Wer hätte das gedacht: Angesichts der aktuellen Situation der Formel 1 wünscht man sich doch glatt die Rillenreifen-Ära zurück. Was waren die Welt doch damals einfach: Die besten Fahrer der Welt boten in den besten Autos der Welt die beste Show Welt - obwohl wir damals "Formel Langeweile" riefen. 18.000 Umdrehungen, 19.000 Umdrehungen, schließlich 20.000 Umdrehungen. PS-Zahlen, die bis 2005 immer weiter kletterten. Und heute? Wir diskutieren über DRS, Showreifen, zu wenig Sound. Und immer mehr Kosten. Schlimmer noch: Auch auf technischer Seite machen andere Rennserien Druck auf die Formel 1.

Was ist geschehen? Die heutige Situation in der Formel 1 ist das Ergebnis eines Versuchs, die Show immer mehr in den Vordergrund zu stellen. Das ist durchaus gerechtfertigt, schließlich war zu den Zeiten, die heute als "glorreich" bezeichnet werden, immer wieder von der "Formel Gähn" die Rede: Zu wenig Überholmanöver, zu wenig Show. Die Verantwortlichen (damals noch die FIA) steuerten gegen: 2007 wurde erstmals ein Drehzahllimit eingeführt, gleichzeitig ein Einheitsreifen eingeführt, dazu noch in zwei unterschiedlichen Mischungen. Die Schritte wurden zunächst begrüßt, doch erst heute zeigt sich das Ausmaß, wo es hingeführt hat.

Einfacherere Zeiten: F1 als Königsklasse in Show und Technik anno 2003, Foto: Sutton
Einfacherere Zeiten: F1 als Königsklasse in Show und Technik anno 2003, Foto: Sutton

Zwischen 2007 und 2011 machte die Formel 1 einen nie gesehenen Prozess der technischen Beschneidung durch: Motoren, Reifen, Aerodynamik. Zwischenzeitlich wurde der Hybridantrieb (KERS) eingeführt, aber natürlich streng beschränkt, damit bloß niemand eine überlegene Technologie bringt. Gleichzeitig wurde der Showeffekt immer mehr in den Mittelpunkt gerückt: Nachtrennen, zwei Reifenmischungen, Nachtankverbot, schließlich Showreifen und DRS. Und die ungeliebten doppelten Punkte, die zum Glück schon wieder der Vergangenheit angehören.

LMP1 gräbt der F1 die technische Vorreiterrolle ab

Und die Technik? Nach einer langen Phase der Beschränkungen wurden die Hersteller mit dem 2014er-Reglement beschwichtigt, nach langen Verhandlungen. Und tatsächlich machten sich deutliche technische Unterschiede bemerkbar, mit allen positiven und negativen Effekten. Dummerweise nur gibt es mittlerweile mit der LMP1-Klasse der WEC ein enorm freies Reglement, das die Hybrid- und Effizienztechnologie noch wesentlich konsequenter durchzieht als die Formel 1, die sich nicht vom Hubraumreglement loslösen konnte. Und so ist die Formel 1 plötzlich nicht mehr Fisch und Fleisch: Sie ist ein bisschen Unterhaltung und ein bisschen Hightech, aber beides nicht so richtig.

Die LMP1 ist für Hersteller attraktiver als die Formel 1, Foto: Porsche
Die LMP1 ist für Hersteller attraktiver als die Formel 1, Foto: Porsche

Die Königsklasse ist gefangen in einem Spannungsfeld aus NASCAR und WEC. Die einen setzen auf reine Lowtech-Show, die anderen auf Hightech ohne jegliche Showelemente. Beides hat seine Berechtigung und funktioniert sehr gut. Nur wo soll die Formel 1 hin? Auf der einen Seite gibt es den Pol Bernie Ecclestone: Der setzt voll auf die Showkarte. Er würde die Formel 1 am liebsten zu einer NASCAR ohne Dach machen, mit 1000 PS und 100 Litern Spritverbrauch auf 100 Kilometern. Doch was er übersieht: Das Redneck-Denken, dass das Erdöl gottgegeben und unendlich ist, funktioniert in Europa nicht. Und egal, wie global sich die Formel 1 präsentiert: Die Fanbasis sitzt weiterhin in Europa.

Auf der anderen Seite stehen die Hersteller, die ihr technisches Know-How präsentieren wollen. Der Hybridantrieb ist das perfekte Marketinginstrument. Doch auch hier ist erst einmal Blockade angesagt: Die Hersteller haben mittlerweile der FIA ein Mitspracherecht bei den Regeln abgerungen, doch seitdem geht nichts mehr vorwärts. Wie soll die Formel 1 zukunftsweisende Technologien entwickeln, wenn sich die Strategy Group überall gegenseitig blockiert? Und wie zukunftsweisend darf es sein? Fans beklagen sich schon heute über den fehlenden Sound.

Die Beteiligten sind sich uneinig, in welche Richtung die Formel 1 gehen soll. "Wir sind im Renngeschäft, in der Unterhaltungsindustrie. Da hilft uns so ein Motor nicht. Er ist zu teuer und zu kompliziert", poltert Ecclestone. Toto Wolff entgegnet: "Wir müssen einsehen, dass es einerseits eine Fahrerweltmeisterschaft ist, aber auch eine WM der Ingenieure, mit den besten Autos da draußen. Wenn man nun anfängt, Dinge zu kürzen, die immer teil der DNA der Formel 1 waren, dann hilft man ihr nicht."

Der Dinosaurier: Bernie Ecclestone schert sich nicht um Effizienz, Foto: Sutton
Der Dinosaurier: Bernie Ecclestone schert sich nicht um Effizienz, Foto: Sutton

Mögliche Lösung: Alternative Kraftstoffe

Show vs. Unterhaltung - es scheint ein Dilemma zu sein, und man will weder zu weit in die eine, noch in die andere Richtung gehen. Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten, wieder eine Vorreiterrolle einzunehmen, ohne die Show negativ zu beeinflussen: Alternative Brennstoffe werden dringend in der Industrie gesucht, und nichts eignet sich so gut zur Entwicklung wie der Motorsport, es gibt kein gnadenloseres Testfeld. Warum keine Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff oder Biokraftstoffen aus Pflanzenabfällen und Algen, womit man sich nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stellt? Da diese Technologien im Gegensatz zum Erdöl nicht endlich sind, wäre der Motorsport auch seine größte Angriffsfläche los.

1000 PS gerne, aber nicht aus Erdölderivaten, Foto: Ferrari
1000 PS gerne, aber nicht aus Erdölderivaten, Foto: Ferrari

Der große Marketingeffekt der Formel 1 wäre eine Werbetrommel für neue Verbrennungskraftstoffe, gleichzeitig würde der Druck auf die Hersteller von Straßenmodellen und Kraftstoffen steigen, solche Technologien zu implementieren. Schließlich würde uns das auch vom Irrweg der Elektromobilität aus Kohlekraft wegführen, und wir müssten auf guten Sound nicht verzichten. Doch wieder lässt man sich von Le Mans die Butter vom Brot nehmen: Dort soll schon 2016 ein Gülle-LMP rollen.

Es wäre also möglich: Es können gleichzeitig laute Verbrennungsmotoren mit zukunftsweisender Technologie eingesetzt werden, wenn man denn will. Wahlweise kombinierbar mit einem Hybridantrieb, der tut ja schließlich nicht weh. Und die Kosten? Da führt wohl kein Weg an der Budgetgrenze vorbei. Denn wenn diese nicht kommt, ist die Formel 1 ohnehin verloren - egal ob als Unterhaltungs- oder Hightechrennserie. Der Fall Sauber lässt grüßen.