Wer heute an die Historie des Deutschland Grands Prix zurückdenkt, hat zumeist ausschließlich Bilder aus Hockenheim oder vom Nürburgring vor Augen. Kaum jemand erinnert sich daran, dass es noch einen dritten Austragungsort gab: Die heute nur noch als Autobahn fungierende Avus in Berlin.

Dabei war sie sogar die Älteste aller deutschen Rennstrecken. Ihre Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1909. Damals machte sich Kaiser Wilhelm II. dafür stark, eine Automobilteststrecke vor den Toren Berlins zu bauen. So wollte er einen Beitrag dazu leisten, den damaligen Rückstand der Deutschen im Automobilbau aufzuholen. Erbaut wurde die Avus, unterbrochen durch den ersten Weltkrieg, in den Jahren 1913 bis 1921. Sie war damit die erste Rennstrecke Deutschlands.

Ein ungewöhnlicher Straßenkurs

Manfred von Brauchitsch holt 1935 Platz fünf, Foto: Mercedes-Benz
Manfred von Brauchitsch holt 1935 Platz fünf, Foto: Mercedes-Benz

Die Avus war eine echte Hochgeschwindigkeitsstrecke, sie bestand Zeit ihrer Existenz im Wesentlichen aus zwei Geraden und zwei Kurven. Zu Beginn war sie eine reine Privatstraße, erst 1940 wurde sie ans Autobahnnetz angegliedert. Bekannt und gefürchtet war sie wegen der hohen Geschwindigkeiten und ihren Bodenwellen. Auslaufzonen gab es kaum, spektakuläre Unfälle waren an der Tagesordnung.

Wegen der schlechten Wirtschaftslage sollte es zunächst nur sehr wenige Rennen auf der Avus geben. Das erste Rennen fand 1921 statt, übrigens ganze sechs Jahre vor der Eröffnung des Nürburgrings. Danach gab es mehrere Jahre gar keinen Rennbetrieb. Im Jahr 1926 war die Avus der Austragungsort des allerersten Grand Prix von Deutschland, den Rudolf Caracciola für sich entscheiden konnte.

Bekannt wurde die Strecke in den 20er Jahren durch Testfahrten der Automobilhersteller. Dabei ging es auch um Geschwindigkeitsrekorde. Vor begeistertem Publikum wurde im Jahr 1928 der raketenbetriebene Opel RAK 2 mit 238 km/h zum bis dahin schnellsten Automobil der Welt. Für den Fahrer Fritz von Opel schuf die Presse den Spitznamen "Raketenfritz".

Der Kampf zwischen Mercedes und Auto Union

Das Avus-Rennen 1935: Mercedes gegen Auto Union, Foto: Mercedes-Benz
Das Avus-Rennen 1935: Mercedes gegen Auto Union, Foto: Mercedes-Benz

In den 30er Jahren wurden die Avusrennen immer größer und beliebter, was zum großen Teil an den immensen Investitionen der Nazi-Machthaber lag. Sie unterstützten auch die Hersteller mit finanziellen Ressourcen für die Entwicklung. Resultat waren enge Rennen zwischen Mercedes und Auto Union, die mehr als 300.000 Zuschauer in ihren Bann zogen.

Im Jahr 1937 wurden die Spitzengeschwindigkeiten durch die neu gebaute Steilkurve auf nahezu 400 km/h erhöht. Mit vollverkleideten Stromlinienfahrzeugen fuhren beide Hersteller um Rekorde und Rennsiege. Die enormen Geschwindigkeiten von 1937 wurden auf der Avus nie wieder erreicht. Die Strecke wurde 1938 zum ersten Mal verkürzt und eine Reglementänderung beschränkte den Hubraum der Fahrzeuge, die somit über weniger Leistung verfügten.

Der einzige Formel 1 GP im Jahr 1959

Im Jahr 1959 startete dann die Formel 1 auf der Avus. Für die Berliner gab es einen Ferrari-Dreifachsieg zu bejubeln, Tony Brooks überquerte die Ziellinie als Erster. Überschattet wurde das Rennwochenende jedoch von einigen Unfällen. Hans Hermann überschlug sich in seinem Mercedes spektakulär. Er wurde dabei sogar aus dem Auto geschleudert, blieb aber unverletzt.

Ein Vorfall im Rahmenprogramm ging weniger glimpflich aus: Der Franzose Jean Behra verlor in der Steilkurve die Kontrolle über sein Fahrzeug. Er flog aus der Kurve heraus und traf einen Fahnenmast. Der Unfall endete für ihn tödlich. Es war nach nur einem Rennen schon wieder das Ende der Formel 1 auf der Avus. Zudem änderte die FIA ihre Sicherheitsanforderungen als Folge des Vorfalls - damit waren Steilkurven in der Formel 1 Vergangenheit. Auch die Steilkurve der Avus wurde im Jahr 1967 zurückgebaut.

Die Avus in DDR-Zeiten

Ein Großteil der Avus befand sich in West-Berlin, wodurch auch in Zeiten der deutschen Teilung Motorsportveranstaltungen stattfinden konnten. Dafür wurde die Strecke wiederholt verkürzt. Unter den erschwerten Bedingungen machte sogar die DTM Station. Ab 1984 fuhr sie in Berlin, dazu kamen später Rahmenrennen wie der Porsche 944 Cup und die Formel 3.

Auch nach der Wiedervereinigung gab es zunächst weiter Motorsport auf der Avus. Doch es gab erneut viele Unfälle zu bedauern: Dieter Quester überschlug sich bei der DTM 1990 in einem BMW M3 und schlitterte mehrere hundert Meter auf dem Dach in Richtung Leitplanke. Einen heftigen Feuerunfall überstand John Winter im Jahr 1994 in seinem DTM Calibra nahezu unverletzt. Beim letzten Auftritt der DTM 1995 konnte nach einer Massenkollision im ersten Lauf der zweite Lauf nicht mehr ausgetragen werden. Das letzte STW Rennen im Jahr 1996 wurde von einem tödlichen Unfall überschattet.

Als Mitte der 90er Jahre das Verkehrsaufkommen in Richtung Berlin immer größer wurde, waren Sperrungen der zum Straßennetz gehörigen Avus immer weniger gern gesehen. Sicherheitsbedenken und die Verkehrssituation führten zum Aus für die Avus. Die letzten Rennen fanden im Jahr 1998 statt. Der mehr als 100 km entfernte EuroSpeedway Lausitz wurde neu gebaut, er sollte dem Berliner Publikum quasi als Ersatz dienen.

Bemühungen, die Strecke für die Nachwelt zu erhalten, gab es kaum. Die wenigen Überbleibsel der Avus befinden sich heute in desolatem Zustand: Nur noch die unter Denkmalschutz stehende, aber marode Haupttribüne, der als Raststätte genutzte Zielturm und die Reste der ehemaligen Nordkurve erinnern heute noch an den historischen Motorsportschauplatz.