Liebe motorsport-magazin.com-User,

Ich darf Sie recht herzlich zu meiner ersten Kolumne bei motorsport-magazin.com begrüßen, welche Sie in Zukunft regelmäßig hier lesen können. Ich freue mich, dass Sie sich für diese sehr fachliche Seite entschieden haben.

Heute möchte ich meine Eindrücke der Wintertests, der Präsentationen und der allgemeinen Ereignisse zusammenfassen und für Sie einen kleinen Ausblick auf die Saison 2004 wagen.

Wie Sie vielleicht nicht besonders überrascht, bin auch ich der Meinung, dass Ferrari in diesem Jahr nicht den Fahrerweltmeister stellen wird. Ich denke, dass Michael Schumacher zwar ein nach wie vor sehr gutes Paket besitzen wird und mit Rubens Barrichello einen mittlerweile doch unterschätzten Teamkollegen an seiner Seite hat, aber insgesamt denke ich, dass die Kombination aus Chassis, Reifen, Weiterentwicklungspotenzial und bisherigen Ergebnissen einfach nicht die stärkste Kombination darstellt.

Auch wenn Ferrari mit Bridgestone in eine andere Richtung entwickelt hat, sprich eine breitere Auflagefläche des Vorderreifens, und wir in Fiorano im Januar noch nicht den endgültigen Wagen gesehen haben, den wir in Melbourne im ersten freien Training sehen werden, so glaube ich doch aus den letzten Jahren und meiner Erfahrung herauslesen zu können, dass Ferrari einfach nicht den fünften Titel für Schumacher en suite und den sechsten als Konstrukteur wird einfahren können.

Ich denke Ferrari steht bei einem gleich bleibenden Reglement einfach an und die Entwicklungssprünge sind ja schon im letzten Jahr vom F2002 auf den F2003-GA kleiner geworden. Und auch der F2004 scheint mir nur noch in marginalen Eckpunkten verändert worden zu sein.

Ich glaube Ferrari muss sich vor allem mit Williams-BMW herumschlagen. Dieser Williams-BMW FW26 ist einfach jetzt schon wesentlich weiter als der FW25 zu Anfang des letzten Jahres und wenn man einfach diesen Rückstand den Williams hatte, den sie dann aufgeholt haben um letztlich um die WM zu fahren, sieht, denke ich, dass dieses Auto, wenn sie diesmal dieses Problem nicht haben, verdammt schnell sein wird.

Ich finde es hässlich. Aber wenn ein hässliches Auto siegt, dann ist es in diesem Augenblick auch schön. Ich glaube gar nicht einmal, dass die Nase der entscheidende Faktor an diesem Auto ist, sondern ich denke einfach, dass es Williams verstanden hat die Michelin-Reifen wirklich optimal zu nutzen. So dass man das meiste aus den Reifen herausholt ohne sie zu überfordern.

Die Kombination aus Juan Pablo Montoya, der gerne als Weltmeister gehen würde, und Ralf Schumacher, der Weltmeister werden muss, um bei Frank Williams weiter fahren zu dürfen, wobei auch dies (siehe Mansell und Hill) keine Garantie ist, wird sehr stark sein. Zumindest in den ersten Rennen wenn es gut läuft. Sollten technische Probleme hinzukommen, auch Ausfälle, Zwischenfälle, Unfälle, könnte ganz plötzlich bei Williams nicht mehr die stärkste Fahrerkombination vorherrschen, sondern das ganze könnte sich umdrehen und plötzlich habe ich mit Montoya jemanden, der zum Erzrivalen Mercedes geht, und mit Ralf jemanden, der keinen Vertrag mehr bekommt. Dann könnte der Schuss nach hinten losgehen.

Bei Williams hängt viel vom Saisonstart ab. Ob diese Truppe Weltmeister werden kann. Das Paket haben sie allemal geschnürt – und zwar das stärkste Paket. Ein kleines Fragezeichen steht noch hinter der Konstanz.

Dann muss sich Ferrari natürlich auch mit McLaren Mercedes herumschlagen, die den MP4-19 genannten Wagen sehr früh auf der Bahn hatten und gute Zeiten gefahren sind. In den letzten Wochen scheinen sie aber zu schwächeln. Und wenn ein Kimi Räikkönen den Mund aufmacht, dann scheint das ein Alarmsignal zu sein.

Ich kann Ihnen zwar nicht genau begründen warum, aber ich denke, dass McLaren auch bluffen könnte. Vielleicht will man hier die Gegner ein bisschen in Sicherheit wiegen oder sogar Williams die Favoritenrolle zuschustern. Kimi Räikkönen hat im letzten Jahr bewiesen was er kann. Das Punktesystem hat ihn fast ganz an die Spitze gespült. Der unter den Finnen leidende Schotte David Coulthard weiß um seine letzte Chance und könnte es mit einer "Jetzt-erst-Recht-Performance" allen seinen Kritikern und allen voran Ron Dennis beweisen. Und McLaren käme in Probleme, wenn Mitte des Jahres plötzlich DC gute WM-Chancen hätte. Das würde ich mir gerne anschauen.

Ich erwarte auch hier, wenn Coulthard einen guten WM-Start hinbekommt und er die Konstanz aufbringen kann, dass er wirklich um den Titel fahren könnte. Aber wenn es so läuft wie im Vorjahr, dann ist er die klare Nummer 2 als Wasserträger für Räikkönen. Das wäre natürlich bitter.

Im Vergleich der Fahrerkombinationen scheint mir eine relative Patt-Situation zu herrschen. Rubens Barrichello kommt mittlerweile gut mit dem Auto klar und ist für Michael wertvoll. Williams haben wir beleuchtet und die Kombination Räikkönen & Coulthard dürfte dem in Nichts nachstehen. Also auch hier glaube ich, dass McLaren Mercedes mit Michelin-Reifen und Adrian Newey und der geballten Kompetenz aus allen Lagern Ferrari durchaus mindestens Paroli bieten sollte.

Und jetzt kommt die große Überraschung. Das ist nämlich Renault! Renault scheint einen für mich ganz entscheidenden Schritt gegangen zu sein. Zum einen hat man im letzten Jahr für mich das beste Auto gehabt, sprich die beste Aerodynamik, sicherlich aber nicht den stärksten Motor.

Das beste Auto war der R23 deswegen, weil das Auto am besten mit den Michelin-Reifen umgegangen ist und weil der Rennspeed bei Renault zwar inkonstant war, aber wenn er einmal gut war, dann war er unschlagbar – siehe Malaysia, Barcelona und Ungarn.

Man hat dieses Jahr wieder Michelin-Reifen und jetzt kommt die Trumpfkarte – und das habe ich im letzten Jahr wie ich gerne zugebe falsch eingeschätzt: Dieser uralte 72° Motor. Dieser Motor auf der Basis eines Supertec von 2000 hat zwar den Nachteil, dass er eng baut und der Schwerpunkt etwas höher liegt, aber was ist wenn dieser Motor, der ja jetzt 700 bis 800 Kilometer laufen muss, der zuverlässigste Motor ist?

Da rücken die großen Helden wie BMW, wie Mercedes und wie Ferrari mit neuen Motoren an und hinter der Zuverlässigkeit steht bei allen ein Fragezeichen. Wir haben gesehen: Wenn Räikkönen im letzten Jahr nicht am Nürburgring ausgefallen wäre, hätte er den Titel geholt.

Dies so glaube ich könnte die große Trumpfkarte von Renault werden. Allerdings nur von Fernando Alonso, den ich stärker einschätze als Jarno Trulli. Deswegen schätze ich die Fahrerkombination von Renault, aufgrund von Trulli, als die schwächste Kombination der vier Top-Teams ein.

Genau: Man redet 2004 nicht von drei Top-Teams wie im Vorjahr, sondern mindestens von vier. Und ich traue Renault zu in Malaysia zu gewinnen. In Australien aufgrund der Streckencharakteristik nicht. Den wahren Leistungsstand sehen wir sowieso erst auf der selektiven Strecke in Malaysia. Wer in Malaysia vorne liegt kann Weltmeister werden!

Achten Sie also auf Alonso und Renault. Hier halte ich eine dicke Überraschung für möglich. Ich würde sogar so weit gehen, dass wenn Renault wirklich die Zuverlässigkeit und den Rennspeed hat, den sie bei den Tests gezeigt haben und welcher auf die Renndistanz gesehen höher war als bei Williams, dann hat Renault wirklich dicke Chancen Grand Prix Siege einzufahren. Und am Ende wird zusammengerechnet und dann ist alles möglich.