Es war die Szene des Rennwochenendes von Abu Dhabi. Nico Rosberg war auf den HRT-Boliden von Narain Karthikeyan aufgefahren, segelte über den Helm des Inders hinweg und krachte in die Streckenbegrenzung. Groß war die Erleichterung, als der Mercedes-Pilot unverletzt aus seinem demolierten Cockpit klettern konnte, denn dieser Unfall hätte auch ein wesentlich schlimmeres Ende nehmen können. "Es war schon einigermaßen schreckhaft, wenn man den blauen Himmel sieht und hofft, dass man nicht kopfüber fliegt", erklärte der Deutsche nach einem Check im Medical Center.

Nico Rosberg kam mit dem Schrecken davon, Foto: Sutton
Nico Rosberg kam mit dem Schrecken davon, Foto: Sutton

Doch wie war es zu der spektakulären Szene gekommen? Rosberg befand sich aufgrund eines frühen Boxenstopps am Ende des Feldes und schickte sich an, Karthikeyan zu überholen. In der achten Runde lag er dicht hinter dem Inder, als dieser auf einmal sein Tempo verlangsamte, sodass Rosberg nicht mehr reagieren konnte und in das HRT-Heck krachte. Ursache für den plötzlichen Tempoverlust war ein Problem mit dem Hydraulik-Druck und der feststeckenden Steuerung, weshalb Karthikeyan den Fuß vom Gas nahm - beinahe mit verheerenden Folgen.

Die Defekte häufen sich

Es ist nicht das erste Mal, dass HRT durch technische Gebrechen auffällt. Erst vor einer Woche hatten sowohl Karthikeyan als auch sein Teamkollege Pedro de la Rosa mit überhitzenden Bremsen zu kämpfen. Der Spanier drehte sich als Folge dessen ins Kiesbett, der Inder brachte seinen Wagen beim Heimspiel immerhin ins Ziel. Die Liste der Defekte lässt sich aber noch weiter fortführen, denn in Korea bereitete de la Rosas Gaspedal so große Probleme, dass sich das Team dazu entschloss, den erfahrenen Spanier aus dem Rennen zu nehmen, um einen Unfall zu verhindern.

Angesichts dieser Vorfälle drängt sich nahezu die Frage auf, ob HRT für die Formel 1 eine Gefährdung darstellt. "Vor allem müssten sich die Fahrer selbst die Frage stellen, ob sie noch einsteigen wollen", sagte Alexander Wurz gegenüber Motorsport-Magazin.com über die unangenehme Situation, in der sich Karthikeyan und de la Rosa gegenwärtig befinden. "Mit diesem Auto würde ich nicht in Brasilien antreten", stellte der Österreicher klar.

Keine Tests - ein kalkuliertes Risiko?

Doch kommen diese Zwischenfälle wirklich von ungefähr? HRT bestreitet in diesem Jahr seine dritte Formel-1-Saison, schaffte es jedoch noch nie, an den Testfahrten zu Beginn des Jahres teilzunehmen. Die Boliden wurden stets in den Boxen von Melbourne erstmalig zusammengesetzt, sodass die Piloten nahezu ohne Kenntnisse über ihr Material in die Saison gingen. Auch die spärlichen Testmöglichkeiten im Laufe der Saison nützte die Mannschaft von Luis Pérez-Sala nicht - die Testfahrten im Mai in Mugello wurden ausgelassen, da man sich lieber auf den Umzug in das neue Teamquartier konzentrieren wollte. So lautete zumindest die offizielle Begründung des spanischen Rennstalls. Lediglich an den Young Driver Tests nahm man teil.

Sauber zog einst seine Boliden zurück, Foto: Sutton
Sauber zog einst seine Boliden zurück, Foto: Sutton

Es stellt sich daher die Frage, ob mit einem derart minimalistischen Aufwand die Aufrechterhaltung der Sicherheit überhaupt zu gewährleisten ist. Die Handhabe der FIA ist endend wollend, denn HRT hat die vor der Saison anberaumten Crashtests bestanden und verfügt daher über die Startberechtigung für die Formel 1. Allerdings gab es bereits Fälle, in denen Rennställe selbstständig von einem Start absahen, da die Gefährdung zu groß war. Zu nennen wäre hier etwa das Sauber-Team, das im Jahr 2000 nach mehreren Heckflügelbrüchen darauf verzichtete, Pedro Diniz und Mika Salo in Brasilien ins Rennen zu schicken. Es bleibt abzuwarten, wie HRT zukünftig reagiert, denn Zwischenfälle wie jener von Abu Dhabi enden nicht immer so glimpflich wie diesmal und schrecken gewiss auch potenzielle Sponsoren ab, die das klamme Team dringend benötigt.