15. Februar 2005, 16 Uhr: Patrick Friesacher wird in seiner Heimat Kärnten als neuer Minardi-Pilot präsentiert. Der 24jährige wurde überraschend nicht nur als Testpilot, sondern als Einsatzfahrer verpflichtet, weil es angeblich beim Dänen Kiesa plötzlich Budgetprobleme gab. Damit hat nicht einmal Friesacher gerechnet – mediengerecht zerreißt Minardi-Boss den bereits aufgesetzten Testvertrag, um einen druckfrischen Einsatzfahrervertrag hervorzuzaubern. Friesacher ist fassungslos, kämpft mit den Tränen. Und lässt ihnen dann freien Lauf – es sind Tränen der Erleichterung. Denn der Aufstieg des Patrick Friesacher war derart hart, dass man vor diesem jungen Mann eigentlich nur den Hut oder besser die Rennkappe ziehen kann…

1997, in einer Karthalle in Unterpremstätten: Plötzlich kracht es fürchterlich, Friesacher verunfallt bei einem Tempo von 130 km/h. Die Ärzte diagnostizieren zahlreiche Knochenbrüche an beiden Beinen – Schienbein, Wadenbein und Ferse. Plötzlich ist alles aus – Friesacher hatte bereits eine mehrjährige Karriere im Kartsport hinter sich. Schon im zarten Alter von vier Jahren fuhr er Junior-Motocross-Rennen, um 1991 mit dem Kartsport zu beginnen – im selben Jahr wurde er gleich einmal Dritter der österreichischen Kart-Meisterschaft. Es folgen internationale Kartrennen in Italien, erste Pole-Positions und auch Rennsiege. Und 1994 startete die Kooperation mit Red Bull…

"Du wirst nie wieder gehen können!"

"Du wirst nie mehr gehen können!", musste Friesacher nach seinem Unfall hören – sechs Wochen Krankenhaus, sieben Wochen im Rollstuhl. Für einen 16jährigen ein Drama. Plötzlich verliert man alles was man hat – ein gesunder Körper ist für einen Sportler das Grundkapital. Doch Friesacher rappelt sich auf, geht zu Fitness-Guru Willi Dungl, lernt dort mühsam, wieder zu gehen. 1998 dann das große Comeback – aus 26 weltweiten Kartfahrern wurde Friesacher in die französische Formel Campus geholt, musste am Beginn sogar in den Rennwagen gehoben werden, denn das Gehen fiel dem Kärtner immer noch schwer. In diesem Jahr holte er in der Formel Campus acht Podiumsplätze, zwei Siege und vier Pole-Positions – eine davon im ersten Saisonrennen. Friesacher hat den ersten großen Schicksalsschlag in seinem Leben überwunden, die Rückkehr hat eindrucksvoll geklappt.

Zu lange ohne Sieg – abgeschrieben!

Danach folgen zwei Jahre in der Formel 3, ehe Friesacher 2001 ins Formel 3000-Team von Dr. Helmut Marko aufsteigt. Doch dort lassen die großen Erfolge auf sich warten. Ende 2002 dann der nächste Schlag ins Gesicht des Patrick Friesacher – Red Bull kündigt nach acht Jahren die Zusammenarbeit. In den Medien wird Friesacher abgeschrieben – zu lange schon in der F3000 – ohne Sieg. Doch er kann 2003 bei Coloni ein F3000-Cockpit ergattern, und fährt stark, doch dann bricht er sich bei einem Unfall die Hand, muss zwei Rennen aussetzen. Doch dann kommt Budapest 2003 – Friesacher steht endlich ganz oben auf dem Siegerpodest. Ohne die Zwangspause hätte er sogar den Titel holen können. 2004, wieder in der F3000, wechselt er in den Super Nova-Rennstall, kehrt aber nach vier Rennen zu Coloni zurück, um auf dem Hungaroring seinen Vorjahrssieg zu wiederholen. Im Herbst dann folgt jener Test im F1-Minardi, der letztlich, neben der Mitgift, den Ausschlag zur Entscheidung des Paul Stoddart gab.

Tränen hatte Patrick Friesacher auch am Ende des Jahres 2003 in den Augen – Christian Klien, sein früherer Red Bull-Kollege, wird als neuer österreichischer Formel 1-Pilot gefeiert. Patrick weiß: Die Luft ist dünn in der Königsklasse, für einen zweiten Österreicher wird wohl kein Platz mehr zu finden sein. Doch mittlerweile hat Friesacher aus seiner hart gepflasterten Karriere vor allem eines gelernt: "Du darfst niemals aufgeben!"

"Das ist erst der Anfang!"

Rund fünf Millionen Euro werden kolportiert als Mitgift für den zweiten Minardi-Sitz – bestätigt wurde diese Summe freilich nicht. Unterstützt wird Friesacher auch vom Land Kärnten, dessen Landeshauptmann Jörg Haider es sich nicht nehmen ließ, sich bei der Präsentation neben Paul Stoddart zu setzen. Friesacher stand gestern am Zenit seiner bisherigen Rennfahrer-Karriere – er hat quasi den Gipfel erreicht, nach einem mehr als harten Aufstieg. Doch Friesacher weiß auch: "Das ist jetzt erst der Anfang. Wenn man bedenkt, wer aller in einem Minardi begonnen hat…"

Gratulationen von Lauda und Berger

Friesacher ist der 14. GP-Pilot aus Österreich. Das freut auch seine Vorgänger. Der erfolgreichste von ihnen, der dreifache F1-Weltmeister Niki Lauda, erklärte: "Ein zweiter Österreicher in der Formel 1 ist natürlich sehr gut. Es ist ein neuer Anfang für ihn und sehr gut für seine Entwicklung. Minardi ist ein gutes Team für seinen Einstieg in die Formel 1." Und Gerhard Berger, immerhin zehnfacher GP-Sieger, sagte: "Zwei österreichische Piloten und ein österreichisches Team in der Formel 1 sind optimal. Österreich hält sich als kleines Land kontinuierlich in der Formel 1. Mit Jo Gartner, Niki Lauda und mir waren wir 1984 sogar einmal drei Österreicher im Cockpit. Bei Minardi findet Patrick Friesacher zwar limitierte Voraussetzungen, aber er hat in den bisherigen Klassen bewiesen, dass er schnell fahren kann. Er hat keinen Druck und muss abwarten. In besonderen Situationen, wie etwa Regen, kann er dann vielleicht aufzeigen. Alles in allem kann man ihm nur gratulieren."

Albers als Messlatte

Am Sonntag wird Patrick Friesacher in den Flieger nach Melbourne steigen. Mit Christijan Albers erhält er einen schnellen Teamkollegen. Zwar ist auch Albers ein F1-Rookie, doch dank seiner DTM-Erfolge genießt Albers einen guten Ruf. Friesacher wird daher an Albers gemessen werden. Gelingt es ihm, seine Qualitäten zu beweisen, kann Friesacher zu einem stärkeren Team aufsteigen. Zwar wird er mit dem alten Minardi nur wenig ausrichten können – aber ab Imola wird Minardi erstmals seit drei Jahren mit einem völlig neuen Boliden antreten, dieser soll aerodynamisch revolutionär gehalten sein. Und zudem erhält Minardi jene Cosworth-Motoren, die auch im Heck der Red Bull-Cosworth montiert sind. Für Friesacher wäre es vielleicht eine besondere Genugtuung, sollte er das Kunststück schaffen, mit seinem Minardi einen Red Bull zu überholen. Doch der Liebhaber von Punk-Musik scheint nicht wirklich nachtragend zu sein – sein Blick ist nach vorn gerichtet. Als seine Lieblingslektüre gibt Patrick Friesacher das Werk "Tour des Lebens" von Lance Armstrong an – jenem Radprofi, der den Krebs besiegen und siegreich in seinen Sport zurückkehren konnte. Kommt wohl nicht von ungefähr…