Was haben wir in der Heimat des britischen Motorsports, in der Höhle der sechs in Großbritannien beheimateten Formel 1 Teams, nicht schon alles erlebt? Spannende Rennen, hochdramatische Rennen, verrückte Priester, die mit noch verrückteren Handzetteln über die Strecke spurten, oder typisch britisches Wetter, welches die Meteorologen der Teams linkte und damit im letzten Jahr für eine Qualifying-Farce sorgte, die beinahe noch peinlicher als das Indy-Debakel war.

Nichtsdestotrotz boomt der Grand Prix auf der Traditionsrennstrecke, die 1950 den aller ersten Formel 1 GP der Geschichte sah, wie nie zuvor. Das Haus ist bereits seit Wochen ausverkauft und selbst die schlechte Verkehrsanbindung und die matschigen Parkplätze können Bernie Ecclestone momentan nicht davon abhalten wieder in Silverstone zu fahren - auch wenn er dies vor einem Jahr gerne noch gelassen hätte.

Renault: Von Heimsieg zu Heimsieg?

Fünf. Muss Fernando am Sonntag mit beiden Händen jubeln?, Foto: Sutton
Fünf. Muss Fernando am Sonntag mit beiden Händen jubeln?, Foto: Sutton

Auch wenn der wahre Heim-GP des Renault Teams natürlich am letzten Wochenende in Magny Cours stattfand, und die Franzosen dabei bekanntermaßen äußerst erfolgreich abschnitten, wartet schon am kommenden Wochenende das nächste Heimrennen für die Gelb-Blauen. Schließlich ist das Team, wie noch zu alten Benetton-Tagen, im britischen Enstone beheimatet. Nur die Motoren werden aus der Motorenschmiede in Viry-Châtillon geliefert. Doch trotz des zweiten Heimrennens innerhalb einer Woche geben sich die Schützlinge von Flavio Briatore momentan noch zurückhaltend. WM-Spitzenreiter Fernando Alonso spricht sogar davon, dass die Strecke dem Wagen nicht so sehr liege und schon ein Podestplatz ein gutes Ergebnis wäre. Einen weiteren Triumph würden er und sein Team aber wohl ebenso wenig ablehnen wie der bisherige Pechvogel des Jahres Giancarlo Fisichella.

McLaren: Von der Aufholjagd zum Heimsieg?

Viel mehr als Renault traut die Konkurrenz vor dem Silverstone GP McLaren Mercedes zu. Denn obwohl Ron Dennis versucht die Erwartungen etwas zu drücken, gelten die Silbernen vor ihrem Heimrennen als klare Favoriten. Zum einen natürlich weil sie auch in Frankreich das eindeutig beste Auto zur Verfügung hatten und Kimi Räikkönen im Qualifying mit schwerem Fahrzeug eine Wahnsinnsrunde in den Asphalt brannte. Zum anderen weil die Silberpfeile schon bei den letzten Tests in Silverstone zeigten, dass der Aerodynamikkurs ihrem MP4-20 sehr gut liegt. Neben dem finnischen WM-Zweiten brennt allerdings auch Juan Pablo Montoya auf seinen ersten Sieg in Silber. Denn diesen wähnt er nicht erst seit Magny-Cours "um die Ecke".

Ferrari: Von der Enttäuschung zur Erlösung?

Die Roten müssen noch mehr zulegen., Foto: Sutton
Die Roten müssen noch mehr zulegen., Foto: Sutton

Nicht mehr und nicht weniger als den Kampf um den Sieg hatten sich Michael Schumacher und Ferrari am Freitagabend in Frankreich vorgenommen. Am Ende mussten die Roten dann zufrieden sein Rang drei und damit den dritten Podestplatz in Folge erkämpft zu haben. Auf der Jagd nach Renault und McLaren war Michael Schumacher allerdings macht- und chancenlos. Und obwohl die Italiener in dieser Woche wieder einmal als einziges Team in Fiorano und Monza testeten, dürften sich ihre Chancen auch auf der grünen Insel nicht verbessern. Somit sollte eine Podestplatzierung für Michael Schumacher und Rubens Barrichello als das Maximalziel angesehen werden. Allerdings besteht in Silverstone natürlich immer eine Möglichkeit auf typisch britisches Wetter - und das erste Regenrennen der Saison könnte die Balance schnell wieder ins Wanken bringen und alles zu Gunsten von Ferrari drehen.

Toyota: Vom vierten auf den dritten Platz?

Die Weiß-Roten aus Köln-Marsdorf waren die Überraschung der ersten Saisonhälfte. Damit geben sie sich jedoch noch lange nicht zufrieden. Für Mike Gascoyne steht fest, dass man bis zum Saisonende nicht nur weitere Podestplätze und vielleicht sogar den ersten Sieg einfahren möchte, sondern auch, dass man Ferrari in der Konstrukteurswertung schlagen und Rang drei in Beschlag nehmen möchte. In Silverstone erhoffen sich Ralf Schumacher und Jarno Trulli aber vorerst nur einmal eine weitere Punkteankunft. Während die letzten Qualifying-Leistungen mehr versprachen, lässt die Rennperformance von Magny-Cours den Schluss zu, dass die Japaner mit WM-Zählern zufrieden sein sollten.

Williams: Vom Tiefpunkt zum Aufwärtstrend?

Auch für Williams steht der Heim-GP an., Foto: Sutton
Auch für Williams steht der Heim-GP an., Foto: Sutton

Eigentlich sollte das neue Aerodynamikpaket den Weiß-Blauen in Frankreich Flügel verleihen und sie weiter in Richtung der Top-Teams befördern. Stattdessen verkehrte sich die Situation ins Gegenteil und Mark Webber und Nick Heidfeld fanden sich in Gesellschaft der Jordan und Red Bull wieder. Angesichts der kurzen testlosen Zeit zwischen den WM-Läufen zehn und elf, dürfte sich an dieser Situation auch in Silverstone nicht allzu viel ändern. Die Hoffnung auf ein besseres Abschneiden beim Heimrennen bleibt aber dennoch bestehen. Selbst da sie nicht sehr realistisch ist.

Red Bull: Vom verlängerten Schotten

Nicht mit neuen Teilen, sondern mit einem neuen Vertrag im Gepäck reist David Coulthard zu seinem Quasi-Heim-GP nach Silverstone. Ob er nach den zuletzt eher durchwachsenen Leistungen seines Teams zwischen Kanada und Frankreich in Großbritannien auf eine Verbesserung hoffen darf, bleibt derweil zu bezweifeln. Denn zuletzt waren die beiden dunkelblauen Boliden nicht zu mehr als vielleicht ein paar Pünktchen gut. Und selbst diese lagen in Magny-Cours außer Reichweite.

Sauber: Vom stetigen Aufwärtstrend

Felipe möchte seinen Ausfall wieder gut machen., Foto: Sutton
Felipe möchte seinen Ausfall wieder gut machen., Foto: Sutton

Im letzten Jahr führte Sauber genau zum Rennen in Silverstone ein neues Aerodynamikpaket ein, von welchem das Team in Verlaufe des restlichen Jahres stark profitieren sollte. Schließlich war man erstmals seit Jahren dazu in der Lage bei jedem Rennen neue Teile mitzubringen und sich kontinuierlich zu verbessern. Nach der starken Leistung von Magny-Cours, die gut und gerne noch mehr als nur einen Punkt für Jacques Villeneuve hätte einbringen können, hoffen die Hinwiler nun natürlich auch beim zweiten Rennen ihrer Abschiedstournee als Schweizer Privatteam auf eine gute Vorstellung sowie weitere WM-Zähler. Der zuletzt gezeigte Aufwärtstrend lässt diese Möglichkeit zumindest offen.

Jordan: Vom immer wieder verschobenen Motorendeal

Bereits in Indianapolis wollte das Jordan Team seinen neuen respektive alten Motorenpartner für die kommende Saison als MidlandF1 bekannt gegeben. Seitdem ist jedoch nichts geschehen. Jedenfalls auf dem Motorensektor. Denn auf dem Chassissektor testete man erstmals den generalüberholten EJ15B. Aber auch dieser kam bislang nur unter Test- und Trainingsbedingungen zum Einsatz. Etliche Kinderkrankheiten sorgten für eine Verschiebung des Debüts auf Hockenheim. Entsprechend wird auch am kommenden Wochenende nur Robert Doornbos in den beiden Freitagstrainings im neuen Wagen sitzen. Die beiden Stammfahrer hoffen derweil in ihrem zuverlässigen EJ15 vor den vielen heimischen Fans über die Ziellinie zu fahren. Mehr als das, dürfen sie sich aber unter normalen Bedingungen nicht erwarten.

Der Kampf gegen Jordan geht weiter., Foto: Sutton
Der Kampf gegen Jordan geht weiter., Foto: Sutton

Minardi: Vom Präsidenten zum Rücktritt

Obwohl Minardi in den letzten Wochen auch auf der Strecke einige Akzente setzen und Jordan ein ums andere Mal unter Druck setzen konnte, schrieben die Mannen rund um Paul Stoddart hauptsächlich wegen ihres charismatischen Teambosses Schlagzeilen. Der Hauptgrund für die Wortmeldungen des Australiers waren hierbei die Probleme der Michelin-Teams sowie Rücktrittsforderungen in Richtung von FIA-Präsident Max Mosley. Und mit diesen dürfte er die Presse wohl auch am kommenden Rennwochenende wieder beglücken. Besonders nachdem Mosley mittlerweile nicht nur von Stoddart, sondern auch von den Michelin-Teams, Michelin, den Privatteams, den Herstellern, der GPDA und großen Teilen der Fans und Medien kritisiert wird.

B·A·R: Von den ersten Punkten zum ersten Podium?

Seit letztem Sonntag hat British American Racing endlich seine ersten WM-Zähler des Jahres eingefahren. Und obwohl Jenson Button seinem Heimrennen vorsichtig entgegen blickt und sich dabei nicht mehr als einen weiteren Podestplatz wünscht, denkt sein Teamboss Nick Fry schon wieder daran in dieser Saison noch das große Ziel des ersten GP-Sieges in Angriff nehmen zu können. In Silverstone sollten die Weißen aus Brackley allerdings mit einer Wiederholung der Leistung von Magny-Cours zufrieden sein.