Mercedes vs. Ferrari: Die Teamorder im Vergleich (10:43 Min.)

"Ich wäre der Erste, der sich ins Knie schießen würde." Diese leicht martialische Aussage tätigte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff nach dem Ungarn GP, als er darauf angesprochen wurde, ob die drei Punkte, die Lewis Hamilton durch die Rückgabe seines dritten Platzes an Valtteri Bottas verlor, die WM entscheiden könnten. Ausgeschlossen ist ein solches Szenario nicht, kurzfristig hat sich Mercedes durch diese Aktion aber Sympathien verschafft.

Teamorder war ein wichtiges Thema in dieser ersten Saisonhälfte. Kein Wunder, gab es einen echten WM-Kampf zwischen zwei Teams schon eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr. Doch Ferrari war von Saisonbeginn an sofort zur Stelle und liefert den Silberpfeilen seither ein enges Duell. In der Formel 1 fahren für ein Team immer jeweils zwei Fahrer, die teamintern theoretisch über dieselben Chancen verfügen sollten. Im Motorsport jedoch allgemein und in der Formel 1 im Besonderen trifft das nur dann zu, wenn ein Team allein die WM dominiert - wie Mercedes in den letzten drei Jahren.

Stallorder bei Ferrari bestens bekannt

Kommt es aber zu einem Kampf mit anderen Teams, muss man sich - je weiter die WM fortschreitet - oftmals entscheiden, wer die größeren Chancen hat. Dafür gibt es zwei Optionen: Man bewertet den Saisonverlauf, wie er sich entwickelt. Oder man legt es bereits vor Saisonbeginn fest. Ferrari ist durchaus dafür bekannt, sich sehr früh auf eine Nummer eins festzulegen und dann auch entsprechend zu handeln. Das war zu Zeiten von Michael Schumacher genauso wie zu Zeiten Fernando Alonsos oder in diesem Jahr mit Sebastian Vettel.

Schon vor der Saison konnte man an einen echten Kampf zwischen Vettel und Kimi Räikkönen kaum glauben. Als der Deutsche dann auch noch zwei der ersten drei Rennen gewann und der Finne nicht einmal auf das Podium kam, war der Sachverhalt recht schnell klar.

In Ungarn dann der emotionale Höhepunkt. Vettel führt, kämpft aber mit einem schiefen Lenkrad und kann deshalb nicht seine beste Performance zeigen. Räikkönen dahinter ist deutlich schneller, darf aber nicht überholen. Nicht auf der Strecke, nicht in der Box. Stattdessen soll er die Mercedes hinter sich halten und Vettel somit Geleitschutz geben. Der Plan geht mit dem Doppelsieg vollends auf, doch Ferrari erntet (wiederholt) Kritik, weil sie den Sport dem Erfolg opfern.

Sebastian Vettel und sein Abschirmdienst Kimi Räikkönen, Foto: Sutton
Sebastian Vettel und sein Abschirmdienst Kimi Räikkönen, Foto: Sutton

Bei Mercedes sieht das etwas anders aus. Die Silberpfeile hätten durchaus einen Kracher verpflichten können als Nachfolger für Nico Rosberg. Mit Valtteri Bottas entschied man sich - so kommunizierte es Toto Wolff selbst - für die atmosphärisch sicherste Lösung. Man wollte keinen Abnutzungskampf mehr haben, wie ihn Rosberg und Hamilton die letzten Jahre aufführten. Klingt also eigentlich ebenfalls nach klarer Nummer eins und Nummer zwei. Doch handelt Mercedes anders.

Ihr Credo war schon seit Jahren: Beide Fahrer können absolut frei fahren. Da Bottas seine Chance bei Mercedes nutzen will, gleichzeitig aber extrem dankbar ist für sein Cockpit, hat man bei ihm die perfekte Mischung aus Motivation und Loyalität. Er wird Hamilton nicht abschießen, sondern sich immer in den Dienst des Teams stellen. Im Gegenzug erhält er freie Hand, um seine Performance abzurufen.

Muss sich Mercedes entscheiden?

In Ungarn waren seine Fähigkeiten als Teamplayer gefragt. Er war langsamer als die Ferraris, hielt gleichzeitig aber Hamilton hinter sich auf. Also reagierte Mercedes in der Hoffnung auf ein besseres Tagesergebnis und tauschte die Positionen. Der Rest ist bekannt: Hamilton kam nicht vorbei und gab seine Platzierung zurück, obwohl sein größter WM-Konkurrent Vettel gewann.

So löblich das Verhalten von Mercedes war: Im weiteren Saisonverlauf kann diese Herangehensweise ein Nachteil sein. Denn während sich Ferrari vollends auf Sebastian Vettel konzentrieren kann, hat Mercedes zwar noch zwei Eisen im Feuer, die sich aber möglicherweise gegenseitig die Punkte wegnehmen. Mehr z den unterschiedlichen Herangehensweisen bei Ferrari und Mercedes sowie zur zweiten Saisonhälfte erfahrt ihr im Video.