Noch vor wenigen Wochen drehte sich eine heile Silberpfeilwelt mit Wintertestbestzeiten und starken Saisonprognosen, welche dem Ex-Weltmeisterteam mit den hohen Ansprüchen zusammen mit Renault eine Art Favoritenrolle für die neue Saison zuschoben, gemütlich und wohlgefällig um die eigene Achse.

Doch diese winterliche Vorfreude blieb bislang das einzig Positive, was die Silbernen in den vergangenen Monaten und vor allem an den ersten beiden Rennwochenenden zu vermelden hatten.

So wurde schon die Winterpause von den Negativschlagzeilen um Kimi Räikkönen sowie die beinahe schon Microsoft'sche Inkompatibilität des neuen McLaren-Cockpits mit Edeltestfahrer Alex Wurz geprägt. Und vor allem letztere rächt sich dieser Tage - zumindest für den Österreicher...

Aber nicht nur abseits der Rennstrecken gab es weniger ins heile Weltbild passende Schlagzeilen. Auch in Australien und Malaysia konnten Kimi Räikkönen und Juan Pablo Montoya ihren "vorhandenen Speed" nicht in die erwarteten Resultate umsetzen.

Zwar hatten die Silberpfeilpiloten mit dem vom Regen verwässerten 1. Qualifying von Melbourne sowie den folgenden Problemen in beiden Rennen auch etwas Pech, doch gibt es durchaus Gründe für Ausritte und abgefahrene Windabweiser, die nicht nur dem Zufall zugeschrieben werden dürfen...

Beinahe perfekt ins strauchelnde silberne Bild passt Juan Pablo Montoyas Tennisverletzung, welche er sich eine Woche vor dem dritten Saisonrennen in Bahrain beim Training in Madrid zuzog und welche ihn für mindestens ein Rennen außer Gefecht setzen wird.

Für ihn wird der Spanier Pedro de la Rosa das zweite Einsatzcockpit übernehmen, während das dritte Silberpfeilcockpit für den noch keinen Millimeter mit dem neuen MP4-20 gefahrenen Österreicher Alex Wurz notdürftig für die Freitagstrainings zurecht geschustert wird. Der Ex-Benetton-Pilot scheint damit endgültig vom Perchtoldsdorfer zum Pechtoldsdorfer geworden zu sein.

"Bei den Silbernen blicke ich nicht wirklich durch", versucht motorsport-magazin.com-Kolumnist Sven Heidfeld die aktuelle Lage bei McLaren Mercedes zu beleuchten. "So dachten nach den Wintertests fast alle, dass McLaren richtig schnell wäre, aber da kam bislang noch nicht wirklich viel. Zwar heißt es aus Teamkreisen immer, dass die Pace da sei, doch scheint der Rennspeed eben nicht da zu sein. McLaren Mercedes dürfte sich garantiert sehr viel mehr als nur neun WM-Zähler ausgerechnet haben."

Mit diesen neun WM-Pünktchen liegen die Silbernen sogar noch hinter dem Überraschungsteam der ersten beiden WM-Läufe: Red Bull Racing. Deren Technischer Direktor Günther Steiner beurteilt die Situation rund um das hochmoderne McLaren Technology Centre wie folgt: "Wenn ich ein extrem schnelles Auto habe - und McLaren Mercedes hat das -, dann mache ich doch alles dafür, im Qualifying vorne zu stehen und das Feld hinter mir zu kontrollieren. Normalerweise hätten wir keine Chance gegen die Silberpfeile. Aber so haben wir zwei Punkte mehr auf dem Konto."

Damit spielt der Südtiroler darauf an, dass die Chefstrategen rund um Adrian Newey und Ron Dennis sich bei den ersten beiden Saisonrennen arg verkalkuliert haben. "Die Strategie ist dumm", soll Juan Pablo Montoya noch vor dem Malaysia GP am Sonntagmorgen gesagt haben. "Ich habe es zwar den Ingenieuren gesagt, aber sie hörten nicht auf mich."

Zum bekannten System McLaren, in welchem die Fahrer nur das Auto zu fahren haben, während die Ingenieure dieses abstimmen, würde diese Vorgehensweise jedenfalls gut passen. Und auch im letzten Jahr vertrauten die Silbernen gerne auf ein schweres Auto und späte Boxenstopps. Durch die neuen Regeln könnte diese Vorgehensweise, die auch beim 'Erfinder' Sauber in diesem Jahr nicht wirklich funktioniert, aber nicht mehr aktuell sein.

"Die Zeit die wir am Anfang des Rennens durch das wesentlich höhere Gewicht verloren haben, war einfach zu viel", gestand Montoya vor seiner Verletzung beim Nachjagen eines kleinen, gelben Filzballes ein. "Durch die hohe Spritmenge im zweiten Qualifying haben wir bestimmt fünf Startplätze verschenkt. Das holst Du nie mehr auf."

Sein Teamkollege Kimi Räikkönen fuhr zwar die schnellste Rennrunde des Malaysia GP und zeigte damit "was möglich gewesen wäre", doch reichte es bislang eben nicht aus, dass alle McLaren-Verantwortlichen von Ron Dennis bis Norbert Haug nach Melbourne wie Sepang im Chor beteuerten: "Die Pace ist da - wir konnten sie nur nicht umsetzen."

Für Ralf Schumacher sind die Silberpfeile deshalb "die große Enttäuschung" der ersten zwei Saisonläufe. "Sie haben in den Wintertests bewiesen, dass sie das Tempo haben. Aber sie setzen es nicht um", stimmt er der silbernen Feststellung zu, bevor er schelmisch grinsend hinzufügt: "Uns kann das nur recht sein."

Ferrari-Ingenieur Dieter Gundel verriet den Kollegen der Sport Bild sogar noch mehr über die angebliche strategische Fehlplanung des Erzrivalen: "Sie fahren mit extrem reduzierter Drehzahl und tun alles, um ihren großen Tank zu nutzen", so der Elektronikchef der zuletzt nicht minder gescholtenen Scuderia. "Wenn wir unsere Strategierechnungen aufmachen, tippen wir blind, dass die McLaren Mercedes als Letzte an die Box kommen - selbst wenn das vom Rennrhythmus her alles andere als sinnvoll erscheint. Es kommt mir so vor, als würden sie nichts riskieren wollen."

Riskiert haben sie mit den gefloppten Vorgängerautos vom Typ MP4-18 und MP4-19 aber wohl schon genügend. Nach dem Aufschwung mit dem MP4-19B sollte mit dem MP4-20 eigentlich der letzte Schritt zurück zur Weltspitze erfolgen. Wenn man den gebetsmühlenartig heruntergeleierten Teamaussagen sowie den Testergebnissen Glauben schenken darf, dann besitzt das Auto auch die nötige "Pace" dazu. Nur der Kippschalter für die richtige Strategie scheint noch nicht gefunden worden zu sein...