Frankreich - Ein Land voller langnasiger Schauspieler, Zaubertrank trinkender Gallier, maroder Leitungen und dem langweiligsten Grand Prix Austragungsort der F1-Welt?

Zumindest wenn es nach der Presseabteilung von Red Bull Racing - und einigen zustimmend nickenden Kollegen sowie Leidensgenossen - geht, dann treffen all diese Klischees auch zu. Jenes von der sterilen und uninteressanten Formel 1, wird hingegen von den roten Bullen torpediert. So auch vor dem nächsten Rennen im Home of British Motorsport

Red Bull Racing über den Großbritannien GP

In Silverstone gibt es gerne typisch britisches Wetter., Foto: Sutton
In Silverstone gibt es gerne typisch britisches Wetter., Foto: Sutton

Ein Wochenende in Silverstone zeigt perfekt, weshalb das Wetter für die Briten eine so unglaublich wichtige Rolle spielt. Selbst im Hochsommer ist es oft unberechenbar. Gerüchten zufolge komponierte Vivaldi "Die vier Jahreszeiten" während eines Tagesausflugs nach Dover – im Juli… Wenn das Wetter gut ist, ist die Stimmung in Silverstone normalerweise fantastisch – stürmisch feuern die Massen auf den Tribünen unseren DC und diesen Knaben Jenson an. Heutzutage treten die Fans wesentlich zivilisierter auf als ihre mit "Nigel Mansellmania" infizierten Vorgänger, die in der Schlussrunde die Piste stürmten. Die dachten, die Farben des "Union Jack" sei von ihren Shorts übernommen worden – das es eventuell umgekehrt sein könnte, kam ihnen gar nicht erst in den Sinn.

Glaubt nur nicht, ihr seid versehentlich auf eine Party geraten, auf der schrullige Klamotten getragen werden sollen, wenn ihr in Silverstone plötzlich Pfeife rauchende Männer mit Filzhüten auf dem Kopf umherspazieren seht – für einige Leute in England ist das unverändert die korrekte Kleidung beim Besuch eines Automobilrennens. Selbst unser Christian Horner ist für die alten braunen Haferlschuhe, die Manchesterhosen und ein Tweed-Jacket, das möglicherweise bereits sein Großvater trug, bekannt. Ja, man befindet man sich nicht in Britannien, sondern in England. Silverstone liegt weit entfernt von Schottland, Wales und dem kleinen irischen Zipfel, der zu Großbritannien gehört. Unser David Coulthard ist sich dessen voll bewusst, denn wenn ihm ein guter Auftritt gelingt, dann bezeichnet ihn der Streckensprecher als Briten. Klappt es bei ihm einmal nicht so gut, wird er prompt als Schotte tituliert.

Ein typischer Bewohner der grünen Insel?, Foto: Sutton
Ein typischer Bewohner der grünen Insel?, Foto: Sutton

Man merkt auch daran, dass man sich in England befindet, weil sich die Suche nach einer ansprechenden Mahlzeit als Problem erweisen kann. Der Schriftsteller Somerset Maugham sagte einmal, dass man dreimal am Tag frühstücken müsse, wenn man in England kulinarisch über die Runden kommen will. Wenn man einige der hier servierten Gerichte wiederzuerkennen glaubt, dann liegt das daran, dass in England scheinbar die Mahlzeiten aller weltweit operierenden Airlines nachgekocht werden – und manchmal werden auch Erinnerungen an die Speisen wach, die man in der Schule unter Zwang zu sich nehmen musste. Stolz sind die Engländer darauf, dass angeblich sie es sind, die es am besten verstehen, Tee zuzubereiten. Die übrige Menschheit lässt sie gern in diesem Glauben, denn wer Tee trinken will, muss eigentlich nicht mehr können, als Wasser zu kochen.

Das Merkwürdige am Motorsport in Großbritannien ist die Tatsache, dass die Briten diese Sportart einigermaßen beherrschen – mehr Bewohner dieser Inseln haben den F1-Weltmeistertitel gewonnen als Angehörige irgendeiner anderen Nation. Damit unterscheidet sich der Motorsport von allen anderen Sportarten, die die Briten der übrigen Welt beibrachten, als der Union Jack noch auf allen Kontinenten wehte. Die Folge: Schon frühzeitig begannen die ehemaligen Schüler, ihren Lehrern kräftig eins auf die Ohren zu geben. Die Heimat des Cricket heißt Lords – aber wenn England heutzutage bei einem fünftägigen internationalen Turnier am Abend des ersten Tages immer noch Siegchancen hat, dann ist das eher ein Anlass nach Lourdes zu pilgern.

Zu den Silverstone-Highlights zählt ganz sicherlich der Grand Prix-Ball. Dann wird die ehrenwerte Schule von Stowe, dort lernen die Kinder der oberen 10.000, gezwungen, ihre Pforten zu öffnen und das F1-Gesindel einzulassen. Das bedankt sich für die Freundlichkeit, indem man sich in allen Ecken und Winkeln übergibt, nachdem man zuvor eine der wenigen genießbaren Mahlzeiten dieses Weekend verschlang. Diese, von allen so sehr geschätzte, Fress- und Sauf-Orgie muss als Beispiel dafür angesehen werden, dass in Großbritannien die klassenlose Gesellschaft Realität ist.