Wie beurteilst du deine GP2-Saison? Die Ergebnisse waren nicht immer so, wie es einige Leute erwartet hatten...
Esteban Gutierrez: Das ist wahr. Am Ende zählt nur das Ergebnis. Aber man muss auch einige andere Dinge im Laufe einer Saison beachten. Meine Saison war nicht ganz konstant, aber ich konnte auch viel lernen - gerade aus den Aufs und Abs.

Lag die fehlende Konstanz an dir oder dem Auto und dem Team?
Esteban Gutierrez: Es hängt davon ab, wie man die Dinge beurteilt. Natürlich habe auch ich Fehler gemacht, aber manchmal lag es auch am Team oder es lag gar nicht in unseren Händen. Manchmal läuft es einfach nicht. Aber wenn man das bedenkt, war es in meinen Augen die beste Saison meiner Karriere. Letztlich haben wir unser Ziel erreicht, mindestens in die Top-3 der Meisterschaft zu kommen.

Du hast dich auch vor deinem Teamkollegen platziert.
Esteban Gutierrez: Ja, das war psychologisch sehr wichtig und eine große Herausforderung für mich.

Du bist noch recht jung und aus Mexiko. War es für dich schwierig, die Emotionen unter Kontrolle zu halten?
Esteban Gutierrez: Ich möchte die Gegenwart genießen. Natürlich entwickelst du dich weiter, versuchst stärker zu sein. Die Emotionen und die Psyche gehören zu den Schlüsselfaktoren. Manchmal fährt man auf die Pole Position und alles ist gut, am nächsten Tag hast du einen Unfall und jeder sieht dich als den dümmsten Fahrer im Feld an. Dann gibt es viel Kritik, damit musst du umgehen können. Denn vielleicht war es nur eine einmalige Sache. Das ist die Herausforderung und deshalb bin ich mit dieser Saison so zufrieden.

Arbeitest du mit einem Mentaltrainer?
Esteban Gutierrez: Nein, nicht wirklich. Ich mache es rein nach Gefühl. Auch meine Familie, meine Eltern, unterstützen mich. Es ist wichtig, Hilfe von ihnen zu erhalten und eine positive Atmosphäre zu haben.

Gutierrez darf in Abu Dhabi erneut testen, Foto: Sutton
Gutierrez darf in Abu Dhabi erneut testen, Foto: Sutton

Wie viel hilft dir das Sauber Team?
Esteban Gutierrez: Das Wichtigste ist, dass ich mit Sauber aus einer anderen Perspektive erleben konnte, wie die Formel-1-Welt tickt. Das ist eine sehr harte Welt, die sich von einem Tag zum nächsten stark verändern kann. Die Augen der Welt sind auf dich gerichtet. Das ist ganz anders als etwa in der GP2. Wenn man das bedenkt, war es ein sehr wichtiger Schritt für mich. Ich war dabei, als Checo [Sergio Perez] mit dem Team in die Formel 1 kam und habe Situationen erlebt, in denen er sich in einer schwierigen Position befand. Das konnte ich aus einem anderen Blickwinkel verfolgen und mich weiterentwickeln. Außerdem hatte ich Zugang zum Paddock und den Informationen des Teams. Sollte ich nächstes Jahr die Chance erhalten, wäre ich dann an seiner Stelle und müsste es umsetzen.

Hast du im Laufe der Saison an den technischen Briefings teilgenommen?
Esteban Gutierrez: Meine Konzentration galt der GP2, aber wenn es ging, war ich immer dabei.

Wie war es, als du am Freitagmorgen in Indien erfahren hast, dass du im Training fahren würdest?
Esteban Gutierrez: Das kam sehr überraschend. Ich wachte auf, erhielt die Nachricht und dachte mir: Wow! Klar, ich hatte Checo am Donnerstag gesehen und wusste, dass es ihm nicht gut ging, aber ich erhielt die Bestätigung erst am Freitagmorgen. Es war nicht schlecht, aufzuwachen und plötzlich zu wissen, dass ich im Freien Training ein Formel-1-Auto fahren würde.

Es war nicht einfach für dich: Du kanntest weder das Auto noch die Strecke.
Esteban Gutierrez: Ich bin das Auto zuvor nur bei Straight-Line-Tests gefahren. Auch einige andere Dinge waren noch nicht bereit, weil es so überraschend kam. Mein Fuß berührte beim Bremsen das Monocoque und das Feintuning stimmte noch nicht. Aber es war dennoch wahnsinnig interessant.

Warst du nervöser als normal?
Esteban Gutierrez: Ehrlich gesagt versuchte ich, das zu trennen. Ich fühle mich beim Team sehr wohl und wir setzten uns im Meeting klare Ziele für das Training. Das Wichtigste war nicht, Schnellster zu sein, sondern gutes Feedback zu geben.

Du hast es also nicht als Prüfstein für deinen Speed angesehen?
Esteban Gutierrez: Nein, nicht wirklich. Als Fahrer versuchst du, clever zu sein und musst abschätzen, wann du ans Limit gehen kannst und wann nicht. Zu diesem Zeitpunkt war es für mich schwierig, mich an die Sicht im Auto zu gewöhnen. Gleichzeitig hatte ich die Verantwortung, Checos Autos zu übernehmen und keinen Fehler zu machen. An einem Rennwochenende teilzunehmen war ein wichtiger Schritt für mich.

War das Team zufrieden mit deiner Leistung?
Esteban Gutierrez: Das Auto war noch heil, also denke ich schon. [lacht] Die Young Driver Tests hier sind wichtig, um mehr Kilometer in einem Formel-1-Auto zu sammeln. Wie es dann weiter geht, werden wir sehen. Mein Ziel ist natürlich, nächstes Jahr Rennen zu fahren. Aber noch müssen wir uns gedulden und für alles offen sein.