Wie alt ist neu? Nach mittlerweile drei WM-Läufen auf der umgebauten Strecke dürfte Hockenheim eigentlich nicht mehr als "neu" gelten. Aber da sich die alte Streckenführung mit den endlosen Waldgeraden in der Erinnerung der Fans unauslöschlich eingegraben hat, wird der verkürzte Hockenheimring dieses Etikett wohl noch Jahrzehnte mit sich herumtragen. Selbst die größten Traditionalisten müssen jedoch einräumen, dass sich der vom Team des deutschen Architekten Hermann Tilke gezeichnete Kurs bislang immer als Garant für packende Zweikämpfe erwiesen hat.

Besonders die Spitzkehre am Ende der leicht gebogenen Geraden "Parabolika" besitzt mittlerweile den Ruf, der beste Punkt für Ausbremsmanöver im gesamten Formel 1-Kalender zu sein. Auch die Bremszone vor der Mercedes-Arena und die Einfahrt ins Motodrom nutzten die Grand Prix-Piloten in den vergangenen Jahren gerne für Angriffe auf ihre Vorderleute.

Im Motodrom herrscht immer euphorische Stimmung., Foto: Sutton
Im Motodrom herrscht immer euphorische Stimmung., Foto: Sutton

Daneben bezieht die Strecke nach wie vor großen Reiz aus den widersprüchlichen Setup-Anforderungen für die schnellen Passagen und das langsame Motodrom. Auch wenn dieser Spagat nicht mehr so groß wie auf der alten Strecke ist, fahren die Teams noch mit mittlerem Abtriebsniveau, um auf der Geraden überholen oder ihre Position verteidigen zu können. Wegen der relativ flach gestellten Flügel rutschen die Autos in der Stadion-Sektion zur Freude der Fans deutlich mehr als in der modernen Formel 1 üblich und eröffnen Raum für Attacken.

Schumacher-Festspiele im Motodrom

Die Skepsis nach dem Umbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke ist also verflogen – der neue Kurs von Hockenheim gilt nach seinem Umbau als Garant für packende Rennverläufe. Dies liegt vor allem an der großen Bandbreite verschiedenartiger Kurven. Die superschnelle Gerade – die gemäß ihrem Namen "Parabolika" jedoch einen leichten Bogen beschreibt – endet in einer Spitzkehre, die wegen der großen Fahrbahnbreite zu Ausbremsmanövern einlädt und unterschiedliche Linien erlaubt. Die anschließenden Kurvenkombinationen sind ein Augenschmaus für die Zuschauer der vorgelagerten Mercedes-Tribüne, und das dann folgende Motodrom hat nichts von seiner Faszination eingebüßt.

In der "Stadion"-Sektion des Kurses – eingerahmt von hohen und zum Grand Prix immer voll besetzten Tribünen – müssen die Piloten zur Freude der Fans mit geringem Grip kämpfen, da in Hockenheim nach wie vor mit wenig aerodynamischem Abtrieb gefahren wird.

Nie mehr in den Wald

Auch das Motodrom wurde erneuert., Foto: Sutton
Auch das Motodrom wurde erneuert., Foto: Sutton

Die Grand Prix-Strecke im Badischen lebte bis ins Jahr 2002 von ihren Kontrasten, die größer kaum sein konnten: Auf der einen Seite das berühmt-berüchtigte stadionähnliche Motodrom mit seinen engen Kurven, in welchem sich der Großteil der Fans befindet, und auf der anderen Seite die ehemals langen Waldgeraden, welche durch Schikanen und den Wendepunkt Ostkurve unterbrochen waren. Doch nach den vom Aachener Paradestreckenarchitekten Hermann Tilke durchgeführten Umbauarbeiten und der Verkürzung des einst gut 6,8 Kilometer langen Kurses auf nur noch 4,489 Kilometer Länge sieht dies am mittlerweile in Hockenheimring Baden-Württemberg umbenannten Kurs vollkommen anders aus...

So entwarf Tilke einen um 2.326 Meter kürzeren und aus seiner Sicht abwechselungsreicheren Kurs, der den Charakter der alten Strecke als High-Speed-Rennen zwar noch erhalten sollte, dies aber natürlich nicht in gleichem Maße wiedergeben kann wie dies früher der Fall gewesen ist.

Der aktuelle Kurs führt nun nach dem Verlassen des Motodroms nicht wie früher gewohnt auf die erste der langen Waldgeraden, sondern biegt kurz hinter der Einfahrt in die Querspange nach rechts ab und führt in einem leichten Bogen durch den Wald, um auf Höhe der alten Senna-Schikane auf den alten Circuit zu treffen.

Wen die Fans auf der Mercedes-Tribüne unterstützen dürfte klar sein., Foto: Sutton
Wen die Fans auf der Mercedes-Tribüne unterstützen dürfte klar sein., Foto: Sutton

Gehörte der Hockenheimring bis ins Jahr 2001 noch zu den schnellsten Strecken des F1-Kalenders, so ist der neue Kurs mittlerweile bei den langsamsten Strecken der F1-Welt einzuordnen. Statt der Motorenpower und wenig Abtrieb auf den langen Geraden durch den Wald ist nun ein gutes Kurven-Verhalten gefragt, weswegen der Setupkompromiss zwischen viel Abtrieb im Motodrom und wenig Downforce auf den Geraden weniger ins Gewicht fällt...

Die Streckengeschichte

Der Hockenheimring wurde im Jahre 1932 als zwölf Kilometer langer Dreieckskurs erbaut, da die Stadtväter von Karlsruhe Waldparkrennen verboten und sich die Motorsportfreunde somit einen neuen Rennort suchen mussten Diese war vorerst aber aus Kostengründen noch nicht asphaltiert. Am 29. Mai 1932 wurde als Eröffnungsveranstaltung auf dem damaligen Dreieckskurs das erste Motorradrennen gestartet.

Seine über Jahrzehnte hinweg charakteristische Ovalform erhielt der damals Kurpfalzring getaufte Kurs allerdings erst im Jahre 1938. Erst Mitte der 60er Jahre wurde dann das weltberühmte Motodrom gebaut, welches auch den Grundstein für das 1970 mit einer Länge von 6,786 Kilometern erfolgte F1-Debüt darstellte. Dieses konnte Jochen Rindt für sich entscheiden. Später wurden dann noch die aus dem alten Streckenlayout bekannten Schikanen eingefügt respektive diese immer wieder, wie etwa die Ostkurve, modifiziert, bevor die Strecke für das Jahr 2002 komplett umgebaut und für den heutigen Verlauf radikal verkürzt sowie verändert wurde.

So sieht das neue Layout des Hockenheimrings aus., Foto: Sutton
So sieht das neue Layout des Hockenheimrings aus., Foto: Sutton

Was die Experten über Hockenheim sagen

Der Fahrer - Ralf Schumacher: "Hockenheim ist für BMW und für mich als deutschen Fahrer natürlich ein großer Aufschlag. Wir haben dort schon erstklassige Resultate erzielt. Für meinen Geschmack hat die Strecke durch den radikalen Umbau gewonnen. Seit 2002 sind die langen Waldgeraden verschwunden. Für unseren BMW Motor waren sie das Paradies, ich habe sie aber nie besonders gemocht. Das neue Layout ist viel besser für die Zuschauer. Vor der Haarnadelkurve gibt es eine gute Überholmöglichkeit, und die Kurven im Innenraum haben einen guten Rhythmus."

Der Techniker - Sam Michael: "Langsame und mittelschnelle Kurven dominieren das Set-up. Außerdem ist die Traktion wichtig. Hockenheim ist ein gutes Terrain zum Überholen, vor allem die lange Gerade zwischen den Kurven zwei und drei verspricht Spannung. Der Reifenverschleiß kann groß sein, die richtige Wahl ist sehr wichtig."

Der Motorenmann - Mario Theissen: "Hockenheim war bis einschließlich 2001 ein Eldorado für starke Motoren. Seit die langen Wald-geraden verschwunden sind, liegen die Anforderungen an den BMW P84/5 Motor im oberen Drittel."