Für Red Bull Racing stand der Große Preis von Deutschland unter keinem guten Stern. Sebastian Vettel wurde aufgrund seines fragwürdigen Überholmanövers gegen Jenson Button mit einer Zeitstrafe belegt und verlor dadurch den zweiten Platz, zudem gab es einmal mehr Aufregung über die Auslegung des Reglements. Dr. Helmut Marko äußerte sich am Montag im österreichischen Fernsehen zu den strittigen Szenen und sah dabei erwartungsgemäß seinen Rennstall im Recht.

"Man hat genau gesehen, dass Button nach außen lenkt und Vettel, um eine Kollision zu verhindern, das Gleiche tun musste", hielt Marko fest. "Es war kein Vorteil, da er auf der schlechteren und rutschigeren Spur beschleunigen musste, ich kann darin kein Vergehen sehen", war seine Meinung eindeutig. Wäre Vettel hingegen auf seiner Linie geblieben, so wäre es zu einer Kollision mit dem McLaren-Piloten gekommen, war sich der Österreicher sicher. "Vettel war leicht vorne und in dem Moment wurde er hinausgedrängt. Die Szene wurde durch Button ausgelöst."

Dass sich der Brite nach dem Überholmanöver via Funk bei der McLaren-Crew beklagte, erklärte Marko damit, dass er über das Reglement seine Position zurückgewinnen wollte. Nach dem Rennen sagte Vettel vor den Stewards aus, dass er ausweichen musste, um eine Kollision zu verhindern, was ihn jedoch nicht vor der Zeitstrafe schützte. "Die Bestrafung war unangebracht", hielt Marko fest. "Das ist wie Todesstrafe für Hühnerdiebstahl. Es wurde im Zweifelsfall nicht für den Angeklagten entschieden, das hatte einen merkwürdigen Beigeschmack."

Die Grenzen ausloten

Wo liegen die Grenzen?, Foto: Red Bull
Wo liegen die Grenzen?, Foto: Red Bull

Auch Red Bulls Interpretation des Reglements sorgte wieder einmal für Aufregung, da dem Rennstall vorgeworfen wurde, ein illegales Motormapping zu benützen. Vor allem der zeitliche Ablauf stieß Marko dabei sauer auf. "Am Samstagabend kam der Verdacht auf, aber wir haben alles offengelegt und damit war die Sache erledigt. Am Sonntagmorgen tauchte dann die Meldung auf, dass wir verdächtigt werden." Besonders verwundert zeigte er sich darüber, dass diese Thematik am Montag bei einem Meeting der Technical Working Group überhaupt nicht angesprochen wurde. "Heute gab es eine Sitzung der Technical Working Group und das Thema wurde gar nicht angeschnitten, während es am Sonntag fast Psychoterror gab."

Marko gab zu, dass das Team natürlich danach trachtet, die Grenzen des Reglements auszuloten, aber man habe nichts Unerlaubtes getan. "Am Samstag war es noch okay und am Sonntag hat man das Gleiche wieder aufgezogen", wunderte er sich und stellte klar: "Wir wurden nicht mangels Beweisen freigesprochen, sondern weil wir im Recht waren."

Eine Frage der Moral

Eine weitere Szene, die am Sonntag für viel Diskussionsstoff sorgte, war Lewis Hamiltons Manöver, der Sebastian Vettel angriff, um sich zurückzurunden, während er davon absah, den in Führung liegenden Fernando Alonso zu attackieren. "Hamilton hat Vettel aufgehalten, alleine in dieser Kurve haben wir sieben Zehntel verloren", nahm Marko zum Überholvorgang Stellung. Insgesamt seien dem Heppenheimer sogar zwei Sekunden abhandengekommen - Zeit die schlussendlich auf Button fehlte.

Befände sich ein Red-Bull-Pilot in Hamiltons Situation, wäre die Lage laut Marko klar. "Wir würden ihm sagen, halt dich da raus und lass die Führenden kämpfen", erklärte er. Verwundert zeigte sich der Österreicher nicht nur darüber, dass Hamilton Alonso nicht angriff, sondern auch über den Umstand, dass er kurz danach seinen Boliden in der Box abstellte. Dazu kam noch die Presseaussendung von McLaren, in der man hervorhob, dass Button aufgrund seines schnellen Boxenstopps vor Vettel geblieben wäre. "Es war alles reglementkonform, aber man muss das von der moralischen und ethischen Seite sehen", betonte der 69-Jährige.

Keine Weltverschwörung

Hat sich nun also die Formel-1-Welt gegen Red Bull verschworen? Marko führte einige Beispiele an, bei denen anders als am vergangenen Wochenende entschieden worden war. Kimi Räikkönen verließ etwa 2007 in Spa beim Start ebenfalls zur Gänze die Bahn, eine Bestrafung folgte jedoch nicht - obwohl der Finne das Rennen gewann. Nico Rosberg überholte in Bahrain Lewis Hamilton neben der Strecke, was keine Konsequenzen nach sich zog und Michael Schumachers Einsatz von DRS unter gelben Flaggen blieb in Valencia ebenfalls ohne Folgen.

"Es ist keine Weltverschwörung, aber anscheinend werden unterschiedliche Maßstäbe angewendet", hielt Marko fest. "Unser Job ist es, das schnellste Auto zu bauen, aber nicht permanent in sportpolitische Diskussionen verstrickt zu sein. In Hockenheim war es ein bisschen viel auf einmal." In Ungarn gelte es nun, das alles zu vergessen und sich auf die Jagd nach Alonso zu konzentrieren. Hinsichtlich der Weltmeisterschaft gab sich Marko aber keinen Illusionen hin. "Ohne einen Ausfall Alonsos wird es schwer."