Mehr Siege und mehr Pole Positions, aber dennoch weniger Punkte als der Rivale auf dem Konto. Aus Sicht von Lewis Hamilton war die zurückliegende Saison zum Verzweifeln, denn der Brite lag in nahezu allen Wertungen vor Nico Rosberg, nur eben in der entscheidenden nicht. Motorsport-Magazin.com analysiert, wo Hamilton jene fünf Punkte liegen gelassen hat, die ihm schlussendlich zum Titelgewinn fehlten.

Fail-Faktor #1: Technische Probleme

Der größte Unterschied zwischen Hamilton und Rosberg in der vergangenen Saison war die Zuverlässigkeit der Technik. Während Rosberg nahezu schadlos durch das Jahr kam, wurde Hamilton regelmäßig vom Defektteufel heimgesucht. Besonders gerne erwähnt der Brite in diesem Zusammenhang, dass vor der Saison die Crews teamintern zwischen ihm und Rosberg getauscht wurden - sogar in einem Buch möchte er diesen Umstand eines Tages thematisieren.

In China musste Hamilton als Letzter starten, Foto: Sutton
In China musste Hamilton als Letzter starten, Foto: Sutton

Begonnen hatte Hamiltons hartes Technikjahr in China, wo er aufgrund eines Defekts des Energierückgewinnungssystems im Qualifying nur den letzten Startplatz belegte und im Rennen nicht über Rang sieben hinauskam. Beim nächsten Grand Prix in Russland streikte Hamiltons ERS im Qualifying erneut - Startplatz zehn. Am Sonntag konnte der Brite den Schaden mit dem zweiten Platz zwar in Grenzen halt, verlor aber dennoch weitere Punkte auf Rosberg, der in Sochi gewann.

Die nächste Panne musste Hamilton in Monaco hinnehmen. Im Qualifying trat ein Defekt an der Benzinzufuhr auf, sodass der Brite nicht über den dritten Startplatz hinauskam. Auf das Rennen hatte dieser Defekt diesmal jedoch keine Auswirkungen, denn Hamilton gewann an der Cote d' Azur - nicht zuletzt dank eines kapitalen Patzers von Red Bull. Für den in Führung liegenden Daniel Ricciardo lagen beim Boxenstopp keine Reifen bereit, sodass Hamilton kampflos vorbeigehen konnte.

All diese genannten Defekte, die Auswirkungen auf das Qualifying und Rennen hatten, sowie weitere technische Probleme in den Trainings, führten dazu, dass bereits zur Saisonhalbzeit feststand, dass Hamilton das Jahr nicht mit der erlaubten Anzahl von Power-Unit-Komponenten beenden würde - eine Strafe war unumgänglich. Deshalb nahm Mercedes nach der Sommerpause in Belgien gleich drei Motorwechsel vor, um dem Briten frisches Material zur Verfügung zu stellen. Dafür hagelte es aber eine Strafe - letzter Startplatz in Spa und nur Rang drei im Rennen.

Nach dem Aus in Malaysia war Hamilton am Boden, Foto: Sutton
Nach dem Aus in Malaysia war Hamilton am Boden, Foto: Sutton

Während all diese Probleme Hamilton nicht daran hindern konnten, zumindest ein paar Punkte mitzunehmen, ging er in Malaysia leer aus. Überlegen in Führung und auf Siegkurs liegend, schied der Brite mit einem kapitalen Motorschaden aus, während Rosberg mit Platz drei die Führung in der Weltmeisterschaft weiter ausbauen konnte.

"Wir bauen so viele Motoren für Fahrer, warum gehen nur meine kaputt? Jemand muss mir eine Antwort geben, das ist inakzeptabel. Da stimmt doch was nicht", war Hamilton nach dem Ausfall außer sich und witterte sogar eine Verschwörung gegen ihn. Bei der Teamführung hörte man solche Worte naturgemäß nicht gerne. "Das ist doch lächerlich", entgegnete Aufsichtsratschef Niki Lauda. Es war Hamiltons zweiter Ausfall in dieser Saison, nachdem es bereits in Barcelona zur teaminternen Kollision mit Rosberg gekommen war.

Defekte bei Mercedes 2016 (mit Auswirkung auf das Rennen):

GPLewis HamiltonNico Rosberg
CHN 2016 ERS-Defekt im Quali, letzter Startplatz
RUS 2016 ERS-Defekt im Quali, 10. Startplatz
MON 2016 Benzinzufuhr-Defekt im Quali, 3. Startplatz
AUT 2016 Aufhängungsdefekt im Training, Strafversetzung +5
GBR 2016 Getriebedefekt auf P2, Ziel P3
BEL 2016 Motorwechsel vor Quali, vorletzter Startplatz
MAL 2016 Motorschaden auf P1, Ausfall

Fail-Faktor #2: Schlechte Starts

In 20 von 21 Rennen stand 2016 ein Mercedes-Pilot auf der Pole Position, trotzdem hatten die Silberpfeile am Start oftmals ihre liebe Not. Seit dieser Saison muss der Fahrer den Schleifpunkt seiner Kupplung wieder selbst finden, ohne Hilfe von Software oder dem Boxenfunk und mit nur noch einer Kupplungs-Wippe am Lenkrad. Ein äußerst trickreicher Vorgang, der sowohl Hamilton als auch Rosberg Positionen, Punkte und reichlich Nerven kostete.

In Suzuka fiel Hamilton am Start weit zurück, Foto: Sutton
In Suzuka fiel Hamilton am Start weit zurück, Foto: Sutton

Schon beim Saisonauftakt wurde Mercedes' Start-Schwäche gnadenlos offengelegt. In Melbourne starteten Hamilton und Rosberg aus der ersten Reihe und wurden auf dem Weg zu Kurve eins gleich von beiden Ferraris überrumpelt. Rosberg war danach zunächst Dritter, Hamilton gar nur Achter - und das, obwohl er von der Pole Position gestartet war. Am Ende gewann dank guter Strategie Rosberg vor Hamilton.

Der nächste Start-Fauxpas ließ nicht lange auf sich warten: Zwei Wochen später hatte sich Hamilton in Bahrain erneut die Pole Position gesichert, und wieder kam er beim Erlöschen der Ampel nicht richtig in Gang. Dieses Mal hatte der Fehler allerdings schwerwiegendere Konsequenzen: Bereits von Rosberg überholt, geriet Hamilton in der ersten Kurve auch noch in die Fänge eines übermotivierten Valtteri Bottas. Er kollidierte mit dem Williams-Piloten und schaffte es mit einem beschädigten Auto im weiteren Verlauf des Rennens nur noch, bis auf Rang drei vorzufahren.

Während anschließend in Kanada, Ungarn und Deutschland vor allem Rosberg beim Erlöschen der Ampeln Probleme hatte, erwischte es in der zweiten Saisonhälfte wieder mit voller Wucht Hamilton. In Monza fiel der Brite von der Pole Position auf den sechsten Platz zurück und rettete sich in weiterer Folge als Zweiter ins Ziel. In Suzuka lief es für Hamilton sogar noch schlechter. Der 31-Jährige kam überhaupt nicht vom Fleck und fiel vom zweiten auf den achten Platz zurück. Zwar stand Hamilton als Dritter letztlich auf dem Podium, weil wie in Monza jedoch Rosberg gewann, büßte er weiter an Boden ein.

Das Mercedes Pole-Duell 2016

Grand PrixLewis HamiltonNico RosbergSieger / Position anderer Fahrer
Australien X Rosberg / HAM P2
Bahrain X Rosberg / HAM P3
China X Rosberg / HAM P7
Russland X Rosberg / HAM P2
Spanien X Verstappen / 2x DNF
Monaco Hamilton / ROS P7
Kanada X Hamilton / ROS P5
Europa/Baku X Rosberg / HAM P5
Österreich X Hamilton / ROS P4
Großbritannien X Hamilton / ROS P3
Ungarn X Hamilton / ROS P2
Deutschland X Hamilton / ROS P4
Belgien X Rosberg / HAM P3
Italien X Rosberg / HAM P2
SingapurX Rosberg / HAM P3
MalaysiaX Ricciardo/ HAM DNF ROS P3
Japan X Rosberg / HAM P3
USA X Hamilton / ROS P2
Mexiko X Hamilton / ROS P2
Brasilien X Hamilton / ROS P2
Abu DhabiX Hamilton / ROS P2

Fail-Faktor #3: Schwache Leistungen

Lewis Hamilton ist zwar fraglos eine sehr gute Saison gefahren, frei von Fehlern war aber auch er dreifache Weltmeister nicht. Lässt man die Starts einmal außen vor, stechen vor allem zwei Rennen heraus, in denen er keine sonderlich gute Figur machte und durch Eigenverschulden wichtige Punkte liegen ließ.

In Baku setzte Hamilton seinen Mercedes in die Mauern, Foto: Sutton
In Baku setzte Hamilton seinen Mercedes in die Mauern, Foto: Sutton

Bei der Premiere der Formel 1 in Aserbaidschans Hauptstadt Baku verlor Hamilton im letzten Abschnitt des Qualifyings die Kontrolle über seinen Silberpfeil und krachte in die engen Mauern. Für den Briten blieb somit nur der zehnte Startplatz. Am Sonntag gelang es Hamilton zwar, sich zu verbessern, mehr als der fünfte Platz sprang aber nicht heraus, was angesichts des gleichzeitigen Sieges von Rosberg ausgesprochen bitter war.

Ebenfalls enttäuschend verlief für Hamilton der Große Preis von Singapur. Beim Nachtrennen musste sich der Brite nach durchwachsener Leistung mit dem dritten Rang begnügen, während erneut Rosberg gewann. Unter anderem leistete sich Hamilton einen kapitalen Verbremser, der von Kimi Räikkönen ausgenutzt wurde.

Zwar überholte er den Finnen dank einer wiedermal verpatzten Ferrari-Strategie noch, dennoch kam über die Podiumsplatzierung keine rechte Freude auf. "Es hat sich schon mal besser angefühlt, hier oben zu stehen", kommentierte Hamilton wenig euphorisch.

Fazit

Unter dem Strich machten Hamilton die technischen Gebrechen sicherlich am meisten zu schaffen. Vor allem der Ausfall in Malaysia kam ihn bitter zu stehen - hätte sich sein Motor in Sepang nicht in Rauch aufgelöst, sondern er dieses Rennen gewonnen, hieße der Weltmeister 2016 vermutlich nicht Nico Rosberg, mit dem es der Defektteufel in der vergangenen Saison trotz einer Rekordzahl von 21 Rennen ausgesprochen gut meinte. Die sicher geglaubten 25 Punkte gingen Hamilton in der Endabrechnung schmerzhaft ab.

Am Ende musste Hamilton Rosberg den Vortritt lassen, Foto: Sutton
Am Ende musste Hamilton Rosberg den Vortritt lassen, Foto: Sutton

Doch Hamilton muss sich auch an die eigene Nase fassen. Die schlechten Starts zu Saisonbeginn brachten den Briten schnell in die Defensive, denn hätte er in Australien und Bahrain seine Startposition gehalten, wäre er nach zwei Saisonrennen mit dem Punktemaximum dagestanden. So hingegen gewann Rosberg die ersten vier Rennen - auch dank Hamiltons Technikpech in China und Russland - und fuhr schnell einen Vorsprung von 43 Punkten heraus. Zwar hatte auch der Deutsche über die Saison gesehen einige schlechte Starts, nach dem schwachen Auftakt stand Hamilton jedoch bereits stark unter Druck und wusste, dass er sich eigentlich keine weiteren Fehler leisten durfte.

Aber diese leistete er sich. Während Platz drei in Singapur - traditionell keine Mercedes-Strecke - noch zu akzeptieren ist, war der Patzer im Baku-Qualifying ein schwerer Schlag ins Kontor. Ein fünfter Platz am Steuer eines Silberpfeils ist einfach zu wenig, wenn man ohnehin schon unter Druck steht und Punkte gutmachen muss.

Zwar führte Hamilton die Weltmeisterschaft von Ungarn bis Italien kurzzeitig an, konnte aber nicht verhindern, rasch wieder ins Hintertreffen zu geraten. Und nicht nur das, Rosberg genügte es bekanntlich, die letzten Saisonrennen als Zweiter zu beenden, sodass Hamilton auf fremde Hilfe angewiesen war. Diese blieb bekanntlich aus, das Ergebnis ist bekannt.