Ein Thriller in Sachen Action auf der Strecke war der Große Preis von Ungarn nun wirklich nicht - nach den ersten Runden wurde kaum mehr überholt. In Bezug auf die Taktik war es aber in der Tat ein sehr interessantes Rennen, das eine Menge Fragen offen ließ - so zum Beispiel, ob Lotus das Rennen hätte gewinnen können, wenn sie etwas anders gemacht hätten? Warum Button und die Red Bulls drei Stopps absolvierten? Und wie nah Lewis Hamilton einem Verlust seines Sieges kam?

Die Erwartungen im Vorfeld

Noch am Sonntagmorgen sagten die meisten Strategen voraus, dass es ein Regenrennen werden würde. Der Wetterbericht hatte sich fünf Tage lang nicht verändert und besagte, dass zwischen 13 und 14 Uhr Ortszeit Regen fallen würde. Als der Tag aber voranschritt, zog das schlechte Wetter weg von Budapest, es wurde heiß und sonnig und das Regenrisiko nahm ab. Am Ende gab es dann doch noch ein großes Gewitter, jedoch erst gegen 19 Uhr Ortszeit - die einzige Auswirkung war, dass die Flüge vieler Teams am Flughafen verspätet wurden, das Rennen davor blieb jedoch davon verschont.

Vor dem Rennen deutete alles auf ein Ausreißen Lewis Hamiltons hin, Foto: Sutton
Vor dem Rennen deutete alles auf ein Ausreißen Lewis Hamiltons hin, Foto: Sutton

Regen am Freitagnachmittag hatte die Datenmengen reduziert, die die Teams in Bezug auf die Lon-Run-Performance sammeln konnten. Es war also wieder einmal eine Fahrt ins Ungewisse, wenn es darum ging, wie man das Rennen taktisch angehen und welche Reifen man wählen sollte. Drei Stopps sahen über die Renndistanz schneller aus als zwei, aber das Problem war, dass ein Dreistopper nach seinem letzten Stopp hinter den Zweistoppern hängen würde und überholen müsste.

Vorab sagte das Bauchgefühl, dass Hamilton vom Rest des Feldes davonfahren würde und dafür seinen scheinbar vorhandenen Pace-Vorteil von ungefähr vier Zehnteln pro Runde nützen würde. Auch wurde erwartet, dass der weiche Reifen pro Umlauf bis zu einer halben Sekunde schneller sein würde als der mittlere, was sich aus den Eindrücken vom Freitag ergab. Bereits nach zehn Runden wurden die Rundenzeiten auf der härteren Mischung dann aber als schneller prognostiziert. Die Frage lautete jedoch: Würden es alle Teams mit nur drei Reifensätzen konkurrenzfähig über 70 Runden schaffen? Wieder einmal erwies sich der Ausgang anders als erwartet.

Grosjeans & Räikkönens Siegbemühungen

Bereits die ersten zehn Runden waren ein Spiegelbild der ganzen Geschichte: Lewis Hamilton hatte das Qualifying dominiert, auf Grosjeans Lotus konnte er trotzdem keinen besonderen Abstand herausfahren. Es war klar, dass es ein enger Kampf werden würde. Weiter hinten hatte Räikkönen seine Chancen bereits im Qualifying geschmälert. Grosjeans Pace konnte er da nicht mitgehen und startete folglich nur als Fünfter. Da Alonso ihn in der ersten Runde überholte, fiel er sogar auf Rang sechs zurück. Insgesamt verlor er im ersten Stint so fast vier Sekunden, da er hinter dem Ferrari feststeckte. Trotzdem war das nicht zwingend der ausschlaggebende Faktor, der ihn letztendlich den Rennsieg kostete - es bedeutete aber zumindest, dass er Vettel nicht schon beim ersten Stopp schnappen konnte, was ihm sonst wohl gelungen wäre.

Grosjean nahm seine Reifen zu früh zu hart ran, Foto: Sutton
Grosjean nahm seine Reifen zu früh zu hart ran, Foto: Sutton

Dann hätte er im Mittelstint freie Fahrt gehabt, und es wäre interessant gewesen, wie nahe er Hamilton damit dann nach seinem finalen Stopp gekommen wäre. Grosjean sah wiederum eigentlich recht sicher auf dem zweiten Platz aus. Lotus vertrat die Ansicht, dass der weiche Reifen auch über einen längeren Zeitraum schneller sein würde und setzte deshalb auf eine Strategie mit zwei Stopps und weich/weich/medium. Diesem Plan hielten sie die Treue. Andere Teams trugen Sorge, über die 70 Runden zu kommen und präferierten so eine weich/medium/medium Strategie. Es war für Lotus mit ihrem schonenden Reifenumgang also wirklich ein maßgeschneidertes Rennen.

Zudem hatte Lotus gleich zwei Fahrer voll im Spiel: Grosjean verlor seine Chance auf den Sieg, als er zu Beginn des Mittelstints zu viel aus seinen Reifen herausholte. Dass bedeutete aber, dass er am Ende des Stints nicht mehr die Pace hatte, um länger draußen zu bleiben und Hamilton beim zweiten Stopp einzukassieren. Zeitgleich kam Vettel in Runde 38 an die Box und mit nur drei Sekunden Spielraum und abgefahrenen Reifen, hatte Lotus gar keine andere Wahl, als sich auf Vettel auszurichten und Grosjean ebenfalls hereinzuholen, um ihn abzudecken.

Alonso half Räikkönen nicht gerade, Foto: Sutton
Alonso half Räikkönen nicht gerade, Foto: Sutton

Das Gegenteil davon war Räikkönens Strategieausführung: Er fuhr einen ersten Stint über 20 Runden und schnappte sich beim ersten Stopp mit Leichtigkeit Alonso. Danach war er Fünfter, ungefähr 4,5 Sekunden hinter Vettel (mit dem er gleichauf gewesen wäre, hätte er seinen Platz am Start nicht an Alonso verloren). Anschließend nahm er einen langen Mittelstint auf weichen Reifen in Angriff (am Ende waren es ganze 25 Runden). Zunächst machte er dabei keine Anstalten, die Lücke zu schließen - stattdessen schonte er seine Reifen erst einmal für acht bis zehn Runden. Erst dann begann er langsam damit, Vettel einzuholen, bevor der Deutsche in Runde 38 seinen Stopp absolvierte.

Zu diesem Zeitpunkt ließ er es mit freier Strecke vor sich dann aber krachen. In Runde 41 fuhr er eine Zeit von 1:27.7 Minuten, einen Umlauf später war es eine Zeit von 1:25.9 Minuten. Während Vettel und Grosjean ihre härteren Reifen gerade erst auf Temperatur brachten, nahm Räikkönen ihn fast zwei Sekunden pro Runde ab. Bei seinem zweiten Stopp würde er sie so mühelos kassieren. Diese Strategie funktionierte perfekt, die Frage war lediglich, ob er Hamilton auch gleich noch kriegen könnte. Die Last seiner hohen Geschwindigkeit hatte sich jedoch auch auf seine Reifen ausgewirkt.

Zwischen den beiden Lotus wurde es doch noch knapp, Foto: Sutton
Zwischen den beiden Lotus wurde es doch noch knapp, Foto: Sutton

In Runde 43 fuhr er nur noch eine Zeit von 1:26.6 Minuten. Hamilton fuhr in Runde 44 auf seinen neuen härteren Reifen schon einen Zeit von 1:26.3 Minuten - das Spiel kippte also, denn Hamilton war einfach zu schnell, weswegen Lotus Räikkönen hereinholte, um seinen Zeitgewinn gegenüber Vettel und Grosjean abzusichern und anschließend auf der Strecke zu sehen, was der Finne im letzten Stint und auf fünf Runden frischeren Reifen gegen Hamilton ausrichten könnte. Er versuchte zu überholen, schaffte dies aber nicht und musste sich anschließend mit dem zweiten Platz zufrieden geben.

Hätte jedoch Grosjean Räikkönen Technik, die Reifen zu schonen, zu Beginn des zweiten Stints sechs oder sieben Runden lang angewandt, sich bewusst hinter die Luftverwirbelungen Hamiltons zurückfallen lassen und diesen dann erst im letzten Stint attackiert, hätte er ihn überholen und das Rennen gewinnen können. So etwas ist natürlich zu einem großen Anteil Erfahrung. Man kann sich aber sicher sein, dass er sich Räikkönens Performance auch ansehen und daraus lernen wird.

Kein guter Tag für drei Stopps

Die Vorhersagen vor dem Rennen in Bezug auf drei Stopps erwiesen sich als prophetisch: Auf dem Papier war diese Variante zwar schneller, beinhaltete aber Überholen und trotz des DR-Systems, stellte sich eben dieses auf dem Hungaroring als sehr schwer heraus. Das Rennen im letzten Jahr wurde durch den Regen beeinträchtigt, wie gering der DRS-Vorteil also wirklich sein würde, hatte noch niemand gesehen, und das auf einer Strecke, auf der es schon immer fast unmöglich war, zu überholen.

Senna tat Button richtig weh, Foto: Sutton
Senna tat Button richtig weh, Foto: Sutton

Button machte drei Stopps, da seine Reifenhaltbarkeit im ersten Stint nicht so gut wie bei Hamilton war und seine Hinterreifen sich viel schneller abnützten. Was sein Rennen aber eigentlich beeinträchtigte, war die Tatsache, dass er nach seinem zweiten Stopp, der einen Stint über 19 Runden auf der härteren Komponente bedeutete, hinter Bruno Senna auf die Strecke kam, der Reifen mit einem vergleichbaren Abnützungsgrad drauf hatte wie die, die Button abgezogen hatte. Trotzdem hielt er Button hinter sich, bis er seinerseits in Runde 42 seinen Stopp absolvierte. Trotzdem blieb Button zu diesem Zeitpunkt ungefähr sechs Sekunden hinter Hamilton, was dem gleichen Abstand entsprach, wie vor seinem zweiten Stopp.

Was er jedoch verloren hatte, war die Möglichkeit, die Pace seiner neuen härteren Reifen zu nützen - das ermöglichte es Vettel ihn beim zweiten Stopp zu übertrumpfen. Alonso wiederum kassierte ihn dann ein, als Button in Runde 45 seinen dritten Stopp machte. Er war der erste der Spitzenpiloten, der in Runde 15 zum Service hereingekommen war, was eigentlich immer noch innerhalb des Zweistopp-Fensters gewesen wäre. Auch berichtete er, dass sein zweiter Reifensatz eigentlich immer noch gut war, als er seinen zweiten frühen Stopp absolvierte.

Am Ende kostete ausgerechnet das Warten auf den Abstand zu Alonso Vettel weitere Punkte, Foto: Sutton
Am Ende kostete ausgerechnet das Warten auf den Abstand zu Alonso Vettel weitere Punkte, Foto: Sutton

Es bestand jedoch keine Möglichkeit, Grosjean mit diesem Stopp abzufangen, da dieser fast sechs Sekunden vor Button lag. Es war also einfach die falsche Entscheidung, drei Stopps zu wählen, wenngleich sie zu diesem Zeitpunkt natürlich einfach nicht das Gefühl hatten, das Rennen mit zwei Stopps durchfahren zu können, obwohl Hamilton genau das in seinem McLaren am Ende sehr wohl gelang. Webber stoppte hingegen dreimal, weil er Probleme mit seinem Differential hatte.

Das sorgte für einen höheren Reifenverschleiß, während Vettel kurz vor Schluss auf drei Stopps wechselte, nachdem er im ersten Stint Zeit verloren hatte, als er hinter Button zurückgefallen war. Dieser hatte jedoch nicht die gleiche Pace wie Hamilton und Grosjean gehabt. Vettel holte sich für einen Schlussspurt einen neuen Satz weicher Reifen und wollte sehen, ob er es so noch aufs Podest schaffen könnte. Er musste seinen Stopp aber herauszögern, um zuerst einmal eine Lücke herauszubilden, die groß genug war, um nicht hinter den hinter ihm fahrenden Alonso zu fallen. Anschließend hatte er deshalb nicht mehr genügend Runden zur Verfügung, um Grosjean noch den dritten Rang streitig zu machen.