An eines haben wir uns in den vergangenen beiden F1-Jahren mittlerweile gewöhnt: Der Januar ist der Monat des Papierkrams und der Meetings. Für die Hälfte des Umsatzes der Fax- und Briefpapierindustrie scheint schon von jeher FIA-Präsident Max Mosley verantwortlich zu sein. Die andere Hälfte übernehmen in diesem Jahr die Automobilhersteller und F1-Teamchefs.

Dabei begannen die zurückliegenden sieben Tage doch so viel versprechend. In einem Teamboss-Meeting zwischen Bernie Ecclestone und allen Teamchefs außer Ferrari einigten (ein erst vor kurzem in der F1-Teamchef-Sprache eingeführtes Wort) sich die Anwesenden darauf vorerst keine weiteren Regeländerungsvorschläge zu machen und schlugen Mosley deshalb vor das geplante Freitags-Meeting auf einen Termin nach den ersten drei Überseerennen zu verschieben, da man erst dann die Auswirkungen der aktuellen Regeländerungen auch wirklich beurteilen könne. Zudem unterschrieben die Neun auch die fast schon totgesagte Testlimitierung auf 30 Testtage mit maximal zwei Autos auf einer Strecke.

Als sich am Mittwoch die drei GPWC-Hersteller mit Toyota und Honda zusammensetzten und letzten Endes ein weiteres Zukunftsdokument in alle F1Welt hinaus entsendeten, wuchs zwar der Papierberg weiter an, doch blieb die Stimmung ebenfalls weiter positiv.

Und dies obwohl sich dennoch ein paar Fragen aufdrängten. Zum Beispiel jene: Auf welcher Seite steht der große F1-Zampano Bernie Ecclestone eigentlich? So möchte Mr. E. natürlich nach Ferrari auch noch die anderen neun Teams an die F1 und sein neues Concorde Agreement binden. Andererseits stellt er sich mit dem gemeinsam entworfenen Brief der Teams an Max Mosley gegen die FIA und deren akute Regeländerungspläne.

Der Grund dafür ist klar: Er möchte, dass die Teams ihm folgen, da diese der FIA aber spätestens seit dem FIA-FOM-Ferrari-Bündnis und vielen Gerüchten und Spekulationen um ein zu enges Verhältnis der Motorsportweltbehörde zum ältesten F1-Rennstall nicht mehr so richtig über den Weg trauen, muss auch er sich das Vertrauen der Teams wieder verdienen.

Somit lässt sich die Frage danach, auf welcher Seite Ecclestone steht ganz einfach beantworten: Er steht wie immer auf seiner Seite. Letzten Endes dürfte dies wohl darauf hinauslaufen, dass es zu einem weiteren Kapitel von "Wie Bernie alle gegeneinander ausspielte, ausgab auf ihrer Seite zu stehen und letztlich doch seinen Willen bekam" kommt.

Derweil wird die Kluft zwischen den Herstellern und neun Formel 1 Teams auf der einen Seite und Ferrari sowie dem Motorsportweltverband FIA auf der anderen Seite nicht nur immer größer, sondern auch immer deutlicher sichtbar: Über zwei Stunden lang tagten Max Mosley, Charlie Whiting, Ross Brawn und Jean Todt am Freitag beim dritten großen Meeting dieser Woche in London. Und zwar alleine. Die anderen Teamchefs waren wie angekündigt nicht zu diesem Treffen erschienen.

Immerhin brachte dies zumindest ein bisschen Abwechslung in den grauen Meetingalltag: Während bei den zurückliegenden Teamcheftreffen seit Interlagos immer Ferrari fehlte (da man offiziell anderen "wichtigen Verpflichtungen" nachzugehen hatte), ließen diesmal die anderen Teams auf sich warten. Den seit Tagen kolportierten FIA-Ferrari-Klüngel-Gerüchten nahm dies natürlich nur schwer den Wind aus dem Kanal.

"Wir konnten heute eine riesige Menge an nützlichen Informationen sammeln, vielleicht mehr als wenn alle anderen Teams auch da gewesen wären", verkündete Mosley nach seiner zweistündigen Teeparty mit der Führungscrew aus Maranello.

Entsprechend stellte das Freitags-Meeting von Heathrow für den FIA-Obersten "den Beginn des Friedens" dar. Fraglich bleibt allerdings wer diesen Frieden geschlossen haben soll und warum? Schließlich hatte Ferrari schon vor zwei Wochen ein neues Concorde Agreement mit der FIA und der FOM unterzeichnet. Die einzigen die nicht im "Friedenszustand" mit dem Weltverband sind, sind die Hersteller und die anderen neun Teams – diese waren beim Friedensgipfel von London aber nicht anwesend. Mit wem hat Max also Frieden geschlossen?

Vielleicht ja mit den Militärexperten, welche das B·A·R Team in dieser Saison mit Taktiken zur psychologischen Einschüchterung der Gegner versorgen. Ob die sich beinahe täglich wechselnde Meinung der Weißen zu einer Testbeschränkung ebenfalls eine solche Strategie ist oder ob man sich hier einfach nur selbst verwirrt ist derweil nicht ganz klar.

Extrem klar ist jedoch, dass B·A·R sich der bereits unterschriebenen Testbeschränkungsverpflichtung nur dann unterziehen wird, wenn sich auch Ferrari anschließt. Alles andere sei laut Teamboss Nick Fry "lächerlich". Und zwar ebenso lächerlich wie die sich ständig ändernde Meinung in Brackley sowie der Wert des Testlimitierungsdokuments. Denn dieser liegt noch unter jenem des inflationär gebrauchten FIA-Faxpapiers.

Ferrari überzeugte unterdessen im Verlaufe des zweistündigen freitäglichen Kaffeekränzchens mit Max Mosley, diesen von seiner Idee die Testbeschränkung nicht auf Basis von Tagen, sondern Testkilometern zu begründen.

Der 30-Tage-Vorschlag der neun anderen Teams helfe laut Mosley "den kleinen Teams nicht", da diese "ohnehin keine 30 Tage testen" würden. Keine Frage, eine korrekte Aussage. Aber würde eine Kilometerbeschränkung auf 15.000 Testkilometer, wie sie Ferrari bereits zu Jahresbeginn vorlegte, den kleinen Teams helfen? Testen sie überhaupt so viel?

Und noch ein Denkfehler hat sich in die Ferrari-Mosley-Testideen eingeschlichen: Laut Mosley ist es "vernünftiger" die Tests durch "erlaubte Kilometerzahlen" zu beschränken, da die Teams dann nicht über Nacht mit zwei Crews arbeiten müssten, um vielleicht tags darauf wegen Regens nicht testen zu können, da man das Risiko eines verlorenen Testtages nicht eingehen möchte. Dies würde laut Max dann "nichts ausmachen", da es "egal ist an wie vielen Tagen man testet, so lange man die Testkilometer nicht überschreitet."

Dabei vergisst Mosley aber, dass die so "verlorenen" Tage dennoch Geld verschlingen. Denn Personal und Material sind trotzdem vor Ort, müssen transportiert, gewartet, ge- und verpflegt werden und benötigen ein kuschelig warmes Hotelzimmer.

Richtig in Fahrt kommt Mosley aber ohnehin erst, wenn es darum geht das aktuelle Reglement oder noch besser ein zukünftiges Reglement zu ändern. Beinahe hat es den Anschein, dass es wichtiger ist jedes Jahr viele neue und möglichst radikale Regeländerungen einzuführen (wie die geplanten Gehalts- und Alterslimits für Fahrer, die nur noch zweimalige Modifikation der Autos während der Saison oder so viele Einheitsteile wie möglich) als den Fans spannende Rennen zu bieten.

Aber in diesem Zusammenhang erkannte unser motorsport-magazin.com-Kolumnist Jacques Schulz bereits zu Beginn des letzten Jahres richtig: "Wir müssen von der Vorstellung wegkommen, dass es in der Formel 1 um Sport geht. Die Formel 1 ist heutzutage viel mehr Show als Sport." Nur leider ist die Show für die Zuschauer manchmal ziemlich erbärmlich...

Und zwar nicht nur bei langweiligen Rennen, sondern auch beim Kasperltheater rund um die Regeländerungen und Zukunftsdeals der multinationalen Automobilhersteller, traditionellen Rennställe, großen Präsidenten und noch größeren Rechteinhabern.

Eine gute Show ist etwas anderes – außer man erfreut sich gerne an den unzähligen Streitereien hinter den Kulissen: Banken gegen Bernie. Bernie gegen die Teams. Mosley gegen die Teams. Die Teams gegen Ferrari. Das FIA-FOM-Ferrari-Trio gegen die Teams. Jeder gegen jeden. Neun gegen einen. Nur nicht auf der Strecke.

Damit es auf jener Rennstrecke vielleicht doch irgendwann wieder einmal spannender wird, hat sich der regelwütende FIA-Boss natürlich wieder etwas Neues ausgedacht: Eine Aerodynamikbeschneidung auf bis zu 10% der aktuellen Abtriebswerte – was für die Hersteller, die in ihrem Schreiben vom Mittwoch noch betonten, dass mit den Autos die "schnellstmöglichen Rundenzeiten erzielt werden sollen", wohl ein Schlag ins Gesicht sein dürfte.

Aber das ist noch nicht alles. Max erhört in diesem Zusammenhang auch den schon seit Jahren aufbrandenden Ruf der Fans und Experten nach Slicks! Doch während die Fans über diese Ankündigung noch jubeln, stellt sich die Frage warum Mosley eine Slick-Rückkehr bislang partout ablehnte? Und warum diese aus Sicherheitsgründen überhaupt verboten wurden, wenn sie nun wieder eingeführt werden sollen? Und wie soll der erhöhte Reifengrip – der den verlorenen aerodynamischen Grip ausgleichen soll – mit der Wunschvorstellung eines Einheitsreifenherstellers samt langlebigen Hartgummireifen erreicht werden?

Fragen über Fragen. Und die wichtigste bleibt: Ändert Mosley die F1Welt zu Tode? Im Fußball heißt es seit Jahrzehnten immer und immer wieder, dass das Erfolgsrezept des deutschen Volkssports Nummer 1 aus den schlichten und einfachen Regeln, die überall und für jeden gleich sind, bestehen würde.

Die Formel 1 ist nun natürlich kein Breitensport wie das Ballkicken auf dem grünen Rasen, aber wurde die Abseitsregel (von der unrühmlichen aktiv/passiv Diskussion einmal abgesehen) in den vergangenen drei Jahren mindestens fünfmal geändert? Oder werden die Tore konsequent und unaufhörlich jedes Jahr um einige Zentimeter beschnitten?

Nein. Dafür scheint es allerdings bei der Frage nach unparteiischen Handlungen bei der Regel- und Schiedssprechung sowohl auf dem Fußballplatz als auch am Place de la Concorde hin und wieder Parallelen zu geben...