jahr zu verteidigen."

Rob Bell möchte im Januar mit zwei R26-Chassis testen., Foto: RenaultF1
Rob Bell möchte im Januar mit zwei R26-Chassis testen., Foto: RenaultF1

Was das Comeback der Reifenwechsel betrifft, so hat diese Regeländerung einen erheblichen Einfluss auf die Boxenstoppstrategie der Teams - und sie hätte, wäre sie früher eingeführt worden, auch einen Einfluss auf die Entwicklung des Chassis ausgeübt. Rob Bell verrät: "Wäre diese Änderung früher bekannt geworden, hätten wir darauf während der Entwicklung unseres Renault R26 etwas besser eingehen können. Jetzt ist es zu spät, das Design des Monoposti noch grundlegend zu ändern. Das geht aber allen Teams so, deshalb ist es unerheblich. Im Endeffekt wäre es ohnehin lediglich unser Wunsch, den Treibstofftank zu reduzieren, da wir in unseren Rennstrategien voraussichtlich mit deutlich kürzen Turns arbeiten werden als in der vergangenen Saison."

Die Motorenabteilung muss ihr V8-Programm umstellen

Aber auch die Motorenabteilung muss wegen des neuen Qualifikationsmodus und der Wiedereinführung der Reifenwechsel ihr Programm umstellen. Motorenboss Denis Chevrier erklärt: "Mit der Bekanntgabe eines neuen Reglements setzt für uns Motorenbauer ein weitreichender Evaluierungsprozess ein. Wir analysieren sämtliche Arbeitsbereiche und überlegen, wie wir sie optimieren können. Durch das geänderte Qualifying erhöhen sich die Anforderungen an die Laufleistung der Motoren. Wir schätzen, dass wir pro Rennwochenende etwa 10 Prozent mehr Kilometer zurücklegen werden. Die Möglichkeit, während eines Grand Prix die Reifen zu wechseln, führt zu der Überlegung, wann im Rennen wir wie viel des Motorenpotenzials ausschöpfen wollen, um zum Beispiel die Vorteile frischer Reifen optimal zu nutzen. Vor diesem Hintergrund müssen wir unsere Arbeitsweise an den Motorenprüfständen und während der Testfahrten im Winter umstellen, um die neuen Bedingungen zu simulieren. Alles in allem stellt uns das aber nicht vor unlösbare Aufgaben."

Denis Chevrier sieht keine unlösbaren Aufgaben., Foto: Sutton
Denis Chevrier sieht keine unlösbaren Aufgaben., Foto: Sutton

Unlösbar sind die Aufgaben also nicht - teuer sind sie allemal - vor allem für die Konzerne, die das schwarze Gold, die Reifen, zur Verfügung stellen. Rob Bell erklärt: "Die Reifenhersteller sehen sich mit deutlich größeren Herausforderungen konfrontiert. Sie müssen viel investieren, um das neue Regelwerk perfekt auszunutzen. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Neuerung vor den anhaltenden Diskussionen über Kostensenkungen in der Formel 1 der richtige Schritt war..."

Trotzdem würde sich das neue Qualifying "ganz klar an die Fans richten", fügt Bell hinzu. Er räumt aber auch ein, dass dieser neue Modus auch seine komplizierten Seiten hat - so kompliziert, dass sogar Formel 1-Pilot Felipe Massa zugab, den neuen Modus "noch nicht hundertprozentig verstanden" zu haben. Bell sagt dazu: "Sollte es gelingen, dadurch das Interesse der Öffentlichkeit wieder zu steigern, ist die Änderung sehr zu begrüßen. Das neue Format des Qualifyings präsentiert sich allerdings recht komplex. In ihm sind einige potenzielle Komplikationen versteckt, die nicht unbedingt auf Anhieb zu erkennen sind. Ich spreche hier zum Beispiel von dem taktischen Vorteil, vielleicht lieber nur Startplatz elf oder zwölf zu erreichen anstatt um eine Position unter den Top-Ten zu fahren. Wir müssen darauf achten, das neue Qualifying gründlich zu erklären, um die Zuschauer nicht zu verwirren."

Wie kompliziert auch immer sich die neuen Regeln in der Praxis gestalten werden, für Renault-Chefingenieur Pat Symonds ist eines klar: "Wir hätten gerne unter den gleichen Umständen weitergemacht wie in der vergangenen Saison. Gleichzeitig freuen wir uns gemeinsam mit unseren Partnern auf die neuen Herausforderungen. Wir gehen die Saison 2006 mit der gleichen Entschlossenheit an wie die Saison 2005." Die Franzosen wollen beide WM-Titel verteidigen und somit auch 2007 mit der Startnummer 1 antreten...