Du wohnst hier in Monaco gleich um die Ecke - kommst Du am Wochenende noch mal im Fahrerlager vorbei?
Bruno Senna: Das habe ich eigentlich nicht vor - ich will nicht den Eindruck erwecken, dass ich unbedingt wieder einen Platz in der Formel 1 suche und auch noch ständig Fragen dazu beantworten. Warum soll ich da herumlaufen, wenn ich da nicht wirklich was zu tun habe. Ich konzentriere mich auf das, was ich im Moment mache, auf meine Rennen in der WEC, und ich bin sehr glücklich dort.

Das heißt, du vermisst die Formel 1 gar nicht?
Senna: Wenn ich etwas vermisse, dann rein die Autos, das Fahren mit den anspruchsvollsten Rennautos der Welt, der Wettbewerb. Aber sonst nicht wirklich viel...

Aber die Rennen verfolgst Du schon noch im TV?
Senna: Klar, die Formel 1 interessiert mich auf jeden Fall immer noch, wird sie auch immer. Ich schaue mir schon alle Rennen an und zum Teil auch die Trainings, wenn es zeitlich passt...

Und was fiel dir da zuletzt besonders auf?
Senna: Klar ist die Reifensituation das auffälligste, die Unterschiede zwischen Qualifying und Rennperformance, wie die unterschiedlichen Team unterschiedlich mit dieser Situation umgehen, wie einzelnen Autos mit dem Reifen offenbar einfach auf eine Runde viel besser umgehen können, andere über die Distanz. Das ist um einiges deutlicher als im letzten Jahr, das ist ein extremer Kontrast.

Wie siehst Du die ganze Reifendebatte - muss man etwas ändern?
Senna: Ganz ehrlich, im reinen Performance-Bereich ist der Unterschied wohl gar nicht so groß, das Konzept ist halt ein bisschen anders, aber so wild ist das nicht, dass man da viel tun müsste. Das einzige, wo ich glaube, dass man was tun müsste, ist dieses Delaminierungsproblem. Das ist einfach eine Sicherheitsfrage...

Genau das streitet aber jetzt das ein oder andere Team ab...
Senna (grinst ironisch): Da müssen die Teamleute, die das behaupten, aber ganz andere Informationen haben als ich. Das Argument, dass der Reifen ja nicht komplett "explodiert", dass man damit noch irgendwie zurück an die Box käme, zählt nicht. Es kommt immer darauf an, wo dir so etwas passiert: Wenn dir in einer schnellen Kurve, hier etwa im Tunnel oder in Spa in Eau Rouge, der Reifen so in Fetzen fliegt, dann kommst du in ganz große Schwierigkeiten. Und wenn das Problem jetzt in diesem Jahr offenbar gehäuft auftritt, dann muss man etwas dagegen unternehmen.

Rechnest Du mit einem Dreikampf um den WM-Titel zwischen Vettel, Alonso und Räikkönen?
Senna: Ich glaube schon. Wobei mir Sebastian im Moment die meisten Probleme zu haben scheint, konstant mit dem Reifen klarzukommen, da sind ziemlich große Schwankungen drin. Lotus und Ferrari sind da wesentlich konstanter. Andererseits, wenn Red Bull es richtig hinkriegt, dann fährt er wohl allen ziemlich deutlich davon. Obwohl ich glaube, dass Alonso in Bahrain ohne sein DRS-Problem schon deutlich näher dran gewesen wäre, das ein ganz anderes, zumindest sehr spannendes Rennen geworden wäre.

Durch die vielen Überholmanöver, die Fernando dann nach dem Problem brauchte, hat er halt auch seine Reifen sehr stark strapaziert, das hat das Bild etwas verfälscht. Bei Lotus ist auf die Dauer nicht nur die finanzielle Seite eine Frage, in Sachen Mithalten mit dem allgemeinen Entwicklungstempo, sondern vor allem auch, wie sich der Weggang von James Allison auswirken wird. Ich glaube persönlich nicht, dass der so ganz ohne Folgen bleibt, er war da schon ein sehr wichtiger Faktor, das weiß ich aus meiner Zeit dort. Wenn ich mich heute auf einen Favoriten festlegen müsste, würde ich deshalb auf Alonso setzen.