Eine der prägendsten Persönlichkeiten im deutschen Motorsport feiert Geburtstag: Norbert Haug, 22 Jahre lange erfolgreicher Motorsportchef von Mercedes-Benz, wird heute 70 Jahre alt. Unter der Leitung des Baden-Württembergs feierte die Marke mit dem Stern über Jahrzehnte hinweg einen Triumph nach dem anderen in der Formel 1, der DTM oder auch der FIA-GT-Meisterschaft.

Die Erfolgsbilanz von Haug, stets ein Anhänger von Statistiken im Rennsport ("Mit Fakten überzeugt man Menschen"), in Zahlen ausgedrückt: 968 Rennen - 439 Siege (45,4%), davon: 328 Formel 1-Rennen (Partnerteams McLaren und Brawn GP, Werksteam ab 2010), 87 Siege (26,5%), vier Titelgewinne in der Formel-1-WM (Fahrer), zwei Titelgewinne Formel 1- Konstrukteurs-WM, 288 DTM- und ITC-Rennen, dabei 145 Siege (50,3%), 10 Titelgewinne in der Fahrer-Meisterschaft, 13 Titelgewinne in der Team-Meisterschaft sowie neun Titelgewinne in der Hersteller-Meisterschaft.

Norbert Haug im Interview: Über Schumacher, Formel 1 & Zukunft (01:10:02)

Beeindruckende Zahlen des Mannes, der wie kaum ein Zweiter den Stern auf der Brust und sicherlich auch im Herzen trägt. Haug verantwortete vom 01. Oktober 1990 an mehr als 22 Jahre die längste und nach Siegen und Titelgewinnen erfolgreichste Ära des aktiven Werks-Rennsports in der über 125-jährigen Geschichte der Premiummarke Mercedes-Benz.

"Jürgen Hubbert definierte mit mir als Basis des Mercedes-Motorsportengagements: Dort, wo man unauffällig verliert, da gewinnt man auch unauffällig", erinnerte sich Haug 2021 im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Und um unauffällig zu gewinnen, ist das Ganze zu teuer und zu anstrengend. Deshalb sollten mit der Premiummarke Mercedes-Benz auch die höchsten Spielklassen des internationalen Motorsports bestritten werden. Die erfolgreiche Begleitmusik Motorsport hat gerade der sportlichen Marke AMG sicher gutgetan und tut es heute vielleicht mehr denn je."

Von 968 bestrittenen Rennen - 328 davon in der Formel 1-Weltmeisterschaft - wurden 439 gewonnen (über 45%). Unter Haugs Leitung feierten Sternfahrer 62 internationale Meisterschaftstitel in der Formel-1-WM, der DTM, der US-amerikanischen CART-Rennserie mit den 500 Meilen von Indianapolis, der internationalen GT-Serie sowie in den europäischen Formel-3-Rennserien, in denen sich der Nachwuchs für höhere Aufgaben empfehlen konnte.

Foto: Sutton
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Haug arbeitete bei Mercedes Motorsport unter anderen mit den Formel-1-Fahrern- und Siegern Michael Schumacher, Mika Häkkinen, Kimi Räikkönen, Lewis Hamilton, Nico Rosberg und David Coulthard zusammen. In der DTM mit den Titelgewinnern Klaus Ludwig, Bernd Schneider, Gary Paffett oder Paul Di Resta. In der Formel 3 wurden unter seiner Regie Nachwuchsfahrer wie Lewis Hamilton, Bruno Spengler, Jamie Green und Paul Di Resta gefördert und zu Siegfahrern und Titelgewinnern entwickelt.

Haug, der den Begriff des "echten Racers" prägte und auch selbst bei Rennen wie den 24h Nürburgring an den Start ging: "Die Dynamik des Motorsports, die Anforderung, schnelle und möglichst treffsichere Entscheidungen zu treffen, im Renntempo zu lernen, Marketing mit Technik zu verknüpfen, das alles ist eine herausfordernde Schule mit extremem Anforderungsprofil. Ein echter Racer funktioniert auch ohne Rennstrecke, er sucht den Wettbewerb und will sich stetig steigern und besser werden. Motorsport ist eine Geisteshaltung: Bescheiden im Erfolg, demütig aber angriffslustig in der Niederlage, selbstkritisch statt selbstverliebt."

Foto: DTM
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Haug verantwortete bei seinem Amtsantritt beim 'Stern' zunächst die Renneinsätze mit Sportwagen in der Gruppe C, später auch in der DTM und ITC, die ihm besonders am Herzen lagen. Erste Erfolge von Klaus Ludwig in den Jahren 1992 und 1994 (Titelgewinne) sowie die DTM- und ITC-Fahrertitel von Bernd Schneider 1995 waren die Höhepunkte der ersten Jahre als Mercedes-Motorsportchef. Nach dem Ende der ITC war Haug einer der Befürworter und Antreiber für das Comeback der der vor allem viel kostengünstigeren DTM zu Beginn des neuen Jahrtausends (2000).

Unter der Leitung von Haug gab Mercedes-Benz nach fast 40 Jahren ein viel beachtetes Comeback in der Formel-1-Weltmeisterschaft. Zunächst startete der damalige Mercedes-Partner Peter Sauber mit einem eigenen Team, schon ein Jahr später (1994) hieß das Schweizer Team offiziell "Sauber-Mercedes". Der schwere Unfall des Österreichers Karl Wendlinger beim Großen Preis von Monaco in Monte Carlo überschattete die Saison, an deren Ende die Trennung vollzogen wurde.

Danach unterstützte Mercedes-Benz das britische McLaren-Team von Ron Dennis, mit dem Mika Häkkinen 1998 und 1999 sowie Lewis Hamilton 2008 den WM-Titel gewannen. Ein Jahr später (2009) kaufte Mercedes den Rennstall Brawn GP von Ross Brawn und beendete die Zusammenarbeit mit dem bisherigen Partner McLaren. Seit der Saison 2010 engagiert sich Mercedes mit einer eigenen Mannschaft unter dem Namen Mercedes GP Petronas F1 Team bzw. Mercedes-AMG Petronas F1 Team in der Königsklasse des Motorsports.

Foto: Sutton
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Haug immer in guter Erinnerung bleiben wird der erste F1-Sieg unter seiner Leitung als Formel-1-Verantwortlicher bei Mercedes: Am 09. März 1997 gewann David Coulthard im McLaren-Mercedes vor dem Dauerrivalen und späteren Stern-Fahrer Michael Schumacher und Mika Häkkinen den Großen Preis von Australien in Melbourne.

Haug über diesen denkwürdigen Sieg im Albert Park: "Vielleicht sogar der für mich ganz persönlich allerwichtigste: Der Durchbruch, Mercedes war als Formel 1-Sieger nach über 42 Jahren mit dem Silberpfeil zurück in der höchsten Motorsport-Disziplin und das gleich mit einem Sieg. Ein grandioser weltweiter Wirbel in den Medien war die Folge. Unserem Motorsport-Engagement, das zuvor von vielen Zweiflern verständlicherweise ausgesprochen kritisch beäugt wurde, verschaffte dies auch hausintern enormen Rückenwind und Anerkennung."

Foto: Sutton
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Unvergessen und eng mit Haugs Werdegang verbunden ist natürlich das Formel-1-Comeback von Michael Schumacher zur Saison 2010, mit dem er schon zu Zeiten des legendären Mercedes Junior Teams um den siebenfachen Weltmeister, Karl Wendlinger, Heinz Harald Frentzen und Fritz Kreutzpointner zusammengearbeitet hatte.

Haug: "Unser junges Mercedes GP Petronas Team gewann im dritten Jahr 2012 den GP in China. Und Michael Schumacher holte 2012 die Pole Position in Monaco, auf der Mutter aller Rennstrecken. Er war immer noch gut genug, um in Monaco die Pole-Zeit zu fahren. Hätte es sich ergeben, dass Michael weiterfahren hätte können oder wollen, dann wäre er auch noch zu GP-Siegen und - wer weiß - auch Weltmeistertiteln fähig gewesen. Und das war zweifelsohne bei Schumachers Verpflichtung ab 2010 mein Traum gewesen: Der Anbeginn mit dem Junioren Michael Schumacher und das Ende mit dem GP-Sieger oder gar Weltmeister."

Foto: Sutton
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Bei Haug, der sich nach wie vor mit großer Leidenschaft im Motorsport engagiert, ist die '70' wohl nur eine Zahl - zum Geburtstag packt Motorsport-Magazin.com ein paar weitere Ziffern aus:

Norbert Haug Statistik als Mercedes-Sportchef von 1990 bis 2012

Sportwagen-WM (1990-1991)
Rennen: 9
Siege: 2 (22,2 Prozent)
Pole-Positions: 0
Titel in der Fahrerwertung: 1
Titel in Herstellerwertung: 1

DTM, inkl. ITC (1990 - 1996, 2000 - 2012)
Rennen: 288
Siege: 145 (50,3 Prozent)
Pole-Positions: 101
Titel in der Fahrerwertung: 10
Titel in der Teamwertung: 13
Titel in der Herstellerwertung: 9

Formel-1-WM, inkl. Kundenteams (1994 - 2012)
Rennen: 327
Siege: 87 (26,3 Prozent)
Pole-Positions: 84
Titel in der Fahrerwertung: 4
Titel in der Konstrukteurs-Meisterschaft: 2

CART-Serie (1994-2000)
Rennen: 110
Siege: 19 (17,3 Prozent)
Pole-Positions: 20
Titel in der Herstellerwertung: 1 
Triumph beim Indy 500: 1

FIA-GT-Meisterschaft, inkl. Le Mans (1997 - 1999)
Rennen: 24
Siege: 16 (66,7 Prozent)
Pole-Positions: 17
Titel in der Fahrerwertung: 2
Titel in der Konstrukteurs-Meisterschaft: 2

Formel-3-Euroserie/-EM (2003 - 2012)
Rennen: 209
Siege: 170 (81,3 Prozent)
Pole-Positions: 106
Titel in der Fahrerwertung: 8
Titel in der Konstrukteurs-Meisterschaft: 9