"Du musst eins werden mit Deinem Auto. Du musst den Motor spüren, den Reifenabrieb fühlen und die Dirty Air des vorausfahrenden Boliden aerodynamisch effizient umfließen." Diese mystischen Worte könnte Flavio Briatore seinem spanischen Rohdiamanten Fernando Alonso im vergangenen Winter eingeimpft haben.

Nachdem der Spanier sich bereits zwei Rennen vor dem Saisonende letzten Endes überlegen seinen ersten WM-Titel sichern konnte, möchte man annehmen, dass Fernando diese Vorgabe seines Teamchefs bravourös verinnerlicht hat. Kein Wunder also, dass der Mann aus Oviedo sich mit seinem Weltmeisterwagen vom Typ R25 sehr viel verwachsener fühlt als mit seinem letztjährigen Arbeitsgerät; dem nur schwer abzustimmenden und leicht störrischen R24.

Es ist vollbracht: Fernando ist der jüngste Champion!, Foto: Sutton
Es ist vollbracht: Fernando ist der jüngste Champion!, Foto: Sutton

"Ich fühle mich mehr in das Auto integriert", sagt er. "Ich fahre seit 2002 für Renault und in jedem Jahr fühlte ich einige Fahrzeugcharakteristiken, die mir nicht lagen. Aber in diesem Jahr erreichte ich die Integration wie sie sein muss. Ich fühle mich jetzt wie ein Teil des Autos."

Da ist es nur logisch, dass der Mann aus Oviedo manchmal sogar mit seinem Arbeitsgerät leidet. "Manchmal tut einem das Auto sogar fast ein bisschen Leid", verrät der erste Weltmeister nach der Schumacher-Ära. "Zum Beispiel, wenn man so über die Randsteine räubern muss, dass das Auto mit zwei Rädern in der Luft ist. Aber manchmal, wenn es gut zu fahren ist, dann entsteht das perfekte Feeling zwischen dem Auto und einem selbst. Dass sind die Momente, in denen man eine schnellste Rennrunde der eine Pole Position fährt. Sie sind etwas ganz Besonderes!"

Aber auch Fernando selbst ist etwas ganz Besonderes. Schon vor Saisonbeginn stand fest, dass der Spanier das Salz in der Formel 1-Suppe 2005 werden sollte. Dabei mag der junge Spanier an sich gar kein Salz. "Ich koche immer ohne Salz, ich mag kein Salz", sagt er. Jedenfalls beim Essen. Denn der Konkurrenz versalzt der Mann aus der spanischen Universitätsstadt Oviedo gerne die WM-Suppe.

Fernando sind der Ruhm & der Rummel egal., Foto: Sutton
Fernando sind der Ruhm & der Rummel egal., Foto: Sutton

Seine eigene kleine Welt beruht auf vier Grundfesten: "Meine Oma, spanischer Schinken, Rennen fahren und Real Madrid – das sind die Eckpunkte meines Lebens."

Seine erste Saison bei Renault kann unterdessen ebenfalls auf vier wichtige Eckpfeiler festgelegt werden: Die erste Pole Position beim Großen Preis von Malaysia 2003, welche Alonso zum jüngsten Pole-Mann aller Zeiten machte, den heftigen Unfall in Interlagos, welchen Fernando glücklicherweise ohne größere Verletzungen überstand, seinen zweiten Platz beim Heimrennen in Barcelona, welcher den Anfang der unaufhaltsamen Alonso-Mania in Spanien darstellte, sowie natürlich den ersten Grand Prix Sieg beim Großen Preis von Ungarn, wodurch Alonso zum jüngsten GP-Sieger der F1-Geschichte wurde.

Und dieser "mit Abstand beste Tag" seines noch jungen Lebens sorgte dafür, dass Fernando Alonso höchstpersönlich einen seiner vier Lebens-Eckpunkte verdrängte – zumindest in der spanischen Presse und den Herzen der Fans: "Der spanische Sport ist nicht länger nur Fußball", schrieb El Mundo nach Fernandos Triumphfahrt auf dem Hungaroring. "Von jetzt an werden Kinder davon träumen, diesen jungen, freundlichen und disziplinierten Mann zu kopieren, der nicht raucht, nicht trinkt, Arroganz hasst und im Privatleben einen Renault Clio fährt."

Alonso ließ sich von der stärkeren Konkurrenz nicht einschüchtern., Foto: Sutton
Alonso ließ sich von der stärkeren Konkurrenz nicht einschüchtern., Foto: Sutton

Selbst hat der Renault-Fahrer jedoch "nie" davon geträumt es bis in die Königsklasse des Motorsports zu schaffen. "Ich war doch nicht so verblendet zu glauben, dass ich es bis in die Formel 1 schaffe", zeigt Fernando auch heute noch keinen Anflug von Größenwahn, wie ihn vielleicht so manch anderer Jungspund erlitten hätte, wenn er innerhalb weniger Jahre aus dem Kartsport zum "künftigen Weltmeisteraspiranten" und mittlerweile sogar zum jüngsten Weltmeister aller Zeiten gereift wäre.

Alonso ist auf dem Boden geblieben. Auch wenn er bereits in seinem zweiten Jahr als F1-Stammfahrer einen Grand Prix Sieg eingefahren hat. Als ein erreichtes "Ziel" wollte er das noch nicht abhaken. "Das Ergebnis stellte mit Sicherheit einen Meilenstein in meiner Karriere dar", so Fernando über seinen Erfolg in Ungarn. "Der erste Sieg bedeutet für jeden Formel 1-Fahrer etwas Besonderes. Mein eigentliches Ziel ist es aber, eines Tages Weltmeister zu werden." Und dieser Tag ist nun erreicht.

Als Zuschauer empfindet Fernando die F1 als langweilig., Foto: Sutton
Als Zuschauer empfindet Fernando die F1 als langweilig., Foto: Sutton

Seinen ersten Grand Prix sah der 24-jährige erst im Jahr 2000 im Fernsehen: "In Spanien ist die Formel 1 nicht sehr populär", verriet er uns noch vor der Saison 2003 und dem großen Aufschwung durch seine Erfolge. "Ich schaue die Formel 1 nicht im Fernsehen, solange ich nicht fahre finde ich es langweilig."

Mit dieser Meinung dürfte der Spanier gerade heutzutage nicht alleine dastehen. Aber ausgerechnet im Jahr 2002, als Ferrari die F1-Welt dominierte, musste sich Alonso alle Rennen im Fernsehen ansehen, da er nach seinem Debütjahr bei Minardi eine einjährige Auszeit als Renault-Testfahrer nahm, um dann 2003 als Teamkollege von Jarno Trulli in die Königsklasse zurückzukehren.

Seine Zeit als dritter Mann bei den Gelb-Blauen war für ihn natürlich nicht einfach. Schließlich möchte jeder Rennfahrer auch seiner Arbeitsbezeichnung gerecht werden und tatsächlich Rennen fahren. "Es ist für keinen Rennfahrer leicht die Rennen im Fernsehen zu schauen, es ist ein wenig frustrierend, doch am Ende war es ein positives Jahr für mich, weil ich sehr viel vom Team gelernt habe."

Der Spanier steht immer im Fokus der Medien., Foto: Sutton
Der Spanier steht immer im Fokus der Medien., Foto: Sutton

Doch egal wie viel Fernando Alonso bislang in seiner Motorsportkarriere schon erreicht und gelernt hat, die Bescheidenheit des jungen Spaniers kommt immer wieder zum Vorschein. Beispielsweise wenn er über seine Berufsauffassung spricht: "Es ist ein Job, aber es ist auch Leidenschaft. Denn man genießt es einen Wagen schnell zu fahren. Doch ich fühle mich nicht als Superstar weil ich Formel 1 fahre, ich bin eine normale Person", möchte der Renault-Pilot keinerlei Star-Rummel um seine Person haben. Spätestens nach seinem Titelgewinn wird dies in seiner Heimat aber ein unerfüllbarer Wunschtraum bleiben. Trotzdem sieht er sich nicht als etwas Besonderes: "Jemand der im Restaurant arbeitet muss einen sauberen Job machen und ich muss ein Auto schnell bewegen."

Das kann der Mann mit der Startnummer fünf besser als die meisten anderen in der weiten F1-Welt. Nur zugeben würde er dies sicherlich nicht. Den Blick für die reale Welt abseits des künstlichen F1-Paddock hat er aber dennoch bewahrt: "Ich glaube nicht, dass wir die besten Fahrer unserer Generation sind", urteilt Fernando über das aktuelle Fahrerfeld. "Die besten Fahrer unserer Generation sind nicht in der Formel 1. Ich dachte, dass ich mein ganzes Leben Kart fahren würde, hatte dann aber das Glück, 1999 einen Sponsor für die Formel Nissan zu finden. Ich schaffte also den Aufstieg von den Karts in die Monoposto. Ich realisiere nun, dass ich viel Glück gehabt habe und noch immer Glück habe."

Manchmal tut ihm sein Auto geradezu leid., Foto: Sutton
Manchmal tut ihm sein Auto geradezu leid., Foto: Sutton

Dieses Glück haben jedoch nur wenige der vielen jungen Talente. So gibt Alonso zu bedenken, dass er in seiner Kartzeit sicherlich gegen 15 bis 20 Fahrer angetreten sei, welche "besser als die aktuellen F1-Piloten" waren. Diese seien jedoch im Gegensatz zu ihm oder den 19 anderen F1-Piloten nicht in der Königsklasse des Motorsports gelandet. "Sie sind nicht in der Formel 1, weil sie kein Glück hatten."

Aber auch wenn man heute sehr viel Glück braucht um es bis in die Formel 1 zu schaffen und Fernando Alonso zusätzlich auch noch das Glück hatte, ein Jahr lang bei Renault als Testfahrer die Arbeitsweise eines Top-Teams zu erlernen, erinnert er trotzdem daran, dass ihn vor allem seine Kartzeit "geprägt" habe.

"Da ging es hoch und runter", entsinnt sich Fernando jener noch nicht allzu lange zurückliegenden Tage. "Manchmal lief es perfekt, ich hatte Siegsträhnen und hielt mich aus allen Schwierigkeiten raus. Dann wieder lief mir das Pech hinterher, ich hatte verpatzte Boxenstopps, Unfälle – und war doch derselbe Rennfahrer mit denselben Fähigkeiten." Diese Worte dürften jener Erfahrung ähneln, welche sein Titelrivale Kimi Räikkönen in diesem Jahr mit unzähligen technischen Defekten und einer schier beispiellosen Pechsträhne gemacht haben muss.

Die besagten Fähigkeiten von Fernando sind keinesfalls von schlechten Eltern. Er ist vielleicht sogar zu gut, da er gerne die Fehler oder Handlingprobleme des Autos mit einer unterbewussten Änderung seines Fahrstils kaschiert. "Ich habe schon immer gesagt, dass ich mir selbst keine Fragen stelle wenn ich fahre. Für mich ist es vollkommen natürlich ein F1-Auto zu fahren", so das spanische Naturtalent. "Manchmal kompensiere ich ein Problem am Auto damit, dass ich meine Fahrweise anpasse. Vielleicht muss ich lernen wie man noch mehr darauf eingeht was der Wagen macht."

Fernando Alonso - ein ganz normaler Typ., Foto: Sutton
Fernando Alonso - ein ganz normaler Typ., Foto: Sutton

Eine große Hilfe ist ihm dabei seine "vergrößerte Familie" von Renault, in welcher sein Manager Flavio Briatore das Zepter schwingt. Mit Jarno Trulli verlor Fernando jedoch im letzten Jahr einen guten Freund als Teamkollegen. "Wir kommen blendend miteinander aus. Jarno ist ein netter Kerl, er spielt keine Spielchen und ist voll auf´s Rennfahren konzentriert", sagt Fernando über den zu Toyota gewechselten Italiener. Und er ist auch "abseits der Formel 1 ein normaler Mensch", wie Fernando betont. Eine nicht alltägliche Sache in der F1Welt, denn in der Formel 1 ist "es schwer einen "normalen" Typen zu finden."

Fernando Alonso ist aber ein ganz normaler Typ. Ein ganz normaler Typ, der zufällig schnell Auto fahren kann und seit dem Großen Preis von Brasilien 2005 der jüngste Formel 1 Weltmeister der Geschichte ist.