Der Belgien GP lässt sich für die Fans vor Ort mit nur einem Wort zusammenfassen: Bitter. Psychospielchen vermutet man eher bei den Fahrern - dass die Rennleitung sie nun mit den Zuschauern treibt, ist neu.

Ein Ausruf der Erleichterung geht durch die Zuschauerränge, als auf den Bildschirmen endlich die lang ersehnte Nachricht auftaucht: Race will resume at 18:17 - nach über drei Stunden Ausharren im Regen sehen wir die Fahrer gleich wieder auf der Strecke! Auf einmal kommt Leben in die vielen Menschen, die zuvor noch zusammengekauert unter ihren Regenschirmen oder zurückgezogen in ihren Ponchos standen. Vergessen sind auch bei mir die durchnässten Socken und Schuhe und die Kälte, die sich beharrlich bis in die Knochen der kleinen Zehen kriecht.

Formel-1-Regentanz: Singin' in the Rain

Regen-Farce in Spa: Wurde nur fürs Geld gefahren?: (19:00 Min.)

Im August sind Wetterkapriolen, wie die Traditionsstrecke in Wallonien sie erlebt, keine Seltenheit. An den Trainingstagen gab es sprichwörtlich noch Lichtblicke, denn freitags durchbrach die Sonne die Wolkendecke und erlaubte es der Strecke, etwas abzutrocknen. Obwohl es am Samstag schon bedeutend kühler war, ließ der Regen immerhin ab und zu nach und gönnte den hartnäckigen Zuschauern so kleine Verschnaufpausen.

Der Sonntag zeichnet sich aber vor allem durch eine Sache aus: Regen, der nicht für eine Sekunde nachlässt. Viele der Fans warten schon seit den frühen Morgenstunden, nachdem der Veranstalter bereits am Vorabend Stau bei der Anfahrt verkündet hatte. Durch den Regen waren einige der streckennahen Parkplätze so aufgeweicht, dass Autos aus dem Schlamm gezogen werden mussten. Um das zu vermeiden, gab es Alternativen, die aber im schlechtesten Fall bis zu fünf Kilometer und mehr von der Strecke entfernt lagen.

Mit den Rennen der Formel 3 und des Porsche Super Cups war wenigstens dafür gesorgt, dass bis zum Rennbeginn um 15 Uhr keine Langeweile aufkommen würde. Der Regen bereitete den Fahrern auf der Strecke aber schon die ersten Probleme: In der zurecht gefürchteten Eau Rouge kam es zu Rutschern und Drehern, die sich fast wie ein böses Omen für das Formel 1-Rennen anfühlten. Nach mehreren gelben Flaggen schafften es aber alle Fahrer und einige Autos unbeschadet über die Ziellinie und es hieß warten.

Formel 1 in Spa: Das große Warten

Vettel wutentbrannt! Ist die Eau Rouge zu gefährlich?: (09:38 Min.)

Warten auf das Rennen. Warten darauf, dass der Himmel endlich aufreißt. Warten darauf, dass der Regen nachlässt. Denn wenn eines zermürbend ist, dann ist es das stete Tröpfeln auf Schirmen, auf Regenponchos, die kalten Rinnsale an jeder nicht geschützte Stelle und die durchweichten Socken, Schuhe, Hosensäume und Jackenärmel, die allesamt gefühlt 70 Kilogramm wiegen. Einige Zuschauer, auch ich, gaben ihre Sitzplätze auf, um direkt an der Streckenbegrenzung zu stehen und wenigstens ein kleines bisschen näher an der Action sein zu können.

Bei der Fahrerparade war den ganzen feiernden Fans und winkenden Fahrern noch nicht bewusst, was vor ihnen lag. Als die erste Startverschiebung bekannt gegeben wurde, ging nur ein ungehaltenes Brummeln durch die Ränge. Mit jeder weiteren Verschiebung schwoll das Brummeln an, Pfiffe und Buh-Rufe wurden laut. Und der Regen? Der kam weiterhin vom Himmel. Wenigstens eine Konstante an einem Tag, der ansonsten an Chaos nicht zu überbieten war.

Über die Lautsprecher folgte eine Ansage nach der anderen, Kommentatoren entschuldigten sich bei den Fans und dankten ihnen für ihr Durchhaltevermögen. Auch die Fahrer ließen es sich nicht nehmen, den Zuschauern an Start und Ziel zuzuwinken. Ja ja, die starken Fans, die gemütlich im Trockenen auf den Grandstands saßen. Mit jeder Minute des Wartens wuchs die innere Unruhe und eine Art Tunnelblick stellte sich bei mir ein, die Augen wanderten immer wieder zum Bildschirm, suchend, hoffend, dass es endlich Updates gab.

9 Stunden Warten für 2 Runden hinter dem Saftey Car

Formel 1 - Ferrari-Fahrer analysieren: Spa-Farce kostete Punkte: (01:46 Min.)

Aber die Rennleitung ließ uns an diesem Sonntag in Spa wortwörtlich im Regen stehen. Man sollte meinen, dass die ausgereiften Sensoren und Geräte einer Serie wie der Formel 1 gut genug sind, um genaue Wettervorhersagen abzugeben. An diesem Tag hätte aber auch die Apple Wetter App ausgereicht, um festzustellen, dass der Regen nicht aufhören wurde. Und so fingen wir an, uns Fragen zu stellen. Warum wurde das Rennen nicht im Voraus abgesagt? Warum wurden Unfälle wie die in der W Series oder im Qualifying billigend in Kauf genommen? Wieso verschiebt man einen Rennstart, um dann nach zwei Runden hinter dem Safety Car komplett abzubrechen und die Fans ohne jedes Update im Dunkeln zu lassen?

Die Freude über den Restart hielt nur kurz an, und nachdem die roten Lichter überall am Track nach zwei Runden wieder blinkten, gaben wir die Hoffnung auf und machten uns auf den Heimweg. Und was bleibt von meinem ersten Grand Prix Besuch als Zuschauer? Enttäuschung. Wut. Ohnmacht. Die FIA hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig ihnen die Fans sind - nämlich gar nicht. Ob ich auch nur einen Cent wiedererstattet bekomme oder anderweitig entschädigt werde, ist momentan noch unklar (in seinem Artikel verrät Euch Flo, was die Veranstalter zu einer möglichen Entschädigung für die Fans sagen). Klar ist aber, dass die Verantwortlichen wahre Psychospiele mit uns Fans getrieben haben. Neun Stunden im strömenden Regen, nach denen alle meine Gelenke rau wie Schmirgelpapier waren, haben sich wie der reinste Psychoterror angefühlt. Für was? Dafür, dass der Belgien Grand Prix 2021 offiziell als durchgeführt gelten darf.

Am Ende des Tages durfte George Russell sein erstes Podium in der Formel 1 feiern und keiner der Fahrer war in einen Unfall verwickelt, der bei den grauenhaften Bedingungen auf der Strecke sicherlich passiert wäre - dafür muss man dankbar sein.

Über die Autorin: Gigi ist Teil unseres Social Media Teams und sorgt unter anderem dafür, dass ihr auf Instagram stets über alle aktuellen Geschehnisse informiert seid oder auch einmal ein nettes Quiz vorfindet. Stammzuschauer unserer Talksendung MSM LIVE kennen sie zudem als Herrin der Chatfragen. In Spa besuchte sie zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen als Zuschauerin. Das Timing war unumstritten nicht unbedingt das Beste, aber immerhin erlebte sie live vor Ort mit, wie Formel-1-Geschichte geschrieben wurde. Nur ganz so viel #abwarten hatte sie wohl nicht erwartet.