Die ersten beiden Freien Trainings in Singapur offenbarten wie bereits im Vorjahr einen gewaltigen Performance-Unterschied zwischen den extraweichen und weichen Reifen des italienischen Herstellers Pirelli. Über zweieinhalb Sekunden pro Umlauf brachten die 'Supersofts' gegenüber der zweithärtesten Mischung ein - was dem größten Unterschied im gesamten Kalender der Formel 1 entspricht. Warum ausgerechnet in Singapur diese gigantische Kluft zwischen den beiden Reifentypen herrscht, verrät euch Motorsport-magazin.com.

Verschiedene Arten von Grip entscheidend

Wie Pirellis Motorsport-Direktor Paul Hembery verriet, unterliegen die beiden Reifentypen einer gänzlich anderen Herstellung. Dabei hätte beide Sorten an Renn-Pneus trotz ihrer 'weichen' Beschaffenheit strukturell kaum etwas miteinander zu tun. Während die soften Reifen ihren Grip hauptsächlich über Verformungen in Folge des Kontaktes mit der Strecke erlangen, gehen die extraweichen Reifen primär über das Prinzip der Haftung.

"Bei den weichen Reifen haben wir den sogenannten Verformungs-Grip, der dadurch Eintritt, dass der Reifen quasi auf die Strecke drückt und sich je nach Oberfläche anpasst", erklärt der Brite. Die superweichen Pneus hingegen würden für ihren Intensivkontakt mit der Strecke eine Art chemische Reaktion eingehen. "Die Supersofts arbeiten eigentlich nahezu über Haftgrip. Der Reifen klebt also förmlich auf der Strecke, was dich natürlich extrem schnell macht", verrät Hembery.

Durch die extreme Haftung erhitzen die supersoften Reifen sehr stark, Foto: Sutton
Durch die extreme Haftung erhitzen die supersoften Reifen sehr stark, Foto: Sutton

Jedoch bringe das auch den unangenehmen Effekt des schnellen Abbaus: "Durch die extreme Reibung erhitzt der Reifen natürlich sehr schnell und baut dementsprechend schnell ab. Das will eigentlich keiner haben, im Qualifying und auf kurze Distanzen im Rennen nimmt man das jedoch gerne in Kauf."

Darum bringt Singapur einen derart großen Unterschied

Dass die superweichen Reifen in Singapur einen derart großen Vorteil bringen, hat vor allem einen Grund: Die weiche Beschaffenheit der Fahrbahn auf sonst herkömmlichen Verkehrsstraßen. Dies sorgt dafür, dass der softe Reifen sich nicht optimal verformt, da der Widerstand im Gegensatz zu einer 'harten' Rennstrecke schlicht zu gering ist.

Somit liefert der weiche Reifen zwar noch immer guten Grip - im Gegensatz zur 'Klebehaftung' des superweichen Reifens ist jedoch ein klarer Nachteil gegeben. Auch das Layout des Kurses mit vielen langsamen Kurven und Passagen, sowie das warme Klima spielen den 'Supersofts' hier klar in die Karten, da sie die Wichtigkeit einer Haftung mit der Strecke erhöhen respektive diese fördern.

Keine rapiden Einbrüche der Supersofts erwartet

Der Abbau der weicheren Mischung entpuppte sich in diesem Jahr zur allgemeinen Verwunderung allerdings als weit geringer als angenommen. So erzielte vor allem Fernando Alonso im zweiten Freien Training erst auf seiner zweiten fliegenden Runde seine persönliche Bestzeit. Zunächst war befürchtet worden, die weichen Reifen könnten gar innerhalb der ersten fliegenden Runde bereits massiv an Performance verlieren.

"Dieses Phänomen ist uns heute nicht untergekommen", verrät Hembery, der aber die Ursache natürlich bestens kennt. "Wir haben in dieser Saison konservativere Reifen, und das wirkt sich selbst hier in Singapur auf die Performance der Supersofts aus, obwohl diese Strecke normalerweise sehr unbarmherzig mit diesem Reifentyp umgeht."

So habe der italienische Hersteller eine geringfügig schlechtere Performance hinsichtlich einer schnellen Runde in Kauf genommen: "Wir haben die Pneus so konstruiert, dass sie zwar zwei bis drei Zehntelsekunden langsamer sind, jedoch haben die Fahrer nun sogar noch ein wenig Reserve. Dass die Reifen wie bei Alonso jedoch in der zweiten gezeiteten Runde noch eine schnellere Zeit ermöglichen, überrascht sogar uns selbst, ehrlich gesagt", zeigt sich der Brite erstaunt.