Am vergangenen Wochenende erkämpfte sich Sebastian Vettel in einem spektakulären Rennen in Brasilien seinen dritten Weltmeistertitel. Doch während in der Red-Bull-Box die Feier stieg, hatte Ferrari lange Gesichter. Nach zeitweise 40 Punkten Vorsprung für Fernando Alonso und einem sehr starken - und fast fehlerlosen - Rennen in Interlagos, reichte es am Ende dennoch nur zu Platz zwei. Der ehemalige Formel-1-Teamchef Eddie Jordan freut sich zwar für Vettel und bescheinigt beiden Piloten Weltklasseformat, den Titel hätte seiner Meinung nach Fernando Alonso aber mehr verdient gehabt.

"Weil er mit dem unterlegenen Auto sowie dem ganzen Ferrari-Umfeld eine schwierigere Position hatte als Vettel bei Red Bull", erklärte Jordan im Interview mit der Welt. "Alonso hat dafür eine unglaubliche, ja fast vorbildhafte Leistung abgeliefert." Dabei bekräftigte der Ire die Aussagen des Ferrari-Piloten, er sei 2012 seine bisher beste Saison in der Formel 1 gefahren. "Unglaublich, was der Junge geleistet hat und wie bereit er war, sich trotz aller Probleme für sein Team aufzureiben."

Vettel hat das bessere Auto

Dennoch wollte Jordan gleich im Anschluss klarstellen, dass er Alonso nicht als den besseren Fahrer im Vergleich zu Vettel sieht. Die bessere Bewertung liege an den technischen Möglichkeiten der beiden Kontrahenten und dort sah er Red Bull klar im Vorteil. "Fakt ist: Sebastian Vettel hatte das bessere Auto und hat ebenso das Beste daraus gemacht - wie Alonso bei Ferrari", unterstrich der Ire.

In Saisonhälfte eins stand Vettel lediglich in Bahrain auf dem obersten Treppchen, Foto: Sutton
In Saisonhälfte eins stand Vettel lediglich in Bahrain auf dem obersten Treppchen, Foto: Sutton

Der Vorteil in Sachen Technik entwickelte sich aber erst im Verlauf der Saison, denn auch Red Bull hat am Anfang keine weltmeisterliche Form gezeigt. Tatsächlich hatte der Deutsche 2012 mit einer neuen Situation zu kämpfen. Auf einmal stand nicht mehr - mehr oder weniger - fest, dass er die Pole holen wird; Siege, von denen er 2011 in der ersten Saisonhälfte noch sechs einfahren konnte, waren auf einmal Mangelware. Lediglich in Bahrain triumphierte der Heppenheimer.

Das zeigte sich auch in der Punktebilanz. Nach den ersten zehn Rennen hatte er in der vergangenen Saison bereits 216 Punkte eingefahren, ein Jahr später waren es mit 110 nur gut die Hälfe davon. Erst in Singapur wendete sich das Blatt und eine Serie von vier Siegen in Folge und weiteren zwei Podestplätzen sicherte Vettel schließlich den Titel. Das honorierte auch Jordan. "Der Junge hat in diesem Jahr einen ganz tollen Job gemacht. Die Kombination aus Red Bull und ihm als Fahrer war nicht zu besiegen", lobte der Ire, der vor allem den stetigen Glauben an die WM bei Vettel und seiner Mannschaft lobte. Deshalb hätte auch Vettel den Titel verdient.

Vergleich mit Webber

Am Ende demonstrierte der RB8 zwar beinahe wieder altbekannte Stärke, doch das war in Jordans Augen nicht alleine dafür verantwortlich, dass Vettel von Sieg zu Sieg fuhr. Schließlich wäre Mark Webber mit gleichem Material ausgestattet gewesen. Im Vergleich erzielte der Australier aber von Ungarn bis Brasilien 112 Punkte weniger als sein deutscher Teamkollege. "Sebastian hat ohne Frage mehr daraus gemacht als der Mann, der mit einem identischen Auto an den Start gegangen ist", betonte Jordan nochmals.

Wie eine alte Regel in der Formel 1 besagt, beginnt die Vorbereitung auf die neue Saison, nachdem die Zielflagge des letzten Rennens gefallen ist. Über den Winter wird sich zeigen, wie weit Ferrari und McLaren - und vielleicht auch ein anderes Team - aufholen oder vielleicht sogar überholen können. Mit Red Bull rechnen, muss man laut Jordan aber in jedem Fall. "Wir haben im nächsten Jahr keine nennenswerten technischen Änderungen, also liegt es auf der Hand, dass Red Bull wieder sehr stark sein wird." An den Fähigkeiten von Vettel, als erster Pilot nach Juan Manuel Fangio und Michael Schumacher vier Titel in Folge zu holen, hat der 64-Jährige auf jeden Fall keine Zweifel. "Er ist jung, unverbraucht, ehrgeizig, fokussiert, extrem zielorientiert und unter dem Strich ein absoluter Weltklassefahrer."