Eine weitere Mercedes-Pole: Kann Lewis Hamilton morgen auch gewinnen?
Johnny Herbert: Nein, sie haben immer noch ihr Problem. Das Auto ist immer noch sehr unsanft zu den Reifen. Ich glaube, man kann es sogar auf der Strecke sehen. Wenn er fährt, sind die Reifen gut für eine Runde, sie werden sehr gut belastet. Aber auf einem Longrun werden die Reifen zu stark belastet. Gestern haben wir schon gesehen, dass Lewis am Ende seines Runs Probleme hatte. Aber es ist besser, dass sie ein schnelles Auto und diese Probleme haben, als wenn sie ein langsames Auto hätten.

Aber trotzdem ist es sicherlich frustrierend. Sie stehen jetzt auf Pole, sie haben den Speed, aber können sie die Probleme lösen? Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube, sie haben im Moment noch nicht vollkommen verstanden, woher die Probleme kommen. Und es ändert sich auch von Strecke zu Strecke. In Silverstone war es zum Beispiel ok, aber am Nürburgring und vermutlich auch hier nicht. Es ist von Strecke zu Strecke unterschiedlich, sie sind einfach nicht konstant.

Am Nürburgring hast du mir nach dem Qualifying gesagt, dass du bei Lewis Hamilton noch Chancen auf die WM siehst, aber da waren die Reifen auch noch nicht so eingegangen...
Johnny Herbert: Wir haben gesehen, dass der Mercedes im Qualifying überall schnell ist. Und vielleicht sind alle diese Strecken, die später in Asien kommen, auch im Rennen gut für Mercedes. Das wissen wir aber erst, wenn wir dort sind. Es ist noch nicht vorbei. Je mehr Punkte Sebastian holt, desto komfortabler ist die Situation natürlich für ihn. Er muss nicht immer gewinnen, auch Podiumsplatzierungen reichen ihm. Es ist noch nicht vorbei, er kommt nur näher an seinen nächsten Titel.

Sebastian hat auch ein sehr schnelles Auto auf die Renndistanz...
Johnny Herbert: Ja, natürlich. Er muss sich vielleicht gegen Grosjean verteidigen. Kimi war hier nicht ganz so stark wie Romain. Romain kommt hier sehr gut zurecht. Das hat er schon letztes Jahr gezeigt und so war es auch im Qualifying wieder. Ich glaube, er kann ein gutes Rennen zeigen. Und auch am Start: Er ist auf der sauberen Seite, Sebastian auf der dreckigen. Das könnte ein Vorteil sein.

Wenn nichts passiert...
Johnny Herbert: Es gibt immer die Chance, dass etwas passiert. Es kann aber auch sein, dass nichts passiert. Man braucht gar nicht darüber nachzudenken, ob etwas passieren wird, weil man nicht weiß, was passiert. Und wenn etwas passiert, dann haben wir keinen Schimmer davon, wie es passiert, darüber darf man sich keine Gedanken machen. Als Fahrer musst du einfach versuchen, so gut wie möglich zu starten und dann gut durch Kurve eins zu kommen.

Weißt du, was mit Kimi los war?
Johnny Herbert: Das Auto sah etwas unruhig aus. Am Nürburgring haben wir gesehen, wie stark er ist. Aber heute hatte er immer Fehler in seinen Runden. Den letzten, den wir gesehen haben - das war so ziemlicher Rallye-Style. Er hatte dort immer ein Problem. Hat er das Auto vielleicht überfahren? Vielleicht. Kimi ist jemand, der normalerweise fühlen kann, was passiert, aber das Auto war deutlich unruhiger und er hatte mehr Untersteuern als Romain, weshalb auch immer. Und der Hungaroring bestraft so etwas. Wenn du Untersteuern hast, musst du kämpfen, den Kurvenscheitelpunkt noch zu erwischen. Und dann kriegst du schnell Übersteuern. Er hat die Balance nicht so wie Romain hinbekommen. Romain kann ohne Probleme früher einlenken.

Es sieht so aus, dass es für Grosjean seit Deutschland stark bergauf geht, oder?
Johnny Herbert: Wir wussten schon, dass er klasse ist. Er hatte zwar ein bisschen Probleme, aber ich glaube, er ist etwas runtergekommen. Er passt jetzt besser darauf auf, was um ihn herum passiert. Und hoffentlich macht er das morgen auch und kann ein paar Punkte mit nach Hause zu seiner Frau nehmen, mit der er in der nächsten Woche das erste Kind erwartet.

Adrian Sutil hat mir erzählt, dass er nicht wirklich glücklich mit den neuen Reifen ist. Er sagt, dass ihr Vorteil nun weg ist, weil die neuen Reifen besser für die Top-Teams sind.
Johnny Herbert: Ja, der Wechsel ist ein Vorteil für Red Bull. Ich habe von Adrian Newey gehört, dass sich die Reifen anders verformen und das hilft auch deren Aerodynamik. Das sind mehrere positive Faktoren für sie. Ferrari hat es vielleicht auch ein bisschen geholfen, genauso wie Lotus. Wobei Lotus ja zuvor auch schon gut war - und das sind sie jetzt auch noch. Vielleicht sind sie etwas näher dran. Aber Mercedes scheint es schon zu betreffen. Sie sind immer noch auf Pole Position, der Abstand ist immer noch klein, genau wie zuvor, vielleicht helfen die Reifen ihnen - vielleicht. Aber jetzt sind wir hier in Ungarn und haben auch erst ein Qualifying gesehen und noch nicht einmal ein Rennen. Und das Rennen in Spa wird auch wieder anders. Das wissen wir nicht. Und der Hungaroring ist ein sehr spezieller Kurs.