Die neue Turbo-Ära der Formel 1 spaltet weiterhin die Lager. Ob zum Thema Budgetgrenze, Sound, Umweltfreundlichkeit oder Nachhaltigkeit - in nahezu jedem Punkt gehen die Meinungen bisweilen konträr auseinander. Geht es nach Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery, könnte sich die Königsklasse des Motorsports einiges an Konfliktpotential ersparen. So solle salopp gesagt der Fan bestimmen, in welche Richtung sich der Sport weiterentwickelt.

"Im Grunde genommen ist es einfach so: Die Formel 1 ist ein Business und als solches muss sie sich wie jedes andere Business der Welt auch am Kunden orientieren", konstatiert Hembery. So ginge die Königsklasse des Motorsports momentan einen schwierigen Weg, bei dem sie zunächst Änderungen durchsetzt, und anschließend versucht, diese nach den Wünschen der Fans zu modifizieren. "Die Formel 1 ist gerade dabei, das Pferd quasi von hinten aufzusatteln und das ist definitiv der falsche Weg. Wir sollten uns permanent fragen, was der Fan will, denn ohne Fans wird es diesen Sport nicht geben."

Formel 1: Wrestling oder Technologieschmiede?

Die Formel 1, so Hembery, sei quasi eigenmächtig den Weg der technologischen Entwicklung gegangen, obwohl die Zuschauer möglicherweise eine reine Show wie im Wrestling bevorzugt hätten. "Früher war es doch eine ganz andere Situation. Du hattest zwei Sportkanäle im TV und auf einem lief immer Formel 1 an den Sonntagen, sodass dir eine große Zuschauerzahl fast sicher war. Heutzutage ist doch mittlerweile jeder Sport global, wir haben ein Vielzahl an Sportsendern und sowieso hat sich das Nutzungsverhalten in Richtung Internet sowie mobile Endgeräte entwickelt, auf denen sich jeder nur noch das anschaut, was ihn wirklich interessiert. Wenn die Leute Show wollen, holen sie sich diese. So einfach ist das."

Demnach müsse die Formel 1 alles dafür tun, so attraktiv wie möglich für eine möglichst große Anzahl an Menschen zu werden. "Der Schritt in Richtung 'grüne Rennserie' mit nachhaltiger Technologie ist aus Sicht der Hersteller natürlich logisch, jedoch kann es sich die Formel 1 beim besten Willen nicht erlauben, eine Debatte wie die um den Motorensound aufkommen zu lassen und somit möglicherweise viele Fans an den Strecken sowie auch vor dem TV zu verlieren." Auch Pirelli sei sich seiner Rolle als Dienstleister voll bewusst und würde jederzeit nach den Wünschen der Fans agieren. "Wenn die Leute Rennen ohne Reifenwechsel sehen wollen, können wir das jederzeit liefern und hätten auch kein Problem damit", so Hembery.

Red Bull und Mercedes schlecht für Geschäft?

Phasen totaler Dominanz, wie sie in der Formel 1 mit der Alleinherrschaft Mercedes' und davor durch Red Bulls in den letzten drei bis vier Jahren herrschten, seien ebenfalls alles andere als gut für den Sport: "Was Leute an Sport lieben sind Spannung und Unvorhersehbarkeit und da waren die letzten Saisons meist alles andere als optimal." Das Engagement Pirellis sieht er im Moment jedoch als sehr erfolgreich und betont, dass eine Abkehr in keinem Fall zur Diskussion steht: "Wir haben noch drei bis vier Jahre Vertrag uns sind mit den Resultaten überglücklich. Wir werden uns erst kurz vor Ablauf damit auseinandersetzen, wie es für uns weitergeht."