Nach einem stressigen Winter und zwölf Testtagen ist es endlich soweit: Die Teams müssen beim Saisonauftakt in Melbourne ihre Karten aufdecken. Als größte Sorge gilt gemeinhin die Zuverlässigkeit der neuen 1,6-Liter-V6-Turbomotoren mit ihren Energierückgewinnungssystemen. Die spannendste Frage vor dem ersten Rennen des Jahres lautet somit wohl nicht, wer im Albert Park gewinnt, sondern wie viele Autos überhaupt ins Ziel kommen. Die Chancen der Nachzüglerteams auf Punkte standen vermutlich selten so gut wie an diesem Sonntag.

Reifen-Performance

Obwohl die neue Technologie in aller Munde ist und der auf 100 kg limitierte Sprit eine neue Herausforderung darstellt, sind weiterhin die Reifen der wichtigste Faktor bei der Planung einer Rennstrategie. Alle vier Reifenmischungen dieser Saison wurden von Pirelli eine Spur härter als im Vorjahr konstruiert, da sie aufgrund des höheren Drehmoments der Turbomotoren stärkeren Belastungen ausgesetzt sind, die sich vor allem in Form von Wheelspin beim Beschleunigen bemerkbar machen.

Die Reifen sind ein entscheidender Faktor, Foto: Sutton
Die Reifen sind ein entscheidender Faktor, Foto: Sutton

In Australien liefert Pirelli die weiche und mittlere Mischung an die Strecke, während 2013 noch die superweichen und weichen Pneus zum Einsatz kamen - die Reifen wurden im Vergleich zum Vorjahr also deutlich härter. Der Performance-Unterschied zwischen den beiden Mischungen wird etwa 1,2 bis 1,5 Sekunden pro Runde betragen, was bedeutet, dass die Teams bestrebt sein werden, so wenig Zeit wie möglich auf den Medium-Reifen zu verbringen.

Graining ist ein im Albert Park oftmals auftretendes Problem, das sowohl durch Rutschen in den Kurven als auch durch Bremsen und Beschleunigen hervorgerufen wird. Ein entscheidender Faktor ist dabei die Temperatur. Erreichen die Reifen nicht ihre optimale Betriebstemperatur, ist der Gummi weniger nachgiebig und löst sich leichter von der Reifenoberfläche.

Strecken-Entwicklung

Mit der Streckentemperatur verändern sich die Fahrzeugbalance, die Performance der Reifen und das Fahrgefühl des Fahrers. Das Rennen in Melbourne beginnt erst um 17:00 Uhr Ortszeit. So werden die Bedingungen im Training am Freitagvormittag viel wärmer sein und damit ein anderes Reifenverhalten verursachen als während des Rennens. Das zweite Training wird repräsentativere Bedingungen bieten, da die Strecke während der Session auskühlen wird und die Teams ein Setup finden müssen, das mit dieser Variable umgehen kann.

Der Grip im Albert Park ist gering, Foto: Sutton
Der Grip im Albert Park ist gering, Foto: Sutton

Der Albert Park ist kein permanenter Kurs. Das zeigt sich vor allem im Nassen. Dann unterlaufen den Fahrern regelmäßig Fehler auf den weißen Linien der Strecke. Bei schwierigen Mischbedingungen ist viel mehr Variabilität gefordert als auf einer "normalen" Strecke - das müssen die Teams ausnutzen so gut es geht. Anders als an den meisten Rennwochenenden fahren in Melbourne viele weitere Rennserien im Rahmenprogramm der Formel 1. Jede Strecke verändert sich im Laufe eines Wochenendes weiter, aber in Melbourne spielt dies eine geringere Rolle als man meinen könnte, weil so viele andere Autos auf der Strecke fahren und diese relativ gut säubern.

Boxenstopps

Weil die Boxengasse in Melbourne mit 280 Metern eine der längsten der Saison ist und zudem eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h besteht, werden die Teams davon absehen, viele Boxenstopps einzulegen. Zwar werden die Piloten im Rahmen der Freien Trainings noch einige Erfahrungswerte sammeln, doch es ist davon auszugehen, dass die meisten Teams eine Zwei-Stopp-Strategie planen.

Der Albert Park hat eine lange Boxengasse, Foto: Sutton
Der Albert Park hat eine lange Boxengasse, Foto: Sutton

Der erste Stopp wird zwischen Runde 17 und 20 stattfinden, während die Fahrer zum zweiten Mal zwischen dem 40. und 45. Umlauf zum Reifenwechsel kommen werden. Insgesamt stehen beim Großen Preis von Australien 58 Runden auf dem Programm.

Überholen

Überholmanöver sind nicht so verbreitet wie auf anderen Strecken. Die Geraden sind kürzer und der Streckenverlauf wurde nicht mit den gleichen Designprinzipien im Hinterkopf entwickelt wie die modernen Strecken in Malaysia, Bahrain oder China. Die Strecke ist recht eng, aber Überholmanöver sind dennoch möglich. Die beste Stelle ist nach der DRS-Zone vor Kurve drei, aber glasklare Überholmöglichkeiten gibt es nur wenige. Ein Fahrer muss mutig und entschlossen sein, Risiken einzugehen, um diese Chancen zu ergreifen. Die Gefahr von Unfällen ist dabei hoch.

Das Safety Car kommt regelmäßig zum Einsatz, Foto: Sutton
Das Safety Car kommt regelmäßig zum Einsatz, Foto: Sutton

Safety Car

Im Albert Park gab es in den vergangenen zehn Jahren elf Safety Car-Einsätze verteilt auf fünf verschiedene Rennen. Melbourne ist das erste Rennen des Jahres. Dadurch sind die Autos grundsätzlich noch weniger zuverlässig. Gleichzeitig sind die Fahrer beim Saisonstart auch besonders heiß darauf, so viele Punkte wie möglich zu holen. Ihnen ist zwar klar, dass die WM noch nicht im ersten Rennen entschieden wird, aber es ist ein psychologischer Vorteil, mit einem Sieg aus Melbourne abzureisen.

Dies führt unweigerlich zu einigen zusätzlichen Zwischenfällen. Die eigentliche Ursache für die Safety Car-Phasen liegt jedoch daran, dass es relativ wenig Platz neben der Strecke gibt. Deshalb wird das Safety Car benötigt, um das Rennen nach einem Zwischenfall zu neutralisieren. Nur so können die Streckenposten die Strecke von Teilen säubern oder ein ausgefallenes Auto bergen.