"Ich kann bestätigten, dass ich ein positives Gefühl im Auto habe und freue mich jetzt auf die Testfahrten in der nächsten Woche." Mit dieser Aussage verabschiedete sich Sebastian Vettel in vier Tage Pause zwischen den beiden Testphasen in Barcelona. Zurück bleiben viele Fragezeichen zur Performance des SF15-T. Ist die neue "sexy rote Göttin" auch ein Performance-Wunder oder nur ein Vorführwagen für die erfolgshungrigen Tifosi?

Besonders die ersten vier Tage in Jerez standen unter dem Zeichen der Scuderia. Sebastian Vettel setzte zwei Bestzeiten, Kimi Räikkönen eine weitere. Die Runde des Finnen von 1:20.841 Minuten auf weichen Reifen markierte gleichzeitig die absolute Bestzeit der Testfahrten in Jerez. Auch in Barcelona schrammte der Finne mit 0,010 respektive 0,156 Sekunden zwei Mal knapp an der Spitze vorbei. Sebastian Vettel hingegen kam nicht über die Plätze fünf und sieben hinaus.

Sind Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen Titelfavoriten?, Foto: Ferrari
Sind Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen Titelfavoriten?, Foto: Ferrari

Eine wirkliche Bewertung dieser Zeiten ist aber kaum möglich - nur ein erster Indikator ist zu erkennen. "Natürlich war ich im vergangenen Jahr noch nicht hier, deshalb kann ich das Auto nicht einschätzen. Aber Kimi war ziemlich zufrieden mit dem Verhalten des Autos", deutete Vettel eine klare Steigerung des Boliden im Vergleich zum Vorjahr an.

Gesteigerte Ansprüche

Die Zuverlässigkeit des SF15-T spricht in jedem Fall für sich. In Jerez und Barcelona spulten Vettel und Räikkönen insgesamt 694 Runden ab (349/345) - trotz kleiner Kinderkrankheiten. Doch selbst damit war Räikkönen nicht mehr zufrieden. Nach Platz zwei und immerhin 90 Runden sprach der Finne von keinem idealen Tag und kleinen Zwischenfällen, die Ferrari vom Fahren abgehalten hätten. Ganz unberechtigt scheinen die Zweifel des Finnen nicht zu sein, denn bereits 2014 war der Bolide ein Paradebeispiel an Konstanz. Schon während der ersten beiden Testphasen spulte die Scuderia 538 Runden ab (251/287) - trotz komplett neuer Technik. Die Konstanz und Zuverlässigkeit blieb über die Saison, die Performance kam aber nie.

Das soll sich 2015 ändern und die Vorzeichen stehen gut. "Die Pace sieht gut aus. Natürlich ist es schwierig zu sagen, wo man steht, aber es fühlt sich weiter gut an. Ich würde sagen, dass sich unser Ferrari besser anfühlt als der aus dem vergangenen Jahr", erklärte Vettel anhand von Aussagen seines Teamkollegen Räikkönen, der beide Ferraris gefahren ist. Gleichzeitig warnte der vierfache Red-Bull-Weltmeister aber vor zu großen Jubelstürmen. "Man muss die Füße auf dem Boden halten und sich daran erinnern, dass sich vieles verändert hat."

Sebastian Vettel glaubt an die Fortschritte von Ferrari, Foto: Sutton
Sebastian Vettel glaubt an die Fortschritte von Ferrari, Foto: Sutton

Party für den Erfolg

Mit großen Veränderungen meinte Vettel nicht nur seine Person, sondern allem voran die große Wechselarie im Hintergrund. Luca di Montezemolo musste nach 23 Jahren seinen Posten als Ferrari-Präsident räumen, Sergio Marchionne übernahm die Geschicke der Scuderia. Von Stefano Domenicali über Marco Mattiacci bis hin zu Maurizio Arrivabene hatte die Scuderia 2014 sogar drei Teamchefs im Angebot. Mit Arrivabene scheint nun aber wirklich neuer Wind in Maranello zu wehen - der Partywind.

Im ersten Schritt gab er allen Angestellten bei Ferrari die Möglichkeit sich auszudrücken. Das war die Vorgabe des neuen Ferrari-Präsidenten Marchionne, was dieser in seiner Brandrede Anfang des Jahres auch deutlich untermauerte. "Habt keine Angst vor Veränderungen. Seid produktiv und habt den Mut, neue Ideen einzubringen", so Marchionne damals zu den Mitarbeitern in Maranello. "Ich weiß, dass ihr das könnt und genau das braucht Ferrari."

Die eigenen Fähigkeiten einbringen, befreiter agieren und ihre Leidenschaft für das Team ausleben. Genau diese Marschrichtung rief Teamchef Arrivabene aus. Im zweiten Schritt sollte die Verbindung untereinander gestärkt werden. "Ohne gemeinsame Aktivitäten, ohne Partys wissen die Leute nicht, wer links, rechts, oben und unten von einem steht. Jetzt schauen die Leute in alle Richtungen", beschrieb Arrivabene das neue Wir-Gefühl in Maranello. Die Folge: "Wenn man jetzt in die Box geht, sieht man, dass die Atmosphäre eine andere ist."

Hat Ferrari wirklich eine Chance, Mercedes hinter sich zu lassen?, Foto: Ferrari
Hat Ferrari wirklich eine Chance, Mercedes hinter sich zu lassen?, Foto: Ferrari

Konkurrenz horcht auf

Zu dieser guten Atmosphäre trägt auch Vettel selbst bei. Der Heppenheimer lernt fleißig Italienisch, arbeitet akribisch und scheint sich für keine Aufgabe zu schade. Als der vierfache Weltmeister am Samstagmorgen mit seinem Ferrari ins Kiesbett rutschte, half er den Streckenposten, den SF15-T schnellstmöglich zu befreien, abzudecken und auf den Abschleppwagen zu befördern. Sind es genau dieser Zusammenhalt, das Wir-Gefühl und die bedingungslose Hingabe, die Ferrari nun wieder an die Spitze bringen?

Die Konkurrenz zumindest horcht auf. "Es scheint, als hätte Ferrari den größten Schritt gemacht. Da sind unsere Augen im Moment weit offen", erklärte Mercedes-Pilot Nico Rosberg in Barcelona. Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo hat die Roten ebenfalls auf der Rechnung - allerdings hinter der silbernen Konkurrenz. "Ferrari sah schon in Jerez stark aus", sagte der Australier. "Ich denke, es wird sehr eng mit uns, Williams und Ferrari. Es sieht so aus, als wären wir alle auf recht ähnlicher Pace."

Von diesen Lobeshymnen distanziert sich Ferrari aber bewusst. Nach sieben Jahren ohne Weltmeistertitel - wenn teilweise auch knapp - sollen die Erwartungen nicht zu hoch angesetzt werden. Weiterhin bleibt das Ziel der Scuderia, 2015 zwei Siege zu feiern, drei wären perfekt. Auch Präsident Marchionne ruft zur nötigen Zurückhaltung auf. "Ich denke, die Ergebnisse entsprechen den Erwartungen der Ingenieure. Auch Kimi's Lächeln ist ein Beweis unseres Fortschritts", meinte der Ferrari-Präsident. Trotzdem sollen weder Fans, Medien noch das Team selbst auf Wunder hoffen. "Es wird seine Zeit brauchen. Selbst beim ersten Rennen wird es schwierig sein vorherzusagen, zu was das Auto fähig ist."