Die Testfahrten in Jerez dienen primär als erste Standortbestimmung für die Teams. Für sechs junge Fahrer ging es in Südspanien aber um viel mehr. Sie mussten beweisen, dass sie als Rookie ihr Cockpit in der Formel 1 auch wirklich verdient haben - oder eines verdienen würden, denn Jules Bianchi durfte zwar im Force India seine Runden drehen, ist aber noch nicht als Stammpilot bestätigt. Wer sich in Jerez besonders hervorgetan hat - sowohl positiv als auch negativ - und was nach dem ersten Anschein von den sechs Rookies im Feld zu erwarten ist, hat sich Motorsport-Magazin.com genauer angesehen.

Giedo van der Garde

Giedo van der Garde ist 2013 für Caterham am Start, Foto: Sutton
Giedo van der Garde ist 2013 für Caterham am Start, Foto: Sutton

Der Niederländer musste bis kurz vor den Testfahrten zittern, ob es für ihn ein Ticket nach Spanien gibt, oder ob die Tür zur Königsklasse verschlossen bleibt. Nun gab er an den ersten beiden Tagen sein Debüt für Caterham und fuhr insgesamt 152 Runden, wobei sein schnellster Umlauf in 1:21,311 Minuten gelang. An beiden Tagen lag der Niederländer auf dem vorletzten Platz, blieb aber jeweils vor den Marussia-Rookies Max Chilton und Luiz Razia. Teamchef Cyril Abiteboul freute sich, dass der Einstand des neuen Piloten geglückt war und er sich sehr gut ins Team einfügen konnte. Insgesamt zeigte van der Garde mit den zur Verfügung stehenden Mitteln eines Caterham eine solide Leistung ohne große Patzer oder Ausrufezeichen.
Note: 3

Max Chilton

Max Chilton möchte nicht nur auf seine Sponsoren reduziert werden, Foto: Sutton
Max Chilton möchte nicht nur auf seine Sponsoren reduziert werden, Foto: Sutton

Für Max Chilton ist es 2013 persönlich sehr wichtig, einen guten Eindruck zu hinterlassen, denn eines will er sicher nicht sein: ein One-Year-Wonder. Gleich zum Auftakt sorgte der Brite für einen Knall, als er sich mit einem Dreher ins Kiesbett verabschiedete - ein Aufhängungsdefekt. Der Rookie zeigte aber trotz nur 29 Runden Nerven und blieb gelassen. Am Donnerstag demonstrierte er dann erstmals seinen unbändigen Willen. Mit 78 Runden brannte er im schnellsten Umlauf eine 1:21,269 in den Asphalt und landete damit vor Williams, Caterham und Force India auf Rang neun. Durch seine Testfahrer-Rolle bei Marussia springt der ehrgeizige Chilton auch nicht in eiskaltes Wasser und holte aus dem Marussia in Jerez das Maximum heraus.
Note: 2

Luiz Razia

Luiz Razia wurde erst kurz vor den Testfahrten bei Marussia bestätigt, Foto: Sutton
Luiz Razia wurde erst kurz vor den Testfahrten bei Marussia bestätigt, Foto: Sutton

Von der GP2 in die Formel 1 - der Traum eines jeden Piloten. Für Luiz Razia wurde er wahr. Mehr oder weniger Augenblicke nachdem Marussia ihn als Ersatz für Timo Glock bestätigt hatte, saß er in Jerez auch schon im Auto - und sorgte für Aufsehen. Kurz nach Beginn verursachte der Brasilianer schon eine rote Flagge, was aber an einem technischen Defekt lag. Mit viel Ruhm bekleckerte er sich letztlich nicht. Am ersten Tag blieb er mit seiner schnellsten Zeit rund fünf Sekunden hinter der Bestzeit zurück, am Freitag reichte es zumindest zum vorletzten Platz. Mit seinen 113 Runden zeigte der Marussia-Neuzugang zumindest Motivation und unter Berücksichtigung seines mehr als späten Einstandes ins Team, lieferte er eine solide Leistung ab.
Note: 3

Esteban Gutierrez

Esteban Gutierrez kommt mit viel Mitgift im Gepäck, Foto: Sutton
Esteban Gutierrez kommt mit viel Mitgift im Gepäck, Foto: Sutton

Von vielen als sogenannter Paydriver abgestempelt, zeigte der Mexikaner in Jerez eine überzeugende Leistung. Mit insgesamt 252 Umrundungen des Kurses - trotz einer durch ihn produzierten roten Flagge durch zu wenig Benzin - war er der fleißigste Pilot im ganzen Feld. Wenngleich Rundenzeiten bei Testfahrten niemals überbewertet werden sollten, dürfte es Gutierrez dennoch etwas stolz machen, das seine schnellste Runde eine knappe Sekunde schneller war als die Referenz von Teamkollege Nico Hülkenberg. Gleichzeitig ist der Mexikaner kein Unerfahrener, schließlich saß er - im Gegensatz zum Deutschen - bereits 2012 im Sauber und durfte beispielsweise das erste freie Training in Indien fahren. Chefstreckeningenieur Tom McCullough war am Ende mit dem Feedback des Rookies sehr zufrieden und lobte: "Er hat über die zwei Tage ausgezeichnete Arbeit geleistet." Ob Gutierrez ähnliches wie sein mexikanischer Sauber-Vorgänger Sergio Perez leisten kann, wird sich noch zeigen, der Auftakt war aber vielversprechend.
Note: 1

Valtteri Bottas

Valtteri Bottas war 2011 schon für Williams in den freien Trainings unterwegs, Foto: Sutton
Valtteri Bottas war 2011 schon für Williams in den freien Trainings unterwegs, Foto: Sutton

Schon lange Zeit ist klar, dass Williams große Stücke auf den Finnen hält - das muss er nun beweisen. Während einige der anderen Rookies fast gänzlich neu im F1-Umfeld sind, kommt Bottas mit einer gehörigen Menge Erfahrung im Gepäck. Bereits seit 2010 ist er Testfahrer bei Williams und konnte über die letzte Saison beinahe alle ersten freien Trainings mit dem FW34 bestreiten. Eine Steigerung an den beiden Jerez-Tagen war jedenfalls zu sehen. Lag der Finne am ersten Tag noch mit mehr als dreieinhalb Sekunden Rückstand auf Rang zehn, waren es am Freitag nur noch 1,7 Sekunden und der achte Rang. Fraglich ist natürlich, mit welchem Programm der neue Williams-Stammfahrer unterwegs war, sein Auftakt kann aber als gelungen bezeichnet werden.
Note: 2-

Jules Bianchi

Jules Bianchi sorgte in Jerez für Wirbel, Foto: Sutton
Jules Bianchi sorgte in Jerez für Wirbel, Foto: Sutton

Während die anderen Rookies mit stolz geschwellter Brust durch das Fahrerlager in Jerez liefen und wussten, an ihrem Rennauto für 2013 zu entwickeln, kann Jules Bianchi nur sagen, dass er nichts sagen kann - jedenfalls offiziell. Immer noch hüllt sich Force India in Schweigen, wer das zweite Cockpit für die Saison erhalten wird. Damit stand der Franzose nicht nur unter dem Druck, möglichst gute Entwicklungsarbeit zu leisten, sondern wusste auch, dass bei einem einzigen Testtag alles passen muss, um die Teamchefs zu überzeugen. Trotz dieser nervlichen Belastung überzeugte Bianchi auf ganzer Linie. Mit 56 absolvierten Runden stellte er seinen Force India auf den zweiten Rang hinter Weltmeister Kimi Räikkönen - nur 0,027 Sekunden fehlten zu Bestzeit. Von außen sind diese Ergebnisse natürlich schwierig zu beurteilen, doch Force India wird genau wissen, wie es die Leistung des Franzosen einzuschätzen hat, und vielleicht ist die Tür zum ersten Stammcockpit nun einen Spalt weiter offen.
Note: 1