Quo vadis Formel 1? Diese Frage hält die Königsklasse in den vergangenen Monaten auf Trab. Einmal geht es um eine kleine Regel-Revolution schon 2019, dann soll 2021 der Hammerschlag folgen, die F1-Autos grundlegend umgekrempelt werden.

Das Ziel vor allem: Einfluss von Dirty Air beschränken, besseres Racing ermöglichen, auch wenn der absolute Speed nach den jüngsten Rekordjagden damit wieder etwas zurückgeht. Noch dazu soll die Formel 1 auch optisch (noch mehr) ein Knüller werden.

Ferrari: Konzepte enttäuschend, wie altes Champ Car

"Es frustriert mich, wenn die Autos im Videospiel besser aussehen als die, die wir auf der Strecke haben. Für mich ist die Ästhetik sehr wichtig", sagte F1-Sportchef Ross Brawn jüngst am Rand des Singapur GP. Dort hatte der Brite im Rahmen des Wochenendes in einer nach einem Leak schnell einberufenen PK, der auch Motorsport-Magazin.com aufmerksam lauschte, erste Bilder des aktuellen Konzept-Boliden für 2021 und der Entwicklung dorthin präsentiert.

Die Reaktionen auf die Konzepte? Verhalten. "Ich habe die Autos, die Ross vor ein paar Tagen präsentiert hat, angesehen. Ich habe unsere Ingenieure gefragt, was sie darüber denken. Sie sagten, es sei ihrer Meinung nach etwas enttäuschend und würde aussehen wie ein altes Champ Car. Das ist ein gutes Beispiel", kommentiert Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene in Singapur.

Sieht die Formel 1 2021 überhaupt wirklich so aus?

Ein gutes Beispiel dafür, dass man experimentieren muss, diskutieren muss. "Das Ziel von allen ist, Geld zu sparen, die Kosten zu reduzieren. Die Frage ist nicht das Was, die Frage ist das Wie. Wie wollen wir das machen? Wie wollen wir die F1 als Königsklasse des Motorsports halten? Wie wollen wir damit weitermachen, Autos zu entwickeln, die für die Öffentlichkeit schön sind? Jeder geht da seinen Weg, aber ich denke, dass wir am Ende die Lösung finden können", gibt sich der Italiener jedoch optimistisch, dass Formel 1, FIA und Teams gemeinsam noch ordentlich justieren können.

Ohnehin sollte man die präsentierten Bilder nicht allzu ernst nehmen, ergänzt Force Indias Technikchef Andrew Green. "Es sind nur Konzepte, Zeichnungen. Es sind nur künstlerische Impressionen davon, wie die Autos aussehen könnten", so der Brite mit starker Betonung auf dem letzten Wort. "Ich weiß ehrlich gesagt nicht für welche Richtung sie pushen. Ich habe nur kurz einen Schnappschuss von einem Bild erhascht. Das kam voll und ganz von der F1-Gruppe. Ich nähere mich dem lieber von technischer Seite, ich bin nicht am Styling interessiert."

Performance geht für F1-Teams immer vor Optik

Am Ende gehe es ihm - und auch allen anderen Teams - letztlich doch nur um Performance. Deshalb würden die Ingenieure ganz klar alles ändern, was sie innerhalb der noch zu veröffentlichen Regeln können. "Es wird überhaupt nicht so aussehen wie das, was sie gemalt haben", meint Green in Singapur. "Das Auto, das in der Startaufstellung vorne steht, ist für gewöhnlich das am besten aussehende Auto, egal wie es aussieht."

So sah das erste Konzept für 2021 aus, Foto: FOM
So sah das erste Konzept für 2021 aus, Foto: FOM

Das klingt zumindest potentiell nach deutlich größerem Optik-Drama als dem Champ-Car-Vergleich aus Maranello - zumal einige F1-Experten das sogar eher als Lob verstanden. Die Befürchtung: Für Performance tut ein Ingenieur alles. Egal wie es aussieht. "Dass die Autos anders aussehen könnten als sollten? Die Stufennasen sind da ein gutes Beispiel", konkretisiert Renaults Marcin Budkowski. "Ja, es ist schwierig. Ich war ja auf der anderen Seite. Auf der, die die Regeln schrieb. Es ist manchmal unfassbar schwierig, das richtig hinzubekommen. Aber jetzt ist das nicht mehr mein Problem!", so der ehemalige FIA-Technikchef.

Formel 1, FIA & Teams in engem Austausch

"Mein Problem ist, das wir einen Beitrag zu diesen Regeln leisten und wollen, dass sie so gut wie möglich werden. Deshalb beteiligen wir uns da", so der Pole. "Wir tragen auch zu diesen Regeln bei, indem wir Aero-Forschung für sie übernehmen." Damit zielt Budkowski auf die intensiven Kooperationen zwischen FIA, Formel 1 und Teams mit Blick auf die Simulationen für 2021. Wer hilft, bekam dafür zusätzliche Windkanal-Stunden zugestanden.

Welche Bilder Brawn genau präsentiert hatte, hatte Budkowski in Singapur dabei gar nicht mitbekommen. Was nur Greens Hinweis bestätigt, dass die Formel 1 letzten Endes 2021 nicht so aussehen muss. Viel wichtiger ist Budkowski für die Formel 1 als Sport insgesamt ohnehin, dass jetzt noch weiter geforscht wird. "Wir befinden uns in Gesprächen mit der Formel 1 und der FIA was diese Regeln angeht. Sie unterrichten uns regelmäßig wie sie mit der Arbeit vorankommen."

So läuft die Entwicklung für Formel-1-Autos 2021

Doch wie genau funktioniert diese Konzeptions- und Forschungsfrage zwischen Formel 1, FIA und Teams (freiwillige Beteiligung?). Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com gewährt Budkowski spannende Einblicke. "Wir geben ihnen Daten, mit denen sie mit ihrem Modell Simulationen vornehmen können. Sie kommen dann mit Ideen, wie man die Folgen (Dirty Air etc., Anm. d. Red.) in der Theorie verbessern kann", berichtet der Pole.

"Das Problem ist, dass etwas, das mit unserem Auto funktioniert, aber nicht mit beispielsweise einem Mercedes oder Ferrari. Sie haben deshalb ein Konzept, das aus dem Modell, das sie nutzen, entsteht, und geben es dann ein paar Teams mit der Bitte, es zu testen und zu checken, ob sie das gleiche Ergebnis bekommen", schildert Budkowski weiter. Genau das war Brawn zufolge bis dato in hohem Maß der Fall.

Zwischenschritt 2019 nur mit Mini-Wirkung?

Bei alldem geht es jedoch keinesfalls um direkte Modelle für 2021. Getestet wird an den aktuellen Boliden. "Sie können uns nicht genau das geben, wie das Auto 2021 aussehen wird. Denn dann würde schon jeder beginnen, daran zu arbeiten", erklärt Budkowski. Genauso sei es schon bei den Regeln für 2019 gewesen - wobei Renault selbst hier nicht den großen Effekt beobachtet habe wie manch anderes Team.

Red Bull, Ferrari & Mercedes: Sind die Teams 2021 überhaupt noch dabei?, Foto: FOM
Red Bull, Ferrari & Mercedes: Sind die Teams 2021 überhaupt noch dabei?, Foto: FOM

"Für uns war der Unterschied mit den neuen Regeln nächstes Jahr aber ehrlich gesagt nicht groß genug. Aber auf der Basis von den Ergebnissen aller Teams haben sie entscheiden, dass es schon eine Verbesserung ist. Aber mein Eindruck ist, dass es nur klein ausfällt", so Budkowski zu Motorsport-Magazin.com.

Ex-FIA-Mann: Teams trotz Eigeninteressen unbedingt einbeziehen

"Die ersten Daten zeigten, dass es einen Unterschied von einem Umfang macht, den die Ingenieure mit viel Entwicklung vielleicht wieder aufholen können. Es wird aber schon einen Unterschied für den Luftstrom machen, damit die Autos einander besser folgen können. Aber wir sind nicht ganz davon überzeugt. Hoffen wir einfach, dass es der Fall sein wird. Das wäre gut für den Sport. Aber wir hatten eben unsere Zweifel und haben die Änderung deshalb nicht unterstützt. Aber die Mehrheit hat es."

Insgesamt versucht die Formel 1 - so unvollstellbar es klingen mag - für den Sport an einem Strang zu ziehen wie fast nie zuvor. "Irgendwann werden die Regeln veröffentlicht und dann geht es darum, wer sie am besten nutzt. Aber gerade ist unsere Absicht einfach nur, technisch und finanziell die bestmöglichen Regeln für den Sport zu machen", sagt Budkowski. "Das ist der Vorteil, wenn du es so früh angehst. Dann kannst du weniger von eigenen Interessen geleitet machen und visionärer für den ganzen Sport daran herangehen."

Wettkampfmodus kommt früh genug

Nur so können man auch die Teams einbeziehen - was für den ehemaligen FIA-Mann aus eigenen Erfahrung unbedingt nötig sei, da die FIA und Formel 1 allein am Schreibtisch gar nicht über die Manpower verfügten, wirklich alles zu beachten. "Du kannst dich nicht voll auf die Teams verlassen, denn sie sind von Eigeninteresse geleitet. Aber du brauchst eine Mischung, musst nur zum Teil unabhängig sein. Sie gar nicht einzubeziehen, ist ein Risiko. Sie gar nicht einzubeziehen, wäre schade. Aber wie in der Vergangenheit nur auf sie zu bauen ist falsch", sagt Budkowski.

Irgendwann würde der Hebel dann eben umgelegt. Aber noch nicht. Budkowski: "Wenn du der Deadline dann näher kommst schaut dann jeder mehr auf den anderen. Dann heißt es "Sollte ich das sagen oder lieber nicht?" Aber gerade sind wir in der Phase sehr guter und offener Zusammenarbeit. Die wird sicher noch bis zu einem bestimmten Punkt im kommenden Jahr anhalten."

Oder doch schon früher? "Es wäre gut möglich, bis Ende 2019 ein Regelwerk zu schreiben", wirft Force-Indias Green ein. "Es kommt darauf an, ob sie die dahinter stehende Forschung weiterführen möchten, um mehr über die Richtung herauszufinden, die sie einschlagen möchten, und das zu unterfüttern." Green würde dazu raten - auch von mancher Seite bereits Druck gemacht wird. "Das Konzept einzufrieren und zu beginnen, Regularien zu schreiben heißt, dass sie es sehr bald einfrieren müssten und ich weiß nicht, ob das vielleicht zu früh ist."